Skandinavische Biennale "Momentum"

Wir sind alle Aliens

Computergrafik mit Kolibakterien
Bakterien: Sind sie die wahren Aliens? © Imago
Von Werner Bloch · 18.06.2017
Die skandinavische Biennale "Momentum" geht dem Thema "Alienation" nach – dem Andersartigen und Fremden in der Kunst. Wir bekommen es deswegen mit jeder Menge Mikroben zu tun. Und mit Entmenschlichung, der Bedrohung durch uns selbst.
Auf der Suche nach dem Alien, in Moss, einer kleinen verschlafenen Stadt am Oslofjord. Nichts deutet darauf hin, dass hier etwas Unheimliches, Überraschendes, Böses lauern könnte. Weiße Holzhäuser, eine Villa, in der schon Edvard Munch gelebt hat, eine Kunsthalle, eine Galerie.
Und doch wird in der Kunsthalle Bedrohliches gezeigt.
Eine Installation aus rotem Sand und Glas, dazu Filme von Drohnenflügen über riesige Krater und Risse in der Erde. Die Bilder erinnern an die brutalen Fördermethoden in Australien, auf der Suche nach Opal. Doch im Boden schlummern Jahrtausende alte Bakterien, die nun geweckt werden und die hochgiftig sind. Sie können einen Menschen in 48 Stunden töten.
Bei der schwedischen Künstlerin Linda Persson kommt das Alien nicht aus dem Weltraum, sondern ist bereits da – in Form von Killerbakterien.

Das Fremde macht uns Angst

Der isländische Kurator Jacob Lillemose:
"Das Thema der Biennale ist Entfremdung – es ist der Zustand, in dem wir alle leben, dank neuer Technologien, sozialer und ökologischer Prozesse. Dieses Fremde macht uns natürlich Angst, aber es gibt auch positive Prozesse. Wir wollen, dass die Besucher der Ausstellung sich damit auseinanderssetzen, und wir stellen uns auch der Frage, was wir daraus lernen können."
Science Fiction und Biologie, Soziologie und Technik - und natürlich viel Kunst – das ist die Versuchsanordnung bei der nordischen Biennale "Momentum", die 33 Künstler zeigt. Es beginnt mit den Entwürfen des Schweizer Designers Giger, der das Dekor für den ersten Alien-Film von Ridley Scott erfand. Heute wirken die hohen Stühle und metallischen Urnen eher verstaubt.
Doch das wahre Alien, das vom menschlichen Körper Besitz ergreift, ist in uns selbst.

Auf unserer Haut, in unserem Körper

In der Kunsthalle von Moss umgibt sich die österreichische Künstlerin Sonja Bäumel mit Mikroben. Das Fremde, die Mikroorganismen, befinde sich längst in uns, auf unserer Haut und in unserem Körper, sagt sie, wir tragen mehrere Kilo Mikroben mit uns herum.
Manche Darmbakterien beeinflussen sogar unsere Gefühle, unsere Stimmungen, unser Denken – und deshalb sollten wir uns auch gut mit ihnen stellen, anstatt sie zu bekämpfen und per Antibiotika auszurotten, meint Sonja Schlegel.
Sie hat ein Mikrobenmodell aus bernsteinfarbiger Gelatine aufgebaut, in das man hineinkriechen kann – Kuscheln mit Bakterien.
"Ich zeige die Arbeit Encounter, speziell zu den Mikroben in und auf uns, weil 50 Prozent der Zellen in und auf uns sind mikrobisch, das heißt wer sind wir?"
"Ich beschäftige mich seit 8 Jahren mit Wissenschaftlern, seit 2008 bin ich im Labor, ich bin interessiert an dem Raum zwischen uns, zwischen ihnen, zwischen mir, uns und der Umgebung, was passiert genau in diesem Zwischenraum."

Lebewesen, wie es sie noch nicht gab

Die Künstlerin versucht sogar, mit den Mikroben zu kommunizieren. Ganz einfach ist das nicht.
Die türkische Künstlerin Pinar Yildas entwirft schon mal den Ozean von morgen, der von allerlei tierischen Aliens bevölkert wird. Viele Seevögel haben ja bereits Plastik verschluckt und absorbieren die Farbe auf dem Federkleid, im Meer entstehen Lebewesen, wie es sie nie gab.
Die Angst vor dem Anderen spielt auch in der Sozialgeschichte eine Rolle. In Moss ist für die Biennale ein Museum der Entmenschlichung eingezogen. Es zeigt, wie der jeweils anderen Volkgruppe von Judenverfolgung bis Ruanda-Genozid dem so genannten Anderen die Menschlichkeit abgesprochen wurde – der Unterdrückte, Ausgebeutete, wurde immer zu einem Art Außerirdischem ohne Menschenrechte gemacht.

Kultur für alle - eine Zwischenbilanz der Kulturhauptstadt Aarhus
Bent Sörensen, Sprecher der "Aarhus-2017"-Kampagne, hat ein rundum positives Fazit der ersten Monate gezogen. Aarhus sei eine Kulturhauptstadt für die Bürger, sagte er im Deutschlandfunk Kultur, es habe bereits viele Veranstaltungen mit großem Publikumserfolg gegeben. Inzwischen gebe es sogar rund 3000 Einwohner der Stadt, die bei Projekten mitmachen wollten. Kultur könne dazu beitragen, "dass wir ein besseres Leben in der Zukunft haben", betonte Sörensen. Künstler könnten die Menschen zu einem nachhaltigen Leben im Einklang mit der Natur inspirieren. (ahe)
Audio Player

Mehr zum Thema