Simon Beckett

    Von Tobias Wenzel · 30.08.2013
    Warum wird auf dem General Sheffield Cemetery Fußball gespielt? Und wieso bekommt es Simon Beckett auf diesem Friedhof mit der Angst zu tun?
    "Langsam, aber sicher holt sich die Natur diesen Ort wieder zurück. Das hat schon etwas Berührendes."

    Mit geducktem Kopf, die Hände voraus, um das Gesicht vor Zweigen zu schützen, geht Simon Beckett einen schmalen Pfad bergauf. Kaum ein viktorianischer Gedenkstein, an dem nicht irgendeine Pflanze hochgeklettert wäre. Ganze Grabfelder sind von einem Efeu-Teppich überzogen. Unmöglich, die Namen und Daten der Toten zu lesen. Seit Ende der 70er-Jahre ist niemand mehr auf dem Sheffield General Cemetery bestattet worden. Heute steht der Friedhof unter Naturschutz. Hier sieht man Spaziergänger mit Hunden, Frauen mit Kinderwagen, Vogelbeobachter und Jogger.

    "Dieser Friedhof ist zu einer Art Park geworden. Es ist ein Ort alter, nicht neuer Trauer. Gerade habe ich gehört, wie sie hier Fußball spielen."

    1980 rückten Bulldozer an. 800 Grabsteine wurden geräumt, Gras wurde gesät. Auf der so geschaffenen Wiese, über den Toten, jagen jetzt Kinder dem Ball nach. Orange-weiß gestreifte Verkehrshütchen markieren die Tore. Darunter liegen die Gebeine von Menschen, die an Cholera und Tuberkulose starben, die während der Flut von Sheffield 1864 ertranken oder den Blitzkrieg-Angriffen der Deutschen Luftwaffe im Dezember 1940 zum Opfer fielen.

    Simon Beckett auf dem Sheffield General Cemetery, Großbritannien
    Simon Beckett auf dem Sheffield General Cemetery, Großbritannien© Tobias Wenzel/ Knesebeck Verlag
    "Mein Urgroßvater soll hier auch irgendwo begraben sein. Ich habe aber keine Ahnung wo."

    Früher wohnte Simon Beckett ganz in der Nähe. Fast täglich lief er am Friedhof vorbei, betrat ihn aber selten.

    "Viele Menschen meinen, ich sei vom Tod und von verfaulten Körpern besessen. Das stimmt aber nicht."

    Der Autor von Thrillern, in denen Menschen brutale Morde begehen und Verwesungsprozesse von Leichen so präzise beschrieben sind, dass manch einem Leser übel wird, fühlt sich auch nicht von Friedhöfen angezogen:

    "Einmal war ich hier nachts zusammen mit einem Freund. Das war schon gespenstisch. Ein Friedhof im Dunkeln – ich habe einfach zu viele Horrorfilme gesehen!"

    "Jetzt haben wir uns verlaufen, oder?"

    Simon Beckett wirkt nervös. Meinen Vorschlag, uns zum Sonnenuntergang auf dem Friedhof zu treffen, hat er am Tag zuvor abgelehnt. Begründung: "zu gefährlich". Um diese Zeit könne man hier finsteren Gestalten begegnen, vielleicht sogar Junkies. Und nun hat sich unsere nachmittägige Begegnung doch länger hingezogen als geplant. Die Sonne ist schon hinter dem Friedhofshügel verschwunden. Simon Beckett erhöht die Schrittgeschwindigkeit, zügelt sie nicht einmal, als er schon den Ausgang erreicht hat, ein Tor mit wuchtigen dorischen Säulen:

    "Seit ich vor vielen Jahren nachts auf diesem Friedhof war, hält sich meine Lust in Grenzen, hier noch einmal im Dunkeln zu sein. Das hat wohl alles mit meiner zu stark ausgeprägten Fantasie zu tun. In Zukunft halte ich mich lieber an die Straßenlaternen."

    "Simon Beckett. Sheffield General Cemetery, Great Britain."