Shopping der Zukunft

Von Stephanie Kowalewski · 05.10.2011
Beim Buhlen um die Gunst der Kunden setzt der Handel immer mehr auf modernste Technik. Sie soll das Einkaufen zum Erlebnis machen. Bald könnten zum Beispiel Infoterminals an der Fleischtheke Kochrezepte ausspucken und auf den passenden Rotwein ein paar Regale weiter verweisen.
Der neueste Schrei in den Modeabteilungen dürfte bald vielerorts der Tweet Mirror sein, meint Sabine Stockmann von der niederländischen Herstellerfirma nedap:

"'"Ja, der Tweet Mirror ist ein interaktives Gerät. Das ist sehr, sehr interessant für die junge Zielgruppe. Der Kunde kann sich hier fotografieren, in mehreren Outfits, und diese Bilder dann per E-Mail, Twitter oder MMS an seine Freunde und an seinen Bekanntenkreis schicken.""

Der Spiegel samt Digitalkamera, Internetanschluss und integriertem Computer ist über einen großen Touchscreen leicht zu bedienen. Bevor es los geht, muss allerdings ein kennwortgeschützter Account angelegt werden. Die 24-jährige Sarah Schwarz probiert es aus:

"Bitte geben sie ihren Benutzernamen ein. Ich geb einfach mal Sarah ein, ne. So zählt runter. Oh Gott, das ist jetzt das Foto?"

Nicht sehr vorteilhaft, findet die hübsche junge Frau. Kein Problem. Sie kann es löschen und den Spiegel ein neues Bild schießen lassen. Bis zu fünf verschiedene Fotos kann sie dann kostenlos an das Smartphone oder die Mailadresse ihrer Freunde versenden:

"Und ich kann noch eine persönliche Nachricht mit verschicken. Das ist ganz witzig im digitalen Zeitalter, dass man eben einen Post-it hat, den man mit dem Finger bemalen kann. Das wird sehr, sehr gerne gemacht."

Witzig für den Kunden und praktisch für den Händler. Denn der kann zusammen mit den Fotos sein Logo, den Link zu seiner Internetseite oder auch Werbebotschaften versenden. Wenn die Kunden zustimmen, kann der Händler außerdem die E-Mail-Adressen für eigene Werbezwecke nutzen. Kein Problem findet Sarah Schwarz. Für sie überwiegen eindeutig die Vorteile des Tweet Mirrors:

"Ich hatte jetzt letztens noch das Problem, dass ich alleine in die Stadt musste, weil meine Freundinnen arbeiten mussten, krank waren oder was auch immer. Und da ich mich nie entscheiden kann, wäre das perfekt. Also ganz super."'"

Das Problem, die richtige Entscheidung zu treffen, haben auch die meisten Supermarktkassen. Denn die setzen nach wie vor auf das Scannen des Barcodes, doch das ist nicht treffsicher genug, sagt Detlef Rehländer, Geschäftsführer von ITAB Deutschland, einem Spezialisten für Kassentische:

""Mit der Barcodeerfassung haben wir maximal 90-92 Prozent der Produkterkennung erreicht."

Das System sei ausgereizt, mehr sei da nicht rauszuholen, meint er. Deshalb versucht es ITAB als weltweit erster mit einer komplett neuen Methode – ohne Barcode:

"Das funktioniert über in erster Linie Bildprozessoren und verschiedene Formen von Spektralanalysen in Verbindung mit Gewicht oder auch Formaterkennung. Das System erkennt nachher die Oberfläche der Orange oder erkennt auch die Oberfläche des Oreganos im Gewürzglas."

Dazu legt der Kunde wie üblich seine Waren einzeln auf ein Förderband. Dann fahren Konserven, Gemüse und Obst durch einen Tunnel, wo innerhalb von einer Sekunde von jedem Produkt eine Art digitaler Fingerabdruck erzeugt wird. Der wird mit einer Datenbank abgeglichen, in der sämtliche Produkte des Supermarktes aufgelistet sind. Trefferquote: 99,3 Prozent. Die ausgeklügelte Software kann sogar erkennen, ob die grünen Äpfel auf dem Band alle von der gleichen Sorte sind oder doch unterschiedliche Preise haben. Bei der Präsentation klappt das fehlerfrei. Nun soll ein erster Praxistest zeigen, wie Alltagstauglich das System ist.

"Wir denken, dass wir im Herbst tatsächlich in einem lebenden Testmarkt in Skandinavien starten werden."

Auch rund um den Bargeldverkehr im Handel tut sich was, zum Beispiel beim Bezahlen an so genannten SB-Kassen, wo der Kunde seine Ware selber scannt. Damit der Bezahlvorgang für den Kunden möglichst schnell und einfach ist, hat die Firma Wincor Nixdorf ein neues Kassensystem entwickelt, sagt Leyla Feghhi:

"Der Vorteil bei dem Bargeldbezahlen: Hier sehen sie, dass sie mehrere Münzen einfach reinschmeißen können. Das gleiche mache ich mit Noten, die muss ich nicht einzeln einzahlen, sondern kann die hier eingeben. Man hat jetzt gesehen, wie ganz viele Noten sehr schnell eingezogen wurden und gezählt wurden."

Während der Kunde den Kassenautomaten vorne mit Geld füttert, werden die Scheine im Inneren des Terminals automatisch gezählt und auf eine Rolle gewickelt. Gemeinsam mit den Münzen landen sie in einer Kassette, die wiederum in einem Save steckt. Sobald die Kassette gewaltsam geöffnet wird, werden die Scheine mit Tinte eingefärbt und sind unbrauchbar. Die Software errechnet dann noch schnell, wieviel der Kunde zuviel gezahlt hat und spuckt das Wechselgeld aus. Am Ende des Tages entnimmt ein Mitarbeiter die verriegelte Geldkasette und bringt sie zum nächsten Automaten im Kassiererbüro.

Sebastian Kloke von Wincor Nixdorf erklärt das so genannte Cash Cycle Mangement:

"Zahlt also Münzen und Noten automatisch ein, die werden vereinzelt und auf Echtheit überprüft. Die Kassette wird in die Dockingstation geschoben und zum Schluss gibt es eine Quittung oder eine Kommunikation an eine darüber liegende Softwareschicht. Damit ist der Mitarbeiter wieder entlastet. Das war der Prozess im Kassenbüro der Zukunft."

Durch den geschlossenen Bargeldkreislauf kommt kein Mitarbeiter mehr direkt mit dem Geld in Berührung, das manuelle Zählen der Einnahmen entfällt und damit auch das sonst übliche Vier-Augen-Prinzip. Auch auf die Kassierer kann der Handel so verzichten. Doch Personalabbau sei nicht das Ziel solcher Systeme, betont Leyla Feghhi:

"Die Orientierung zum Kunden, die wird immer wichtiger. Das heißt, die Zeit, die ich nicht mehr damit verbringe, das ganze Geld zu zählen, die habe ich frei für den Kunden."

Das täte auch so manchem Supermarkt gut! Ein großer deutscher Möbeldiscounter stattet gerade seine Märkte mit dem neuen Cash Cycle Mangement aus. Es bleibt abzuwarten, ob das Kassenbüro der Zukunft tatsächlich zu mehr Beratungsservice für den Kunden und nicht zu weniger Personal führen wird.
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