Sexualisierte Gewalt im Sport

Es gibt Bereiche, in denen es Täter leichter haben

Ein junger Mensch spielt Fußball.
Ein junger Mensch spielt Fußball. © imago/CHROMORANGE
Von Frank Ulbricht · 04.06.2017
Kommt es in Sportvereinen häufiger zu sexuellen Übergriffen als in anderen Teilen der Gesellschaft? Experten sind wenig überrascht, dass sich trotz Präventionsprogrammen immer wieder Missbrauchsfälle ereignen. Problematisch ist oft die Beziehung zwischen Trainern und Kindern.
Ein Mann zwingt einen 14-Jährigen ins Bordell und nötigt ihn zu sexuellen Handlungen mit einer Prostituierten. Das ist keine fiktive Szene aus einem Film, sondern ist tatsächlich passiert. Die beiden Beteiligten kennen sich gut. Der Jugendliche spielt Fußball bei Tennis Borussia Berlin, der junge Mann ist bis zu diesem Zeitpunkt sein Trainer. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat den Fall übernommen.
Tennis-Borussia-Geschäftsführer Andreas Voigt kann daher über Einzelheiten nicht sprechen. Informiert wurde er von der Mutter des Jungen. Sie zeigte Voigt den Mailverkehr zwischen ihrem Sohn und dem Übungsleiter.
"Als ich diesen Chatverlauf gesehen habe, hatte ich so viel Informationen, dass das keine normale Kommunikation zwischen Spieler und Trainer ist, so das wir sofort entschieden haben, diesen Trainer einzuberufen."
Noch am selben Tag wurde der Mann von seinen Aufgaben freigestellt.

"Ich möchte nicht wissen, was auf Reisen passiert"

"Wir haben dann Kontakt aufgenommen zum Berliner Fußballverband, mit dem Gerd Liesegang. Den habe ich sofort angerufen und gefragt, was rätst du, wie sollen wir vorgehen? Er hat mir dann den Kontakt gegeben vom LKA. Da gibt es eine Stelle, die sich mit solchen Fällen beschäftigt."
Gerd Liesegang ist Vizepräsident des Berliner Fußball-Verbandes. Durch seine Initiative wurde 2015 das Projekt "Kleine Helden" ins Leben gerufen. Es soll Kindern helfen, sich im Sportverein vor sexuellen Übergriffen zu schützen. Auch für Jugendliche gibt es jetzt Präventionsangebote.
Bald wird der Berliner Fußballverband auch eine Kooperation mit dem Kinderschutzbund eingehen. Trotz all dieser Maßnahmen ist Gerd Liesegang nicht überrascht, dass es in einem Fußballverein wieder zu sexuellem Missbrauch gekommen ist.
"Ich möchte nicht wissen, was auf Reisen passiert, wo die Jugendlichen vielleicht durch Alkohol ein bisschen gefügiger gemacht werden. Man kann sich ausdenken, was da manchmal herauskommt. Und dann sind die Jugendlichen ja immer noch ein bisschen dem Trainer gegenüber hörig. Und erzählen nicht darüber. Warum sollen wir von solchen Typen verschont sein, denn wir sind mitten im Leben."

Tennis Borussia erhält eine Jugendschutzbeauftragte

Das bestätigt auch die Therapeutin und Co-Sprecherin des Betroffenenbeirats im Fonds Sexueller Missbrauch, Angelika Oetken. Sie ist nicht der Meinung, dass es in Sportvereinen zu mehr sexuellen Übergriffen kommt, als in anderen Teilen der Gesellschaft. Aber:
"Es gibt im Sport Bereiche, wo es Täterinnen und Täter viel leichter haben. Und wenn die einmal dort Fuß gefasst haben, dann pflegen die ihren Tatort, so bezeichnen wir das. Das heißt, die tun alles dafür, dass das so bleibt. Es reicht nicht, die anzuzeigen, zu entlassen, irgendwie zu bestrafen. Denn das System das die etabliert haben über einen langen Zeitraum, existiert ja noch."
Bei Tennis Borussia wird es demnächst eine Jugendschutzbeauftragte geben. Bisher, so Geschäftsführer Andreas Voigt, gibt es aber keine Informationen über weitere Missbrauchsfälle.

Über das Thema "Sexualisierte Gewalt im Sport" haben wir auch mit Bettina Rulofs vom Institut für Soziologie und Genderforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln gesprochen. Das Interview können Sie hier nachhören:
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