Sexarbeit in München

Wenig Probleme im und außerhalb des Sperrbezirks

Das Bordell "Leierkasten"
Das Bordell "Leierkasten" in München. © picture alliance/dpa/Foto: Felix Hörhager
Von Tobias Krone · 12.12.2017
In München soll es im Rotlichtmilieu relativ gesittet zu gehen, es gebe keine mafiösen Familienclan-Strukturen und die meisten Prostituierten seien angemeldet. Grund für die Situation ist vor allem die bayerische Gesetzeslage.
Wer in München die schnelle Liebe sucht, muss rausfahren. So weit, dass von München fast nichts mehr übrig bleibt, außer Güterbahnhof und Industriepark. Durch das Grau der Ingolstädter Straße leuchtet einem in kompromisslosem Knallrot Münchens legendärstes Laufhaus entgegen. Hier arbeiten Prostituierte selbständig in angemieteten Zimmern, deren Türen, je nach Konjunktur, Besuchern offen stehen oder verschlossen sind. Freier streifen über rotgestrichene Flure und mustern Frauen in Reizwäsche, die auf dem Bett liegen und zumeist mit ihrem Handy beschäftigt sind.
"Der Leierkasten ist jetzt über die Grenzen von Deutschland hinaus bekannt. Also Leute, die zur Wiesn kommen, die eh in München sind aus zum Beispiel Österreich Italien Schweiz – da ist eigentlich ein Abstecher im Leierkasten immer schon mit im Programm eingeplant. Und ist halt immer noch das Bordell Nummer Eins in Bayern. Und hat auch richtig Tradition und ist eigentlich eine Institution wie das Hofbräuhaus."
Deniz, hager, Kapuzenpulli, Bananentasche, ist Bar-Geschäftsführer dieser wahrlich geschichtsträchtigen Einrichtung.
"Gut, ich bin jetzt 33, ich hab's nicht mehr mitbekommen. Aber es gab den Dirnenkrieg, hat man gesagt, glaube ich. Da haben sie auf dem Dach protestiert, weil – hier sollte Sperrbezirk kommen. Und da sollte der Leierkasten als Bordell so nicht mehr existieren. Ja, hat aber nicht ganz so geklappt…"

Ein entscheidendes Detail muss noch ergänzt werden. Damals ist der Leierkasten nicht hier draußen, sondern im Bahnhofsviertel. 1972 rüstet sich München für die olympischen Spiele. Weil man neben sportlichen Höchstleistungen auch ein Höchstmaß an unsittlichem Fremdenverkehr befürchtet, erweitert die Stadt das Sperrgebiet auf die Münchner City. Das ist den Dirnen vom Leierkasten aber erst einmal egal. Bis schließlich eine Polizeikette die Freier davon abhält, das Bordell zu betreten. Zu den leicht bekleideten Damen auf dem Dach gesellen sich damals Studierende. Der Protest dauert mehrere Tage und gerät zur Farce für die Stadtpolitik. Doch irgendwann setzt sich die Ordnungsmacht durch. Der Leierkasten muss umziehen und befindet sich heute an einem der letzten schmalen Korridore, auf denen Prostitution erlaubt ist.
Bordellbetreiber Deniz in München
Bordellbetreiber Deniz vor dem Leierkasten im Norden Münchens.© Deutschlandfunk / Tobias Krone
"Der Sperrbezirk hat eine gewisse Schutzfunktion, eben auch für Anwohner. Wenn ein Kindergarten irgendwo ist, dass im Haus nebenan ein Bordell-Betrieb ist, das würde einfach nicht passen. Man hat von dem her geschaut, dass die ganzen Bereiche, die außerhalb des Sperrbezirks sind, in so genannten Gewerbegebieten sind, wo keine Leute normalerweise wohnen, wo auch keine Schulen oder Kindergärten sind, wo eine sittliche und moralische Gefährdung passieren könnte."
Werner Kraus kennt Münchens moralischen Stadtplan. Der Polizeisprecher war elf Jahre bei der "Sitte". So wird das Kommissariat für die Bekämpfung der Rotlichtkriminalität im Milieu genannt. Weil immer wieder Gewerbe- in Wohngebiete umgewandelt werden, ist heute beinahe ganz München ein Sperrbezirk. Laut Polizei sichert das Konzept vor allem den sozialen Frieden bei den Anwohnern.
Beschwerden gibt es derzeit häufiger – gerade aus dem Bahnhofsviertel, wo immer wieder Menschen verdächtigt werden, sich in Bars zu prostituieren – illegal. Die Polizei tut sich schwer, es ihnen nachzuweisen. Was dagegen die etwa 190 Bordelle betrifft, geht es in München vergleichsweise ordentlich zu. Mafiöse Familienclan-Strukturen wie in Berlin oder Bremen seien im Münchner Rotlicht nicht vorhanden. Die Polizei führt das auf ihre harte, so genannte Münchner Linie zurück.
"In München ist das Rotlichtmilieu noch relativ gesittet, kann man sagen. Was natürlich zum einen an diesen ständigen Kontrollen durch die Polizei liegt. Das gibt’s in den anderen Bundesländern in der Art und Weise nicht, weil die Möglichkeiten vom Gesetz her gar nicht so da sind."

Polizisten dürfen in Bordellen Personalien checken

Das bayerische Polizeiaufgabengesetz erlaubt es Polizisten in Bordellen die Personalien zu checken; anders als etwa in Hamburg, wo der Polizei solche Stichproben nicht ohne weiteres erlaubt sind. Diese Praxis sorgte dafür, dass auch schon vor dem Schutzgesetz neun von zehn Prostituierten in München angemeldet waren.
"Von der jeweiligen Dame werden eben bei einer Kontrolle die Personalien erhoben, es wird der Ausweis überprüft. Und das ist natürlich unter Umständen etwas langwierig, wenn es eine ausländische Person ist, dass man schaut: Hat der Ausweis, hat der Pass eventuell Fälschungsmerkmale oder Sonstiges. Und um das zu vereinfachen, hat man gesagt, okay, die Frauen können gerne, bevor sie arbeiten, zur Dienststelle der Polizei kommen und werden dort überprüft. Und dann ist die Kontrolle im Klub selbst um einiges schneller, als wenn man hier erst mit allem anfangen müsste."
Auch viele Betreiber wollen so sauber arbeiten, wie es in dieser Branche eben geht. Man wisse nicht, aus welchem Antrieb die selbständigen Prostituierten, zumeist aus Osteuropa, hier arbeiten – und auch nicht, ob sie das Geld am Ende für sich selbst behalten können, heißt es etwa im Leierkasten. Aber auf der deutschen Seite des Gewerbes soll alles korrekt ablaufen. Deshalb verlangt das Laufhaus schon seit Jahren von seinen Mieterinnen, dass sie sich zuerst freiwillig bei der Polizei melden.

Knapp 3000 Münchner Prostituierte

Mit dem Prostitutionsschutzgesetz ist dafür nun das Münchner Kreisverwaltungsreferat, kurz KVR, zuständig. Anmeldung für die knapp 3000 Münchner Prostituierten ist jetzt Pflicht. Bordell-Geschäftsführer Deniz sieht darin für die Damen im Leierkasten zunächst einen Mehraufwand.
"…Weil die kommen aus Bulgarien zum Beispiel, mit dem Zug, mit dem Flugzeug, mit dem Autobus, wie auch immer. Wollen eigentlich direkt arbeiten, haben meistens kein Geld in der Tasche und müssen dann erstmal halb durch München fahren. Zum Gesundheitsamt, müssen dort 35 Euro bezahlen. Und dann der Ausweis selber beim KVR kostet auch nochmal 35 Euro. Passfotos musste machen. Mit dem Taxi, Ubahn, Bus, wie auch immer, die Fahrtkosten muss sie zahlen. Also für die ist es schwieriger."
Die Kosten sind nicht zu unterschätzen. Bei einer Zimmermiete von 185 Euro pro Tag muss eine Prostituierte ohnehin erstmal so einiges reinarbeiten. Auch für viele Bordellbetreiber standen Überprüfungen und Investitionen an. Führungszeugnisse und Brandschutzkonzepte mussten vorgelegt – und Alarmknöpfe in den Zimmern installiert werden. Stefan Drexl, Mitarbeiter der Projektgruppe beim Kreisverwaltungsreferat, lobt die Zusammenarbeit.
"Die Erfahrung, die ich gemacht habe, ist durchaus positiv. Viele Bordellbetreiber wünschen sich auch aus dieser Illegalität, wo sie gesteckt waren, rauszukommen und sind eigentlich sehr kooperativ. Und nehmen auch Geld in die Hand und bauen teilweise Sicherungssysteme ein, die ihre Prostituierten dann vor Ort schützen und im Falle des Falles dann vielleicht auch vor Schlimmerem bewahren."


Vor Schlimmerem bewahren soll auch die Kondompflicht. Im Leierkasten weisen Werbe-Bildschirme darauf hin – schon seit drei Jahren, wie Deniz sagt. Auch wenn das nicht jedem Gast gefalle.
Das Bordell Leierkasten in München
Seit drei Jahren gilt im Leierkasten Kondompflicht.© Deutschlandfunk Kultur / Tobias Krone
"Ah, der eine oder andere, wenn er davor einen Service ohne Kondom bekommen hätte, wird sich bestimmt aufregen oder sagen: Das ist ein Mist! Aber ich meine, das ist jedem sein eigenes Leben. Und wer ohne Kondom Verkehr hat mit einer Frau, die das beruflich macht – also ich persönlich sage da: der hat einen an der Waffel."
Völlig überwachen könne man die Kondompflicht freilich nicht. Aber die Prostituierten würden jetzt besser aufgeklärt. Und das findet Deniz richtig.
"Mit 21 ist man noch kein Sexprofi, sag ich mal. Und die wird auch aufgeklärt: Was kann sie sich eigentlich mit welchen Handlungen für Krankheiten holen oder auch weitergeben, als Beispiel. Also, schlecht finde ich das nicht."
Von Seiten der Stadt und der Polizei begrüßt man das neue Gesetz.
"In München muss man sagen, die Polizeibehörden haben bislang sehr gute Arbeit geleistet und waren auch Vorreiter für dieses Prostituiertenschutzgesetz, so wie es jetzt vorliegt. Weil in München die Überwachungsdichte immer schon sehr hoch war und auch nicht nachlassen wird. Deswegen erhoffen wir uns für München einen Erhalt des Status Quo und in der Fläche für ganz Deutschland eine Verbesserung für die jeweilige Prostituierte, bzw. für den jeweiligen Prostituierten."

Hören Sie zu dem Thema auch einen Bericht aus Berlin von Claudia van Laak.
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Hören Sie zu dem Thema auch einen Bericht aus Hamburg von Axel Schröder.
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