Sendungsüberblick

Künstliche Kreativität und obsolete Medien

56:15 Minuten
18.02.2017
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Das Netz ist längst Teil unserer alltäglichen Lebensroutine geworden, auf Manche wirkt es mittlerweile sogar langweilig.
Das Netz ist längst Teil unserer alltäglichen Lebensroutine geworden, auf Manche wirkt es mittlerweile sogar langweilig. Den Zauber des Neuen hat es verloren, trotz ständig neuer Dienste, Applikationen und Bewegungen. Breitband-Kollege Christian Conradi tritt einen Schritt zurück und sucht nach Perspektivwechseln - und zwar bei dem Berliner Medienkunstfestival Transmediale.
Was uns 20.000 Videokassetten über das Netz verraten
Über zehn Meter lange und vier Meter hohe, schwarze Holzregale stehen anfang Februar im Berliner Haus der Kulturen der Welt. Sie sind Teil der Transmediale-Ausstellung Alien Matter. Die Regale sind mit 20.000 Videokassetten befüllt und so arrangiert, dass sie einen begehbaren Raum bilden. «Video Palace #44 - The Hidden Universe» heißt Joep van Lieflands Arbeit - ein metaphorischer Informationsraum eines längst obsolet gewordenen Mediums, das dem Betrachter die Vergänglichkeit von Datenträgern vermittelt.
Verdampfte Informationen, digitalisierte DNA

Mit «An Internet» stellt der holländische Künstler Jeroen van Loon seine Idee eines alternativen Datennetzes vor. Es besteht aus dutzenden netzwerk-ähnlich angeordneten Glasröhrchen, die mit einer Nebelmaschine verbunden sind. Weißer Rauch strömt durch das Rohrsystem und stößt kleine Wolken aus, die langsam wegziehen und sich auflösen. Ein Kunstwerk, das Fragen stellt: Ist das Internet von heute für die Ewigkeit gemacht? Sind Daten, Debatten und Diskurse nachhaltig oder verpuffen sie einfach? Ist die Utopie der Vernetzung nur eine Illusion, ein Trick?
Für sein Projekt Cellout, auf Deutsch soviel wie «Ausverkauf der Zellen», ließ van Loon seine DNA sequenzieren. Das Ergebnis: Ein Rohdatenpaket sämtlicher Geninformationen seines Körpers, 380 Gigabyte groß. Er hat den Datensatz online an den Höchstbietenden verkauft. Sie gehören nun einem belgischen Kunstsammler. Für schlappe 1100 Euro.
Rollentausch zwischen Mensch und Maschine
Die Künstlerin Addie Wagenknecht hat drei handelsübliche Putzroboter zu höchst irritierenden Kunstrobotern umfunktioniert. Die Tellergroßen Maschinenwesen sind so modifiziert, dass sie mal Wlan-Hotspot, mal Störsender sind. Sie verstärken oder unterdrücken die Funktionalität anderer internetfähiger Geräte, die sich in der Nähe befinden.
Künstlerin Pinar Yoldas präsentiert auf der Transmediale ein Zukunftsszenario, in dem eine Künstliche Intelligenz die Weltherrschaft übernommen hat. Im Jahr 2039 spricht ein virtueller Despot über sämtliche Kanäle zu den Menschen. Um die Bürger nicht zu beunruhigen, hat die KI das Aussehen eines niedlichen Kätzchens angenommen.
Einen weiteren Rollentausch hat der Predictive Art Bot in Gang gesetzt. Hinter dem Projekt steht ein Algorithmus, der auf der Grundlage aktueller Kunstdiskurse Konzepte für Kreativprojekte entwirft, die Menschen realisieren sollen.
Zwischen Utopie und Dystopie

Hinter «Recursion» von Künstler und Datenforscher Sascha Pohflepp verbirgt sich ein Text über die Menschheit, verfasst von einer Künstlichen Intelligenz - einem mehr oder weniger selbst lernenden Computerprogramm. Trainiert wurde es mit diversen historischen Texten über die Menschheit und demonstriert, wie nah sich Mensch und Maschine auf kognitiver Ebene bereits sind.
In vielen Fällen sind uns Maschinen bereits überlegen - das zeigt die britische Künstlerin Suzanne Treister auf, indem sie die Welt der Hochfrequenzhändler künstlerisch abbildet. Mit Hilfe so genannter Trading Bots agieren sie an Börsen und kaufen und verkaufen hochautomatisiert Aktien innerhalb weniger Augenblicke - jenseits menschlicher Wahrnehmung.
Musikplaylist vom 18.02.2017
Crinkles - Advance (CC BY)
Crinkles - Rust (CC BY)
Crinkles - Escape (CC BY)
Crinkles - Bricks (CC BY)
Crinkles - Break (CC BY)
Crinkles - Bolt (CC BY)
Bild: Christian Conradi