Sender der ersten Stunde

Von Hartmut Goege · 09.06.2005
Die ARD ist der größte und erfolgreichste Nicht-kommerzielle Programmanbieter der Welt. Die Weichen für die Erfolgsgeschichte der Sendeanstalt hatten die westlichen Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg gestellt. Dezentral organisiert sollten die Radiosender sein, alle Schichten der Bevölkerung vertreten und ihr Programm unabhängig von den jeweiligen Regierungen gestalten.
" Hier ist Radio Bremen mit einer Versuchssendung auf 610 Kilohertz gleich 492 Meter. "

Deutschland nach dem 2. Weltkrieg. Aus den Trümmern des Großdeutschen Rundfunks hatten die drei westlichen Alliierten Frankreich, England und die USA ein neues Rundfunksystem mit mehreren Militärsendern installiert. Ein gemeinsames Konzept gab es zwar noch nicht. Klar war jedoch, dass Radio nie mehr als zentrales politisches Propagandainstrument missbraucht werden durfte, wie es Joseph Goebbels noch zu Beginn der Nazi-Diktatur offen formuliert hatte:

" Den Rundfunk werden wir in den Dienst unserer Idee stellen und keine andere Idee soll hier zu Worte kommen. "

Noch vor der Gründung der Bundesrepublik 1949 hatten sich die Alliierten auf eine dezentrale Organisation des Rundfunks verständigt und sich in den neuen Länder-Statuten festschreiben lassen. Die Programmverantwortung wurde als Kulturhoheit in die Hände der neuen Bundesländer gelegt. Geboren waren die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Edmund Schächter, ein österreichischer Emigrant, fasste damals als US-amerikanischer Kontrolloffizier bei Radio München die Idee zusammen:

" Die Radiostationen sollen unserer Auffassung und tiefsten Überzeugung nach nicht mehr Sprecher und Organ der jeweiligen Regierung sein. Die Radiostationen sollen alle Schichten des Volkes vertreten und allen Gruppen und Parteien die Möglichkeit geben, ihre Meinung zu sagen. "

Als sich am 9. Juni 1950 in Bremen die Mitarbeiter dieser neuen 6 westlichen Nachkriegssender zu einer Tagung trafen, wurde als Ergebnis der Beratungen ganz unspektakulär die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten beschlossen.

Die Sender der ersten Stunde waren Radio Bremen, der Hessische Rundfunk, der Südwestfunk Baden Baden, der Bayerische Rundfunk, der Süddeutsche Rundfunk Stuttgart und der Hamburger NWDR, der sich später in den NDR und WDR aufteilte. Das Kürzel ARD tauchte erst vier Jahre später auf. Einer der Gründerväter war der Intendant des Süddeutschen Rundfunks, Fritz Eberhard:

" Wir wollten keinen Zentralismus wieder haben, und hatten dafür gute Gründe. Auch hätten uns die damaligen Besatzungsmächte das vermutlich nicht erlaubt. "

Was als lose Zusammenarbeit einzelner Hörfunkstationen begann, entwickelte sich mit Beginn der Fernsehära ab 1953 zu einem der größten Medien-Verbunde der Welt. Der Grund: Weil die Finanzkraft einzelner Rundfunkanstalten niemals ausgereicht hätte, das Deutsche Fernsehen aufzubauen, gab es einen notwendigen Zwang zur Kooperation. Fritz Eberhard:

" Es musste also eine enge Zusammenarbeit stattfinden, und gleichzeitig musste die Selbständigkeit der einzelnen Anstalten gewahrt bleiben. Wir fanden zwei Regelungen dafür: Erstens hatten wir eine ständige gemeinsame Programmkonferenz, in der jede Anstalt einen Vertreter sitzen hatte. Und zweitens hatten wir die Regelung: Jede Anstalt hat das Recht, aus dem Gemeinschaftsprogramm abzuschalten, wenn sie glaubt, eine einzelne Sendung nicht verantworten zu können. "

Festgelegt wurden ein Programm- und Finanzausgleich, der die kleinen finanzschwachen an den Umsätzen der starken Sender beteiligte.

Erste Großereignisse im Fernsehen wie die Krönung der englischen Queen 1953 und die Fußballweltmeisterschaft 1954 in Bern verhalfen dem jungen Medium zu einem rasanten Aufstieg. Die Popularität des Fernsehens weckte aber neue politische Begehrlichkeiten. Der Versuch Konrad Adenauers Ende der 50er Jahre ein quasi privates Regierungs-Fernsehen als direkte Konkurrenz aufzubauen, scheiterte an einer Klage der Länder.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1961 schrieb Rundfunkgeschichte. Erstmalig wurde verfassungsrechtlich festgestellt, dass Rundfunk Ländersache bleibt und unter dem Primat der Meinungsfreiheit staatsfern organisiert werden muss.