Selfmade-Spion

Als Autodidakt zum Doppelagenten

Alles im Griff: Richard Kiel (l) als Beißer und Roger Moore als James Bond, in einer Szene des Films "Der Spion, der mich liebte"
Wie sich ein Spion verhält, lernte Jamali auch aus Kinofilmen: Richard Kiel (l) und Roger Moore (r) in einer Szene von "Der Spion, der mich liebte". © dpa / picture alliance / Martin Athenstädt
Von Sieglinde Geisel · 18.07.2015
Es waren die drei aufregendsten Jahre seines Lebens. Um seinen Lebenslauf aufzupeppen, beschloss Naveed Jamali, Selfmade-Spion zu werden. In "Jagd auf Juri" erzählt er, wie er fast zufällig im New Yorker Buchladen seiner Eltern auf diese Idee kam.
"Es wurde ein Wettstreit mit Oleg, ich wollte ihn wirklich schlagen. Es war nichts Persönliches, ich wollte ihn nicht leiden sehen, ich wollte nur gewinnen."
Wenn Naveed Jamali von den aufregendsten drei Jahren seines Lebens erzählt, spricht er von Oleg, nicht von Juri, wie sein Gegenspieler im Buch heißt. Oleg war ein russischer UN-Diplomaten und Spion, der glaubte, er habe einen Agenten rekrutiert. Naveed Jamali wiederum wurde eher zufällig Spion: Er wollte seinen Lebenslauf aufpeppen, um es im zweiten Anlauf doch noch in die Navy zu schaffen.
"Ich habe mich ans FBI gewandt in der Hoffnung auf eine Art Praktikum."
Die Idee kam im elterlichen Buchladen
Die Eltern von Naveed Jamali – ein Pakistaner und eine Französin – hatten in New York ein Sortimentsgeschäft für Bücher. Im Kalten Krieg pflegten sowjetische Funktionäre in dem Geschäft Bücher zu bestellen, etwa über nukleare Abrüstung. Danach kam stets das FBI und ließ sich die Liste mit den Bestellungen aushändigen; diese erlaubten Rückschlüsse auf Wissenslücken des Gegners. Das Ende des Kalten Kriegs änderte nichts an dieser Praxis. Hier sah Naveed Jamali seine Chance: Wie wäre es, wenn er mit dem derzeitigen russischen UN-Vertreter näher in Kontakt treten würde? Das FBI gab grünes Licht, und so wurde Naveed Jamali ein Selfmade-Spion.
Buchcover: "Jagd auf Juri" von Naveed Jamali
Buchcover: "Jagd auf Juri" von Naveed Jamali© Orell-Füssli-Verlag
"Ich habe viel Zeit damit verbracht, über die traditionellen US-Spione zu lesen: Aldrich Ames, Robert Hansson, Jonathan Pollard."
Jamali erfuhr dabei, dass es vier Triebfedern für Spionage gebe: Geld, Ideologie, Zwang und Ego. Auch wie sich ein Spion verhält, lernte Naveed Jamali als Autodidakt. Aus Romanen und im Kino. Und mit Oleg führte er dann dieselben Dialoge wie die Spione im Kino.
"Vielleicht hatte Oleg noch nie mit einem echten amerikanischen Spion zu tun, vielleicht hat er sich auf dieselben Filme gestützt, die ich mir angeschaut habe."
Dreijähriges Spiel als Doppelspion
Nach drei Jahren beendete das FBI 2008 das Doppelspion-Spiel durch eine inszenierte Verhaftung Jamalis, sehr gegen dessen Willen, denn er hatte Gefallen am Wettkampf gegen Oleg gefunden. Echte Geheimnisse hatte Jamali zu diesem Zeitpunkt weder verraten noch erfahren, aber es sei den Russen auch nicht um schnelle Informationengegangen.
"Sie interessierten sich vor allem für mich. Sie wollten jemanden dauerhaft rekrutieren, der ihnen auf lange Sicht als Agent dienen würde."
Schließlich strebte Jamali eine Karriere in der Navy an. In der Welt der Geheimdienste hat der Kalte Krieg offenbar nie aufgehört, sagt Jamali.
"Das Ende des Kalten Kriegs hatte absolut keinen Einfluss auf das russische Bemühen, Leute zu rekrutieren, die für sie spionieren."

Naveed Jamali, Ellis Henican: Jagd auf Juri. Ich war ein US-Doppelagent
Orell-Füssli-Verlag, Zürich 2015
352 Seiten, 19.95 Euro (als Ebook 15,99 Euro)