Selbstversuch

Philosophieren mit der Chefetage

Der Autor und Philosoph Thomas Vasek ist Chefredakteur der Philosophie-Zeitschrift "Hohe Luft" , aufgenommen am 07.09.2014 in Köln.
Thomas Vasek, Chefredakteur der Philosophie-Zeitschrift "Hohe Luft" © dpa / picture alliance / Horst Galuschka
Von Gerd Brendel · 20.05.2016
Seit kurzem bietet der Chefredakteur des Magazins "Hohe Luft" philosophische Beratung für Unternehmer an. Unser Reporter Gerd Brendel wollte das Angebot - getarnt als Unternehmer - testen, flog prompt auf und bekam doch den einen oder anderen Tipp.
"Guten Tag, Herr Vasek! Hier Gerd Brendel ... Ich grüße Sie ..."
(Anruf bei Thomas Vasek, Chefredakteur des Philosophie-Magazins "Hohe Luft", ausgebildeter Boxer und seit neustem Berater.)
"Ich habe Ihr Angebot gefunden auf Ihrer Homepage. 'Hohe Luft Business Class' - da bieten Sie ja philosophische Beratung für Unternehmer an."
"Genau."
(Ob dabei mehr herauskommt als heiße Luft, würde ich gern herausfinden. Aber da ich Flüge in der "Business Class" an einer Hand abzählen kann, muss ich meine berufliche Situation kreativ der Zielgruppe anpassen: Als Reporter bin ich ja quasi mein eigener Chef mit dem inneren Schweinehund als schwierigstem Mitarbeiter im Selbstoptimierungs-Ein-Mann-Betrieb.)
"Ich bin mittelständischer Unternehmer, arbeite im Medienbereich und wir liefern Analysen von Wirtschaftsdaten, von politischen Daten. Auf der einen Seite die Kunden, die Abgabetermine mir vorgeben, auf der anderen Seite Mitarbeiter, die schwer zu motivieren sind, die mich nicht ernst nehmen."
(Besonders wenn ich mal wieder zu spät im Studio bin und die Redaktion drängelt.)
"Was könnten Sie mir da raten?"
"Das kann ich so schnell nicht sagen."
(Aha, es funktioniert. Der Denker denkt ...)
"Sie sind doch Journalist ... Hab ich das richtig verstanden?"
(Tarnung aufgeflogen. Ein paar Grundsätze philosophischer Managerberatung verrät mir Thomas Vasek trotzdem.)
"Unser Bemühen ist, unsere Kunden nicht nur in ihrer Funktion, in ihrer Rolle als Führungskraft ernst zu nehmen , sondern sie als Personen sehen, die noch ein anderes Leben haben ..."
"Der alte Wahlspruch von Delphi: Erkenne ich Dich?"
"Na, ganz bestimmt.
"Ich halte jetzt den Chef eines Unternehmens nicht für einen Knecht des Kapitalimus, sondern für eine Person, die versucht einen guten Job zu machen und interessiert ist an einem gelingenden Leben, zu dem der Job gehört, aber nicht nur der Job."
(Vielleicht ist die Luft in der Business Class ja so dünn, dass Manager auch ganz selbstverständliche Wahrheiten von Berufsphilosophen wie Vasek erklärt bekommen müssen. Aber wie sieht es aus mit konkreten philosophischen Modellen? Zum Beispiel Existenzialismus: Ich bin absolut frei, muss mich andauernd entscheiden nur...)
"Ich würde allerdings davon abraten, als Führungskraft das eigene Tun im Sinne von Camus als etwas Absurdes zu betrachten oder sich selbst als Sisyphos zu betrachten."
(Das wäre sicherlich auch nicht sinnreich im Hinblick auf das zügige Begleichen des Beraterhonorars. Wie sieht es mit den Stoikern aus? Vernünftiges Handeln. Gleichheit aller Menschen. Gelassener Umgang mit Niederlagen.)
"Die wären doch immerhin Resilienz-begabt?"
"Ich habe ne gewissen Skepsis gegenüber den Stoikern. Weil ich die stoische Grundhaltung der Gelassenheit in einer gewissen Distanz zu den Dingen, diese Auffassung doch für problematisch halte."
(Hasek geht noch weiter zurück in die Philosophiegeschichte ...)
"Ich glaube, dass wir in Hinblick auf das gute Leben von Aristoteles einiges lernen können."
(Das gute Leben nach Aristoteles: Glück durch tugendhaftes Verhalten. In meinem besonderen Fall allerdings schlägt mir der Philosoph eine ganz und gar nicht tugendsame Strategie vor ...)
"Verbessern Sie Ihre Tarnung ein bisschen!"
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