Selbsthilfe

Wie Bücher heilen können

Ein Buch fächerartig aufgeschlagen
"Das richtige Buch hilft oft mehr als jede Medizin", ist sich die Journalistin Andrea Gerk sicher. © imago/Mint Images
Gäste: Sprachtherapeut Alexander Wilhelm /Journalistin und Autorin Andrea Gerk · 22.10.2016
Lesend entfliehen wir der Welt und entdecken neue Räume. Wir begegnen Figuren, lassen uns von ihnen verwandeln, leiden mit ihnen - und finden bei ihnen Halt. Tatsächlich sind Geschichten für viele Menschen die beste Medizin.
"Ich bin lesesüchtig", bekennt die Journalistin Andrea Gerk. "Man kann darüber die eigene Identität vergessen und auch andere Identitäten ausprobieren." Sie kennt den Leserausch und die Selbstheilungskräfte, die ein Text auslösen kann. Die Autorin und Moderatorin der Sendungen "Lesart" und "Fazit" im Programm von Deutschlandradio Kultur hat ein Buch über diese wundersame Wirkung der Literatur geschrieben: "Lesen als Medizin". Dafür besuchte sie Kliniken, Klöster und Gefängnisse. Sie befragte Schriftsteller, nahm an Lesekreisen teil. Sie ließ ihre Gehirnströme beim Lesen analysieren und bekam Bücher verschrieben.
Ihre Erfahrung: "Das richtige Buch hilft oft mehr als jede Medizin."
Die Autorin Andrea Gerk
Die Autorin Andrea Gerk© Deutschlandradio / Bettina Straub

Was wirkt: die inneren Bilder

"Wir haben oft zu viele Probleme und wenig Heilsames", sagt der Sprachtherapeut Alexander Wilhelm. Er macht sich die heilende Wirkung der Literatur zunutze. Seit mehr als 20 Jahren ist die Poesie- und Bibliotherapie einer der wesentlichen Schwerpunkte seiner Arbeit. Er betreut Schlaganfallpatienten ebenso wie Menschen mit psychischen Problemen oder Trauernde. Und dies mit Werken von Dichtern oder Texten, die die Patienten selbst geschrieben haben.
"Die Wirkung geht immer über die inneren Bilder, die entstehen. Da kommen Ideen, Emotionen, Stimmungen hoch. Ich habe in meiner eigenen Arbeit schon oft die Erfahrung gemacht, dass ein einzelnes Wort viel auslösen kann. Beim Vorlesen höre ich meine eigene Stimme, meinen eigenen Text, das kann besondere Gefühle und Entdeckungen ermöglichen."
Diesen Effekt könne man auch Demenzpatienten beobachten: "Da kommen ganze Erinnerungsjahrzehnte hoch. Wir können viel an Ressourcen wecken und stärken."

Andrea Gerk: Lesen als Medizin. Die wundersame Wirkung der Literatur
Rogner & Bernhard, Berlin 2015
352 Seiten, gebundene Ausgabe 22,95 Euro

Bücherliste:
Charles Dickens: David Copperfield
Heimito von Doderer: Die Wasserfälle von Slunj
Marc-Uwe Kling: Känguru-Bücher
Virginia Woolf: Orlando
Henry Thoreau: Walden
Gottfried Benn: Nur zwei Dinge (Gedicht)
Emily Dickinson
Richard Bach: Die Möwe Jonathan
Thomas Mann: Joseph in Ägypten
Hölderlin: Gedichte
Hermann Hesse: Steppenwolf
Wolf F. Dietrich: (Krimis)
Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit
Die Gedanken sind frei (deutsches Volkslied)
Nordischen Kriminalromanautoren wie Lars Keppler, Liza Marklund, Erik Axel Sund, Anne Holt
Lyrik von Autoren wie Kristiane Allert-Wybranietz, Rose Ausländer, Rainer Maria Rilke
Erich Fromm: Zen-Buddhismus und Psychoanalyse
Pieter Steinz: Der Sinn des Lesens
Jewgenia Ginsburg: "Marschroute eines Lebens" sowie "Gratwanderung"
Christoph Ransmayr: Der fliegende Berg
Karl May: Winnetou
Michael Ende: Die unendliche Geschichte
Astrid Lindgren: Pippi Langstrumpf
Thich Nhat Hanh: Ärger - Befreiung aus dem Teufelskreis negativer Emotionen
Daniel Pennac: Wie ein Roman
Hanns-Josef Ortheil: Die Erfindung des Lebens
Adalbert Stifter: Nachsommer
Franz Hohler: Das Ende eines ganz normalen Tages
Alfred Lichtenstein: Die Dämmerung
Sibylle Muthesius: Flucht in die Wolken
Ulrich Plenzdorf: Die neuen Leiden des jungen W
Hermann Hesse: Demian
Astrid Lindgren: Die Brüder Löwenherz
Kathrin Schmidt: Du stirbst nicht
Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit
Christine Nöstlinger: Alfi Obermaier und der Ödipus
Karl Eugen Neumann: Die Reden Gautamo Buddhas
Selma Meerbaum-Eisinger: Blütenlese
Marie Luise Kaschnitz: Gedichte
Heinz Haber: Brüder im All
Die Bibel
Fjodor M. Dostojewski: Schuld und Sühne
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