Sehnsuchtsort Garten

Von Vanja Budde · 12.04.2013
Es will und will nicht Frühling werden nach diesem kältesten Winter seit 120 Jahren. Abhilfe von diesem Wetterfrust schafft jetzt ein neues Hörbuch. Es vereint auf vier CDs unzählige Gartengeschichten und –gedichte.
"Ach, ich könnte vor Freude jauchzen und tanzen, dass der Frühling da ist. Dieses Wiedererwachen von Schönheit in meinem Garten und heller Zuversicht in meinem Herzen."

Elisabeth von Arnim, englische Schriftstellerin mit preußischem Ehemann, debütierte 1898 mit ihrem Roman "Elisabeth und ihr Garten". Von ihr weiß man, dass der Garten ihr liebster Ort war, eine Oase der Ruhe. Doch wie viele literarische Berühmtheiten für Ziersträucher, Obstbäume und Blumenbeete schwärmten – das ist die große Überraschung dieses Hörbuchs.

"Gott der Allmächtige pflanzte zuerst einen Garten. Und in der Tat: Dies ist die Reinste aller menschlichen Ergötzungen und die Größte aller Erfrischungen des menschlichen Geistes, ohne welche Gebäude und Paläste nur rohe Machwerke sind."

Francis Bacon ging als Philosoph, Staatsmann und Wissenschaftler des 16. und 17. Jahrhunderts in die Geschichte ein. Dieser Ausschnitt aus seinem Essay "Von den Gärten" gehört zu den meist zitierten Passagen der Gartenliteratur. Das Hörbuch "Blütenherz und Zaubergarten" verrät darüber hinaus, dass Bacon als einer der philosophischen Wegbereiter der modernen Naturwissenschaften auch ein großer Botaniker war:

"Im März kommen Veilchen, besonders die einfach blauen, die die frühesten sind. Gelbe Aphrodillen, Maßliebchen, Mandel, Pfirsich- und Kornellkirschbäume, die dann blühen. Endlich: Hagedorn. Im April folgen die doppelten weißen Veilchen, Goldlack, Levkojen, Schlüsselblumen, Schwert- und andere Lilien jeder Art."

Eine bunte Fülle, die findet sich auch auf den vier CD dieses Hörbuches.
Drei Dutzend Geschichten und Gedichte rund ums Gärtnern - von Giovanni Boccaccio, über Heinrich Heine und Hermann Hesse bis zu Erwin Strittmatter und Oscar Wilde. Fontanes Birnbaum des Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland fehlt ebenso wenig wie ein kaum bekanntes Garten-Märchen der Gebrüder Grimm. Die Zeitspanne ist groß.

Von zeitgenössischen Autorinnen wie Doris Lessing bis zurück zu Plinius dem Jüngeren und seiner Beschreibung eleganter Römischer Gärten aus dem ersten Jahrhundert nach Christus.:

"Viele Pfade sind von Buchs voneinander getrennt. Hier trifft man auf eine kleine Wiese, dort auf Buchs in Gruppen, der in 1000 verschiedene Gestalten geschnitten ist. Manchmal in Buchstaben, die den Namen des Hausherren oder den des Künstlers verkünden."

Überraschenderweise liest die Schauspielerin Juliane Köhler den Text des Plinius. Wohl, um den in der Überzahl männlichen Verfassern der Texte auch weibliche Elemente zur Seite zu stellen. Zu den Sprecherinnen gehört auch die Journalistin Franziska Augstein. Sie leiht ihre Stimme Albertus Magnus, der von den ersten Gärten des Mittelalters berichtet.

"Es gibt aber Plätze, die nicht von großem Nutzen sind oder viele Früchte tragen, sondern für das Vergnügen eingerichtet sind. Diese sind es, die man ‚Veridanzia‘ oder ‚Veridaria‘ nennt. Das heißt ‚Grüne Orte‘ oder Ziergärten."

Dass der Garten als Ort des Vergnügens von keinem Nutzen sei, darin würden Psychologen heut zu Tage dem strengen Kirchenmann widersprechen: Im Zeitalter des Burnouts steht das Naturerlebnis im Garten ganz oben auf der Liste der Entschleunigungs- Methoden. Eine Hängematte unterm Apfelbaum, duftendes Gras und Sonnenschein, mit den eigenen Händen in der Erde wühlen, Werden und Vergehen: Im Garten kann man abschalten vom Bürostress und sich so existenziellen Dingen widmen wie dem Kampf gegen die omnipräsenten Schädlinge:

Wilhelm Busch: "Der Kohl":

"Unter all den hübschen Dingen
In der warmen Sommerzeit
Ist ein Korps von Schmetterlingen
Recht ergötzlich insoweit.

Bist du dann zu deinem Wohle
In den Garten hinspaziert,
Siehst du über deinem Kohle
Muntre Tänze aufgeführt.
Weiß gekleidet und behende
Flattert die vergnügte Schar,
Bis daß Lieb und Lust zu Ende
Wieder mal für dieses Jahr.

Zum getreuen Angedenken,
Auf den Blättern kreuz und quer,
Lassen sie zurück und schenken
Dir ein schönes Raupenheer."

…dichtet Wilhelm Busch…

""Leidest du, daß diese Sippe
weiterfrißt, wie sie begehrt,
Kriegst du, nebst dem Blattgerippe,
Nur noch Proben ohne Wert.

Also ist es zu empfehlen,
Lieber Freund, daß du dich bückst
Und sehr viele Raupenseelen,
Pitsch, aus ihren Häuten drückst.

Denn nur der ist wirklich weise,
Der auch in die Zukunft schaut.
Denk an deine Lieblingsspeise:
Schweinekopf mit Sauerkraut."

Am liebsten möchte man gleich die Ärmel aufkrempeln und selber zur Blumenzwiebel greifen. "Blütenherz und Zaubergarten" ist ein Hörbuch zum Träumen, auch, wenn sich das Konzept nicht ganz erschließt: Ein recht wildes Sammelsurium von Gartentexten, ohne eine erkennbare Ordnung. Darauf muss der Hörer sich einlassen. Wie auf einen verwilderten Garten, in dem lange niemand mehr Unkraut gejätet hat. Elisabeth von Arnim:

"Man wird ganz demütig, wenn man sich von einer solchen Fülle von Schönheit und vollkommener Harmonie umgeben sieht, die einem großzügig von Unbekannt geschenkt wird. Ich hoffe mit aller Zuversicht, dass ich mit der Zeit, der immerwährenden Segnung, die von meinem Garten ausgeht, würdiger werde. Und zunehme an Huld und Geduld und Fröhlichkeit."

"Blütenherz und Zaubergarten. Der Schriftsteller im Garten seiner Träume"
Mit Texten von Johann Wolfgang von Goethe, Hermann Hesse, Elizabeth von Arnim u.a. Gelesen von Stefan Wilkening, Elke Heidenreich, Juliane Köhler u.a.
Der Hörverlag, 2013
4 CDs, 271 Minuten, 19,99 Euro