Sehnsucht nach der Sonne Brasiliens

Von Alexandra Müller · 02.03.2012
Es geht um Rhythmus und Leidenschaft: Der Münchner Laienchor "Cantares" widmet sich der Musik Brasiliens - und das nun schon seit mehr als 15 Jahren.
Lilian Zamorano: "Ah, Se Eu Vou - wer hat den Ton von Ah, Se Eu Vou?"

Lilian Zamorano und ihr Chor stimmen sich ein, das Thema:

"Lustig, froh, wir sind in Brasilien."

"Habt ihr Kommentare? Was könnte besser sein, noch besser sein?"

Fabrício Cavalcante: "Präziser."

Lilian: "Was noch? Ich vermisse ein bisschen lustiger, das le ein bisschen weiter vorne und lustiger."

Mit ihrem Schwung steckt Lilian Zamorano alle an. Die 50-Jährige kam vor über zehn Jahren aus Brasilien nach München. Zwölf Jahre lang dirigierte sie als Musikdozentin in São Carlos den Universitätschor, nachdem sie Dirigieren und Komposition mit dem Schwerpunkt Chorleitung studierte.

In München leitet sie zur Zeit vier Chöre. Immer donnerstags ab 19 Uhr "Cantares". Lilian Zamorano steckt ihre schulterlangen dunkel gelockten Haare mit einer Klammer fest. Dann geht‘s los: die linke Hand am Klavier, mit der rechten gibt sie den Takt:

"Nochmal von hier alle zusammen, bitte neu. Um, dois, três"

"Was 'Cantares' macht, wir machen auch klassische Musik. Aber im Moment, seit zwei Jahren, ist Música Popular Brasileira, die Popularmusik. Und das sind Lieder, die wir im Radio hören und das ist unser Lenine, Chico Buarque, Tom Jobim. Das sind diese Lieder, die wir hier in 'Cantares' singen mit einem Arrangement für den Chor."

Wir sind im Musikraum eines privaten Gymnasiums in München-Großhadern. 26 Sängerinnen und 10 Sänger sitzen der Dirigentin im Halbkreis gegenüber. Die Nationalitäten sind so bunt gemischt wie Alter und Beruf. Sechs der Chormitglieder kommen aus Brasilien, wie Anna. Sie singt bei "Cantares" im Alt.

"Ich bin jetzt seit acht Jahren dabei. Zufällig habe ich davon erfahren und dann habe ich einen Test gemacht. Ich wurde aufgenommen und seitdem habe ich viel Spaß dabei."

Brasilianer, Deutsche, Franzosen, Holländer, Italiener, Portugiesen und Spanier singen bei "Cantares". Unterrichtet wird in Deutsch. Doch natürlich unterhalten sich die Muttersprachler auch auf Portugiesisch. Die Sopranistin Natacha singt seit drei Jahren im Chor:

"Ich komme aus Portugal. Ich spreche auch Portugiesisch mit einem anderen Akzent. Aber ich bin aufgewachsen und hab nur brasilianische Musik gehört in Portugal, wir lieben brasilianische Musik."

Gegründet wurde "Cantares" vor über 15 Jahren von einer Gruppe junger Brasilianer. Seit 1999 leitet Lilian Zamorano diesen Chor.

"'Cantares' singt nur brasilianische Musik. Der Schwerpunkt von brasilianischer Musik ist Rhythmus. Und das müssen wir ganz intensiv arbeiten. Wir machen Bodypercussion. Aussprache ist auch sehr wichtig, aber Rhythmus ist schon etwas ganz Fremdes für die Ausländer."

Das sind in dem Fall wir Europäer. Musik gehört in Brasilien zum Lebensgefühl und getanzt wird, wo man gerade ist - in jedem Alter. Damit tun wir Deutschen uns besonders schwer, obwohl wir uns nach dieser Leichtigkeit sehnen.

"Diese Bodypercussion ist wie ein Schlagzeug mit dem Körper. Was ein Schlagzeug machen würde oder eine Sambaschule mit so vielen Percussioninstrumenten, wir machen das mit dem Körper."

Es gib viel zu organisieren bei "Cantares". Jedes Chormitglied übernimmt eine Aufgabe, die ihm liegt. Freude am Singen und soziales Miteinander sind Voraussetzung für gute Chorarbeit, betont die Chorleiterin. Bass Roland wurde von seiner Freundin zum Chor mitgenommen:

"Am Anfang hatte ich Bedenken, das ist noch ein Termin nach der Arbeit, wenn man eigentlich schon müde ist. Und ich habe festgestellt, es ist genau umgekehrt: Selbst, wenn ich sehr müde bin, der Chor hilft mir, mich zu entspannen."

Lilian Zamoranos erstes Ziel bei jedem Chor ist: Harmonie. Natacha übersetzt:

"Imagina? Stell Dir vor, wie der Mond finster wird, also imagina ist stell dir vor."

"Wenn ich hier bin, vergesse ich alles draußen und die Lilly hat so tolle Energie. Und die brasilianische Musik ist auch sehr romantisch. Wir singen viel über Liebe und Rhythmus und wir vergessen einfach alles und es ist schön hier zu sein."

Bei aller Sehnsucht nach der Sonne Brasiliens, auch Chorleiterin Lilian Zamorano fühlt sich hier wohl:

"Ich bin ganz froh hier, habe viele Freunde. Ich vermisse meine Familie, Freunde, die Wärme natürlich und Licht, denn: Oktober, November, Dezember und dann wieder Januar. Aber meine Motivation ist die Musik."

Service:

Das nächste Konzert von "Cantares" findet am 3. März 2012 im Münchner Konzertsaal "Gasteig" statt. Als Gäste sind die Perkussionisten Gilson de Assis und Valdi Mendez sowie Gitarrist Fabricio Cavalcante dabei.

Link zum Thema:

www.cantares.de


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