Schweden

Frische Kultur im hohen Norden

Von Agnes Bührig · 07.01.2014
Die Kultur der Saami, ein beeindruckender Campus der Künste und eine innovative Oper – dies sind einige der Highlights, die Besucher von Umeå erwarten, der europäischen Kulturhauptstadt Europas 2014.
Orchesterprobe in der Oper Norrlandsoperan in Umeå. Das schlichte, halbrunde Gebäude aus Holz im Zentrum der Stadt war einst eine Feuerwehrwache. Heute sind hier Theater, Oper und modernes Tanztheater unter einem Dach vereint. Das Sinfonieorchester hat Platz genommen, um für "Beethoven & Beyond" zu proben. Alle neun Sinfonien Beethovens sind Inspiration für neun Sinfonien schwedischer Komponisten, die 2014 uraufgeführt werden. Mirjam Tally, gebürtige Estin mit Wohnsitz Gotland, ist eine von ihnen:
"Zuerst wollte ich mit Beethovens Material spielen und das Original in kleine Musikschnipsel zerteilen. Dann habe ich mir das kleine Rezitativ zu Beginn des 4. Satzes genommen und in verschiedenen Stimmen gesetzt. Dabei ist eine Art Mantra rausgekommen. Ich finde das ganze Projekt sehr spannend, denn als Komponisten haben wir völlige Freiheit für die Umsetzung."
Norrlandsoperan ist ein wichtiger Akteur im Kulturjahr 2014. Zur offiziellen Einweihung Ende Januar wird hier ein Tanzprojekt präsentiert, das den Jojk, den traditionellen Gesang der Saami, und eine Tanzkompagnie aus China zusammenführt.
Die Volksgruppe der Saami bewohnt den Norden Skandinaviens und prägt die kulturelle Identität Umeås. Es wird Jojkkonzerte, eine Aufführung des samischen Nationaltheaters und eine Ausstellung samischer Künstler im Bildmuseum geben. Die Zusammenarbeit mit den Chinesen kam eher zufällig, erzählt der Musikchef von Norrlandsoperan, Marco Feklistoff:
Eine neue Oper für das Kulturhauptstadtjahr
"Wir hatten das Tao Dance Theatre aus China zu einem Festival hier und entdeckten, dass die Musik Verbindungen hat zum mongolischen Obertongesang und dem samischen Jojk. Wir ließen Xiao He, den Komponisten des Projekts, ein paar Jojks anhören, historische. So wurde die Idee einer Zusammenarbeit geboren. Wir empfahlen zwei samische Musiker, sie trafen sich und improvisierten, um einen gemeinsamen Ausdruck zu finden."
Doch die Macher von Umeå 2014 haben auch europäisch gedacht und den Roman "Blanche und Marie" des nordschwedischen Schriftstellers P O Enquist (Per Olov) zum Anlass für eine neue Oper genommen. Das Drama spielt sich in Frankreich ab, Wohnort der Nobelpreisträgerin Marie Curie, sagt Marco Feklistoff:
"P O Enquist ist ein Schriftsteller aus unserer Region, der eine wichtige Episode der europäischen Geschichte erzählt. Sie spielt in Paris und hat eine Verbindung zu Schweden. Es geht um die Wissenschaftlerin Marie Curie, die gleich zwei Nobelpreise bekam und die ganze Dramatik, die damit verbunden war. Hier haben wir alles, was für ein europäisches Kulturjahr passt."
Das Muster ist durchgängig: Umeå, eine Stadt mit gerade einmal 80.000 Einwohnern, holt sich kulturellen Input von außen. Das ist auch im künstlerischen Campus nicht anders, einem Gebiet am Strand des Umeälvs, südlich des Zentrums. Die neu errichteten würfelförmigen Gebäude mit Holzfassade hat das Büro des dänischen Stararchitekten Henning Larsen entworfen. Hier liegen die Designhochschule, die Fakultät für Architektur und die Kunsthochschule Seit an Seit mit dem Museum für gegenwärtige Kunst und visuelle Kultur, Bildmuseet.
"Eine der am stärksten wachsenden Städte Europas"
Die kantige Architektur wird in diesen Tagen durch eine Reihe von aufgeklebten roten Streifen auf Wänden, Decken und Fenstern durchbrochen: Es ist das Werk des französisch-schweizerischen Künstlers Felice Varini, erklärt Kuratorin Brita Täljedal:
"An einem beliebigen Punkt im Raum sieht man nur lose Formen, die nicht zusammen gehören. Sie betonen die Architektur und locken den Blick in alle Ecken des Raumes. Wenn man den Punkt im Raum findet, wo Varini stand, als er das Werk geschaffen hat, dann passiert etwas. Es entsteht ein zweidimensionales Bild, plötzlich fügen sich die roten Streifen zu neun tanzenden Reifen zusammen."
Die schnörkellose skandinavische Architektur gibt Raum für gegenwärtige Kunst aus aller Welt. Auf dem Weg nach oben geht es vorbei an unterschiedlich großen rahmenlosen Fenstern, die den Blick auf den Umeälv und die Weite Lapplands freigeben. Zu zeigen, dass Umeå zwar von der Natur geprägt ist, aber mehr zu bieten hat als das, das ist ein Anliegen des künstlerischen Leiters von Umeå 2014, Fredrik Lindegren:
"Viele halten Umeå für ein kaltes Loch, das weit weg ist. Für viele Europäer ist es schwer vorstellbar, dass es Leben so weit im Norden gibt. Ihnen kann ich nur die Statistik entgegenhalten: Umeå ist eine der am stärksten wachsenden Städte in Europa. Und daran hat die 1965 gegründete Universität einen wichtigen Anteil. Sie legte den Grund für das neue Umeå, das gebildete und wache Einwohner hat. Das ist die Basis für ein lebendiges Kulturleben."
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