Schriftsteller Thomas Lehr

"Die EU ist kein Zwerg"

Der Schriftsteller Thomas Lehr bei Deutschlandradio Kultur
Der Schriftsteller Thomas Lehr bei Deutschlandradio Kultur © Deutschlandradio/ Sandra Ketterer
Thomas Lehr im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 30.05.2017
Europa müsse sich von den USA emanzipieren - so lautet die Forderung nach Trumps desaströsem Auftritt bei der Nato und dem G7-Gipfel. Der Autor Thomas Lehr meint: Ein Abkoppeln gehe gar nicht. Die transatlantischen Beziehungen würden über die Trump-Regierung hinaus bestehen bleiben.
Das Auftreten des US-Präsidenten sollte aus Sicht des Schriftstellers Thomas Lehr ("September.Fata Morgana") für einen Zweck genutzt werden: "Trump ist ein äußerst sichtbarer, sozusagen 'trumpelnder' Grund, der einem nahelegt zu denken: Ein geeinigtes Europa wird für alle beteiligten Länder die Chancen verbessern, ökonomisch und auch kulturell der Weltsituation standzuhalten." Nationalistisch ausgerichteten EU-Mitgliedern wie Ungarn und Polen müsse gezeigt werden: Wer Mitglied der europäischen Gemeinschaft sein wolle, sei auch Mitglied einer Wertegemeinschaft:
"Da werden in den nächsten zehn Jahren, glaube ich, einige sehr brisante Fragen auftauchen. Ich glaube nicht, dass Europa schon fertig ist, sondern dass es sich entwickelt - und vielleicht wird das auch dazu führen, dass manche Länder mehr in die Peripherie geschoben werden, vielleicht auch vertraglich, wenn sie sich so benehmen."
Für diese Länder sei Trump kein abschreckendes Beispiel, so Lehr: "Die können sehr schwer mithilfe von Donald Trump überzeugt werden, weil er im Grunde das propagiert, was sie selbst zum Teil regierungsamtlich propagieren - nämlich einen nationalistischen Populismus. Ich glaube, die werden eher auf (…) das Finanzverhalten der Europäische Union reagieren."

Strategischer Zwang zu Partnerschaft

Dass sich Europa von den USA abkoppelt, glaubt Lehr nicht: "Das geht gar nicht." Die enge Verbindung zwischen beiden werde "über die Administration Trump hinaus" bestehen bleiben:
"Ich glaube nicht, dass man ernsthaft daran gehen wird, die transatlantischen Beziehungen, die jetzt seit über 100 Jahren sehr eng sind, infrage zu stellen, sondern dass man einfach der Trump-Administration bedeutet, dass die EU nun kein kleiner Zwerg ist, sondern ökonomisch auf Augenhöhe mit den USA, wenn auch nicht militärisch. Und dass man da zu einem partnerschaftlicheren Verhalten strategisch zwingen möchte, dass man da Druck ausübt - das finde ich auch wichtig." (bth)
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