Schriftsteller Stendhal

Vorreiter des Realismus

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Zeitgenössische Darstellung des französischen Schriftstellers Stendhal. © dpa / picture-alliance
Von Vanessa Loewel · 23.03.2017
Es ist das Schicksal vieler großer Künstler: Auch für den französischen Schriftsteller Stendhal kamen Ruhm und Anerkennung erst nach seinem Tod. Heute zählt er zu den Vorreitern und wichtigsten Vertretern des Realismus. Seine Romane gehören zu den Klassikern der französischen Literatur. Am 23. März 1842, vor 175 Jahren, ist er gestorben.
"Man müßte die Meinungen haben, die die Mode gerade vorschreibt. Ich bin leider in dieser Beziehung übel daran. Mein Glück besteht in meinen Überzeugungen, sie mag ich nicht vertauschen gegen das Vergnügen der Eitelkeit und die Vorteile des Geldes."
Frankreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Die Schriftsteller verlieren sich in ausschweifenden Formulierungen und blumigen Bildern. Stendhal hingegen schreibt auf den Punkt, präzise und unpathetisch - und bleibt auf seinen Schriften sitzen.
"So dass er immer wieder darüber grübelt, wieso kaufen die Leute nicht. Und da sagt er einmal, ich schreibe natürlich Stakkato und die anderen, die schreiben Legato. Ja, natürlich, er schreibt Stakkato! Er, der einmal erklärt hat, wenn ich mich fürs Schreiben inspirieren will, dann lese ich den Code Civil, das bürgerliche Gesetzbuch."
Sagt der Romanist Winfried Engler.
Mit seinem Roman "Rot und Schwarz" hält er seiner Zeit den Spiegel vor
1830, Stendhal ist bereits 47, erscheint sein bahnbrechender Roman: "Le rouge et le noir", "Rot und Schwarz". Eine "Chronik aus dem Jahr 1830" nennt er sein Werk, in dem er seiner Zeit den Spiegel vorhält. Eine revolutionäre Idee: Der Roman, eigentlich die Gattung für Historisches, Fantastisches oder Märchenhaftes, wird auf einmal aktuell - und realistisch.
"Gleichzeitig wird der Roman auch politisch. Denn es wird hier deutlich gemacht, wen die Verantwortung für miserable Zustände trifft, nämlich das politische System."
Stendhal erzählt die Geschichte des talentierten und ehrgeizigen Provinzjungen Julien Sorel. Die verkrusteten Strukturen hindern ihn am sozialen Aufstieg; einzig eine Karriere in der Kirche steht ihm als nicht wohlhabendem Bürgersohn offen. So heuchelt er im Priesterseminar Frömmigkeit vor, schafft es tatsächlich in die Adelskreise von Paris und landet am Ende doch auf dem Schafott. Die Gesellschaft, die aus Julien einen Lügner und fast einen Mörder gemacht hat, verurteilt ihn.
"Julien Sorel ist ein Opfer des Ancien Régime und der Restauration, und es ist das Ancien Régime und die Restauration, die ihn hinrichten lassen."
Für das Leben eines Dandys reicht das Geld nicht
Stendhal wird 1783 als Marie-Henri Beyle in einer großbürgerlichen Familie in Grenoble geboren. Als Kind bejubelt er die Französische Revolution, ganz im Gegensatz zu seinem ihm verhassten, konservativen Vater. Mit 17 geht er nach Paris. Doch für das Leben eines Dandys, das er sich erträumt hat, reicht das Geld reicht nicht. Ein Verwandter besorgt ihm einen Posten im Kriegsministerium, erst als Sekretär, bald als Offizier. 1800 überquert er mit Napoleons Armee die Alpen und gelangt nach Mailand. Stärker als die Schrecken des Krieges scheinen ihn die Schönheiten Italiens zu ergreifen. Immer wieder wird er in sein Sehnsuchtsland zurückkehren. 1812 wird Stendhal nach Moskau kommandiert. Er überlebt den verheerenden Russlandfeldzug. Zurück in Paris notiert er:
"Ich befinde mich augenblicklich im Zustand völliger Leere, ich habe alle meine Leidenschaft eingebüßt."
Und mit dem Sturz Napoleons 1815 verliert er auch alle seine Ämter:
"Während der 15 Jahre der Restauration hat Beyle in Paris und in ganz Frankreich politisch nichts zu melden."
Stendhal schlägt sich als Journalist durch. Er schreibt über seine Leidenschaften: Kunst, Musik, seine Reisen durch Italien und die Liebe.
"Mein natürlicher Zustand ist wohl der eines unglücklich Verliebten."
schreibt der ewige Junggeselle.
Mit der Julirevolution 1830 erhält Stendhal Diplomatenposten
Mit der Julirevolution 1830, die die Bourbonen vom Thron stürzt, scheint es aufwärtszugehen: Endlich erhält er im Hafenstädtchen Civitavecchia, das zum Kirchenstaat gehört, den ersehnten Diplomatenposten in Italien.
"Das ist also schon wirklich ein Paradox, er, der die Kirche alles andere als liebt und verehrt, er wird Konsul im Kirchenstaat. Aber er merkt ja auch schnell, viel gibt es da nicht zu tun. Also, er ist die meiste Zeit in Rom und arbeitet und liest in den Bibliotheken."
In dieser Zeit entsteht sein zweites Meisterwerk "Die Kartause von Parma". Doch Anfang der 40er Jahre verschlechtert sich sein ohnehin labiler Gesundheitszustand. Stendhal stirbt am 23. März 1842 an einem Schlaganfall. Die Inschrift seines Grabsteins: Er schrieb, er liebte, er lebte.
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