Schottergärten

Ein ökologischer Sündenfall

06:55 Minuten
Schottergarten mit Zebragras.
Unten Folie, oben Kies: Unterm Strich ist der Schottergarten eine Versiegelung der Oberfläche. © imago/Manfred Ruckszio
Von Ernst-Ludwig von Aster · 12.03.2019
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Seit Jahren boomen Vorgärten aus Schotter. Woher die Freude an den massenhaften Steinen vor dem eigenen Haus kommt, ist nicht ganz klar. Der NABU kritisiert diese Gestaltung allerdings. Ein Großteil der Fläche geht für Tiere und Pflanzen verloren.
Immer wieder krallt sich die Schaufel des Baggers in den märkischen Sand, schafft Platz für Fundament und Keller. Noch ein Neubau. Hier auf dem alten Flugplatzgelände in Gatow, am Stadtrand von Berlin.
"Ist doch jut geworden, das Neubaugebiet. Früher war ja Flugplatz, das was hier zugekommen ist, sind schon reichlich Leute, aber so im Großen und Ganzen, wohnen ja schließlich im Grünen, ist ja herrlich."
Sagt der Mann, seine Frau wiegt den Kopf, zeigt auf einen Vorgarten. Weiß glänzen Kieselsteine in der Sonne. Hinter einem schwarzen Metallzaun. Eine kleine Konifere ist die einzige Pflanze im Garten.
Er: "Zujemacht."
Sie: "Die jungen Leute, die neu hierherkommen, die wollen das nicht grün haben, die wollen keine Arbeit haben. Kann man ja verstehen, macht ja alles Arbeit."

Steinwüste statt Unkraut zupfen

Ein Stückchen weiter schiebt eine Enddreißigerin ein rosafarbenes Damenrad. Mit geblümten Satteltaschen. Ihr Sohn wartet vor der neuen Grundschule. Seit neun Jahren lebt die Familie hier im Neubaugebiet. Und hat in der Nachbarschaft die Steingärten wachsen sehen.
"Bei uns wird das überwiegend gemacht, weil schlechte Sachen wachsen, so, vorne meist in den Vorgärten sieht der Rasen nicht gut aus, weil nix wächst. Und deshalb haben sich viele entschlossen, das zu machen."
Langsam schiebt sie mit ihrem Sohn die Straße entlang, vorbei an zweigeschossigen Einfamilienhäusern. In den Vorgärten Wenig grün. Viel grau. Eine geologische Exkursion Roter Marmorkies, Taunusquarz, Rheinkies, Yellow Sun Split, Carrara-Marmor Kies. Stein an Stein. Das Kilo kostet zwischen 20 und 90 Cent
"Tatsächlich aus‘m Baumarkt, kann man bestellen und dann säckeweise anliefern lassen."
"Das ist der große Eichelbohrer, der gehört zu den Rüsselkäfern, wie man unschwer sehen kann, weil sein Rüssel ist genausolang wie sein Körper."

Wenn Jutta Sandkühler bei der Arbeit ihren Computer startet, hat sie als Erstes den skurrilen Eichelbohrer vor Augen. Das freut die Biologin jedes Mal. Sie ist Geschäftsführerin vom Naturschutzbund Berlin, kurz Nabu. Doch nur wenige Mausklicke weiter ist es mit der Natur-Freude vorbei:
Ein Vorgarten mit lauter Schotter und zwei Pflanzen.
Immer öfter sind nicht viele Pflanzen, sondern massenhaft Steine in deutschen Vorgärten zu sehen. © Deutschlandradio / Ernst-Ludwig von Aster
"Der NABU-Bundesverband hat einen Fotowettbewerb ausgelobt für die in Anführungsstrichen ´schönsten Schottergärten`."
"Gärten des Grauens" steht dort. Und "Steinwüsten erobern die Vorgärten". Momentaufnahmen aus ganz Deutschland. Alle Adressen sind anonymisiert. Niemand soll an den Pranger gestellt werden. Nur die zunehmende Versteinerung.
"Wir sehen einen Steingarten in Neu Arnsbach der tatsächlich nur aus Kies besteht, eine Keramikeule blinzelt auf die Straße. Und eine Bank steht tatsächlich auf der Fläche."

Ökologisch komplett wertlos

Seit ungefähr sieben Jahren boomt der Schottergarten in Deutschland, sagt Sandkühler. Was den Stein genau ins Rollen brachte, ist unklar. Viele vermuten eine Auftragsflaute im Garten- und Landschaftsbau. Auf jeden Fall wird immer öfter der Garten – zum Steinbau.
"Eigentlich geht diese Fläche als Lebensraum komplett verloren. Wir haben weder Pflanzen dort noch die an oder in den Pflanzen lebenden Tiere. Das heißt für Flora und Fauna sind diese Ausgestaltungen von Garten ökologisch komplett wertlos. Nur ein ökologischer Malus für die Schotterlandschaft.
"Tatsächlich ist es so, dass die gewachsene Bodenoberfläche ausgehoben wird. Und dann wird ein Vlies eingelegt, das verhindern soll, dass aus dem Boden ´Unkraut` hochwächst. Es wird aber auch häufig dafür Teichfolie verwendet, diese Teichfolie ist in der Regel nicht wasserdurchlässig und dieses Wasser landet dann meistens auch in der öffentlichen Entwässerung."
Unten Folie. Oben Kies oder Schotter. Unterm Strich eine Versiegelung der Oberfläche. Nichts kann versickern, das schafft Probleme für den natürlichen Wasserhaushalt. Und die Kanalisation. Die ist meist jetzt schon bei Starkregenfällen überlastet. Und strahlt im Sommer so richtig die Sonne, sorgen die Gärten für nachhaltige Heizeffekte.
"Dadurch das keine Pflanzen wachsen in den Gärten wird auch keine Verdunstungskühle produziert. Gleichzeitig speichern die Steine die Hitze und geben sie dann in der Nacht an die Umgebung ab, das heißt, es kommt hier lokal zu Temperaturerhöhungen."

Streit um die Steinwüsten in den Kommunen

In den Zeiten von Artenschwund und Klimawandel haben inzwischen die ersten Kommunen die Notbremse gezogen. Und einen Schotter-Stopp für Neubaugebiete verhängt
"In Dortmund ist es so, in Darmstadt ist es so, in verschiedenen Städten wird es gerade auf den Weg gebracht."
Das aber sorgte prompt politisch für Ärger. Die CDU-Dortmund etwa protestierte. Dabei ist ein ausdrückliches Verbot oft nur eine Bekräftigung bereits bestehender Regelungen. In Berlin zum Beispiel gibt es Paragraph 8 der Bauordnung.
"Eigentlich ist es in Berlin auch gar nicht zulässig, diese Gärten anzulegen, denn die Bauordnung sagt, dass die Geländeflächen, die nicht bebaut sind, wasseraufnahmefähig herzustellen sind oder zu belassen sind und dass sie zu begrünen und zu bepflanzen sind."
Die Mutter mit dem Sohn auf dem Fahrradsattel schiebt die letzten Meter durchs Neubaugebiet. Beim Starkregen im Juli 2018 standen hier etliche Keller unter Wasser. Die Kanalisation war mit den ablaufenden Wassermassen überfordert.
Pünktlich zu Beginn der Gartensaison hat auch die junge Familie das Bau-Markt-Angebot studiert. Nun will auch sie, nach neun Jahren, in die Steingärtnerei einsteigen.
"Wir wollen. Wegen des Unkrauts, damit es ordentlicher ist."
Schwarz-weiß soll die Steinlandschaft werden. Ordentlich. Und kontraststark. Und dabei will sich die Familie von niemandem reinreden lassen.
"Man kauft ein Grundstück. Und dann darf man sich, finde ich auch aussuchen, wie man es gestalten möchte. Man hat ja schon die Auflage soundso viel sollte bebaut werden, da sollte einem die Freiheit schon gegeben werden, wie man möchte."
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