Schnelle Schnitte mit Erfolg

Von Susanne von Schenck · 18.09.2007
Die Französin Mathilde Bonnefoy hat den rasant schnellen Schnitt für Tom Tykwers Film "Lola rennt" gemacht. Immer wieder hat sie mit dem Regisseur zusammengearbeitet, so bei dem Film "Der Krieger und die Kaiserin", bei "Heaven" und "Paris je t'aime". Momentan arbeitet sie an ihrem ersten eigenen Film.
Mathilde Bonnefoy sitzt am Schneidetisch. Durch die Fenster der Dachgeschoßwohnung im Prenzlauer Berg fällt das Abendlicht ins Zimmer. Drei große Bildschirme dominieren den kleinen liebevoll eingerichteten Raum.

Mathilde Bonnefoy, 35 Jahre alt, zierlich, die dunkelblonden Haare hochgesteckt, ist im Druck. Sie möchte ihren ersten Spielfilm fertig stellen, bevor sie mit dem Schnitt für Tom Tykwers neuen Film beginnt. "Insensitive" hat sie ihre Beziehungsgeschichte genannt. Esther Schweins und der irische Schauspieler John Keogh spielen die Hauptrollen.

"Die Szene zeigt die beiden Hauptdarsteller, wie sie sich gegenüberstehen und wie der Mann Gefühle auslebt, die er in der Szene zuvor, die Realität war, nicht ausgelebt hat. Und er lebt sie in dieser Phantasie aus, sitzt aber eigentlich im Hotelzimmer und ist schwer geschockt von dem, was er gerade erlebt hat."

Vor sechzehn Jahren kam Mathilde Bonnefoy aus Paris nach Berlin, von der eleganten französischen Metropole in die deutsche Stadt im Auf- und Umbruch.

"Ich bin in Montmartre aufgewachsen, das ist ein Hügel in Paris, der noch ein sehr enges Straßengewirr hat wie ein kleines Dorf und 'ne sehr charmante Atmosphäre."

Yves Bonnefoy, ihr Vater, ist einer der bedeutendsten französischen Dichter der Gegenwart, ihre Mutter bildende Künstlerin. Mathilde, ihr einziges Kind, wächst in einer inspirierenden und anspruchsvollen Atmosphäre auf.

"Allerdings ist es nicht nur eine Last. Meine Eltern sind sehr liebe Menschen, und ich habe eine große Liebe für sie."

Aber sie braucht Abstand, um sich zu entfalten. Die Mauer ist gerade gefallen, da reist die Studentin der Philosophie mit einem Freund nach Berlin. Die Französin ist fasziniert von der Atmosphäre. Sie schließt Freundschaft mit jungen Ostberlinern, die dann bald für ein paar Tage zu ihr nach Paris kommen. Ein Besuch mit Folgen.

"Als ich sie dann zum Zug gebracht habe, um sie zu verabschieden, habe ich kurz vorher gedacht, wie wär's denn, wenn ich überhaupt mitkäme, und dann bin ich plötzlich zum Schalter gerannt und hab gecheckt, was ich in meiner Tasche habe, das war mein Schlüsselbund und meine Kreditkarte, mir der ich kurz entschlossen ein Ticket gekauft habe und dann sprang ich in den sich schon bewegenden Zug und fuhr mit denen nach Berlin."

Eine Szene wie aus einem Film. Und dass sie zum Film will, ist Mathilde Bonnefoy schon lange klar. Als sie nach Berlin kommt, hängt sie ihr nur halbherzig begonnenes Philosophiestudium an den Nagel. Sie schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch. Bis sie einen Praktikumsplatz beim Filmschnitt fand.

Dort taucht eines Tages Tom Tykwer auf, mit technischen Fragen. Bald darauf schlägt er Mathilde Bonnefoy vor, seinen Film "Lola rennt" zu schneiden.

"Der Schnitt von Lola rennt war ein sehr wichtiger Moment in der Entstehung des Filmes, weil da extrem viel vom Charakter des Films kreiert wurde, nämlich seine Geschwindigkeit und das, worum es sich handelt. Weil wir haben beim Schneiden festgestellt, dass es sich eigentlich weniger um Handlung handelt, also um das, was stattfindet, als um ein Gefühl. Und dass das Gefühl, nämlich die Dringlichkeit der Liebe, dass dieses Gefühl der Hauptdarsteller ist und dass dieses Gefühl die Handlung ist , was durch alle Mittel, die einem zur Verfügung stehen, zum Ausdruck gebracht werden muss."

Auf die preisgekrönte Großstadtgeschichte "Lola rennt" mit den rasanten Schnitten folgen weitere Filme: "Der Krieger und die Kaiserin", "Heaven" oder der Episodenfilm "Paris je t'aime". Nun wird Mathilde Bonnefoy Tom Tykwers neuen Film "The International" schneiden. In der Hauptrolle des Thrillers: der verhinderte Bond-Darsteller Clive Owen. Erstmals wird die Cutterin parallel zu den Dreharbeiten schneiden.

"Eigentlich ist es eine Abstraktion, aber eine sehr konkrete Abstraktion, weil das ist das Potenteste, was man machen kann überhaupt im Film, würde ich sagen. Man könnte sagen, das letzte Mal, dass die Geschichte geschrieben wird, die endgültige Fassung des Filmes wird im Grunde im Schnitt gemacht und das ist sehr schwer zu sagen, dass man eine Handschrift hat, weil man die ganze Zeit Material beurteilt und auch die Wirkung von Material beurteilt und aufgrund dieser Beurteilung Entscheidungen trifft."

Mathilde Bonnefoy hat vor einem Monat geheiratet und wird erstmal in Berlin bleiben. Auch wenn die Faszination, die die Stadt in den Anfangsjahren auf sie ausgeübt hat, nicht mehr die gleiche ist.