Schneider: Staat kann nur zahlen, wenn er Geld hat

21.04.2010
Die aktuelle Situation sei zwar kritisch für die Luftfahrtbranche, aber solche Dinge seien einzukalkulieren, meint der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider.
Hanns Ostermann: Wer zahlt eigentlich die Zeche? Wenn wegen des Flugverbots über Deutschland allein die Lufthansa täglich zwischen 20 und 25 Millionen Euro einbüßt, wenn auch auf die Flughafenbetreiber und die Reisebranche immense Verluste zukommen, sind dann nicht Staatshilfen angemessen? Andererseits: Wo sollen dann Grenzen gezogen werden? Könnten nicht auch andere Wirtschaftszweige Kosten in Rechnung stellen? Wäre nicht ein Dammbruch die Folge? Ich möchte darüber mit Carsten Schneider von der SPD sprechen. Er ist der haushaltspolitische Sprecher seiner Partei. Guten Morgen, Herr Schneider!

Carsten Schneider: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Fest steht: der ökonomische Schaden ist immens. Also sollte der Staat einspringen?

Schneider: Nein, definitiv nicht. Die Situation jetzt ist zwar eine, die sehr kritisch ist, auch für die Luftfahrtbranche. Allerdings sind solche Dinge auch durchaus nicht üblich, aber mit einzukalkulieren. Sie haben über Jahre ja auch Gewinne gemacht, an denen der Staat ja auch nur in der Höhe der Besteuerung teilgenommen hat. Und wenn jetzt jede Branche käme – Sie haben ja da einen kleinen Anriss gemacht – und ihre Probleme beim Staat ausschüttet, der ja nun wirklich, denken Sie an die Staatsfinanzierung Griechenlands, enorme Probleme auch hat, die Lücken zu schließen, dann ist das ja ein Fass ohne Boden und dann finden Sie auch keine Begründung, warum Sie dem einen helfen und dem anderen nicht. Deswegen lehne ich für die Airlines oder die Flughäfen Staatshilfen ab.

Ostermann: Aber viele Unternehmen knabbern noch an den Folgen der Wirtschaftskrise. Auch unter diesem Aspekt: Müsste der Staat nicht trotzdem helfen, in welcher Form auch immer?

Schneider: Nein. Es sind Aktiengesellschaften zu großen Teilen oder inhabergeführte Unternehmen. Es ist Verpflichtung der Eigentümer, die über Jahre auch an den Gewinnen natürlich beteiligt wurden. Das ist auch okay, dann müssen sie aber auch in schlechten Zeiten dafür einstehen, dass sie eben auch mal Verluste hinnehmen, zumal ich noch nicht wirklich sehe, in welcher Größenordnung die auflaufen etc. Da wird mittlerweile ja viel Panikmache betrieben und jeder, der ein Problem hat, sind es die Milchbauern oder sind es eben die Fluggesellschaften, ist es mittlerweile üblich geworden, sich nach Berlin zu wenden, seinen Lobbyverband in Stellung zu bringen und danach darauf zu hoffen, dass man Staatshilfen bekommen kann. Und der Staat kann aber nur helfen, wenn er selbst Geld hat, und das ist ja mein eigentlicher Punkt, das wird in den nächsten Jahren immer schwieriger, unsere Finanzierung darzustellen und die enormen Haushaltsrisiken, die gigantische Staatsschuld wieder zurückzuführen.

Ostermann: Das heißt, Sie lehnen auch beispielsweise eine Lösung, die der eine oder andere ins Gespräch bringt, ab, nämlich das Kredit- und Bürgschaftsprogramm der Bundesregierung zu öffnen?

Schneider: Sehen Sie, das haben wir gemacht vor einem Jahr, um die Folgen der Finanzkrise insoweit abzumildern, dass Kredite vergeben werden können und Bürgschaften vergeben werden können. Das trifft für die Unternehmen jetzt auch noch zu. Wenn Sie diese Mittel eben nicht befristen, oder wenn Sie sie nicht auslaufen lassen, gibt es immer die Begehrlichkeiten, darauf zuzugreifen, und da geht es um 100 Milliarden Euro. Ich war damals schon skeptisch, ob die Summe nicht zu groß ist. Sie war ja auch einfach gegriffen. Nun bleibt was übrig und sofort ist der Drang da, das Geld irgendwie auszugeben. Dabei können wir froh sein, wenn es nicht in Anspruch genommen wurde, dann war die Situation auch nicht so schlimm und wir haben öffentliche Mittel, Haushaltsmittel, letztendlich Steuergelder gespart. Und deswegen bin ich auch dagegen, dass man das jetzt für jedes Problem öffnet und praktisch als einen Selbstbedienungsladen interpretiert, in dem sich Politik, aber auch Wirtschaftsverbände dann bedienen können.

Ostermann: Immerhin diskutiert Brüssel noch das Problem, auch vor dem Hintergrund, dass möglicherweise Arbeitsplätze bei den 150 Airlines in Gefahr geraten könnten. Dort scheint man offener zu sein. Wie bewerten Sie das, dass Brüssel möglicherweise einen anderen Kurs fährt?

Schneider: Ja, das ist ein Problem, das ist offensichtlich ein Problem. Sie haben auch unterschiedliche Leistungsfähigkeiten der Airlines in Europa. Die deutschen stehen ganz gut da, britische sehen ein bisschen schwieriger aus und dementsprechend kommt dann der Druck und Brüssel reagiert und macht dann ein Programm auf, das wettbewerbsneutral ist, das aber dann die Möglichkeit für einen Staat gibt. Dann sind sie sofort unter Druck als anderer Staat. Deswegen Hände weg, das ist gar nicht Aufgabe der Brüsseler Behörde. Die sollen sich mal lieber um die gesamte Frage Finanzmarktregulierung kümmern, als um zusätzliche Hilfen für einzelne Unternehmensbranchen herauszuschlagen. Weil was passiert denn? Selbst wenn ein Unternehmen pleitegeht, das kann passieren, dann tritt ein anderes in diese Nachfrage rein, weil die Leute werden ja weiter fliegen. Das ist ein normaler marktwirtschaftlicher Vorgang, in dem wir als Staat nichts zu suchen haben. Wir sollten uns konzentrieren, erstens unsere Defizite abzubauen und zweitens die Leistungsfähigkeit Deutschlands zu verstärken, das heißt also eher in den Bildungsbereich zu investieren als in Beihilfen.

Ostermann: Herr Schneider, die Frage bleibt trotzdem, wie der ökonomische Schaden – der ist ja unstrittig – eingegrenzt werden kann. Ist da eine Aufhebung des Nachtflugverbots ein Beispiel, das durchaus helfen könnte?

Schneider: Da bin ich absolut offen dafür. Das sind diskretionäre Entscheidungen oder Dinge, die jetzt passiert sind. Deswegen kann man über eine zeitweise Öffnung nachdenken, oder das auch machen. Das finde ich ist von der Belastung für die Bevölkerung her vertretbar und es würde auch den Airlines helfen. Ich glaube, so eine Sache, die kein Geld kostet, aber eben in einer Ausnahmesituation dazu führt, dass die Passagiere zurückgeholt werden können, dass der Cargobereich ins Laufen kommt, dass das möglich ist.

Ostermann: Carsten Schneider, der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Herr Schneider, danke für das Gespräch heute früh!

Schneider: Ich danke Ihnen!
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