Schmid fordert Reform des Länderfinanzausgleichs

Nils Schmid im Gespräch mit Gabi Wuttke · 19.05.2011
Der baden-württembergische Finanzminister Nils Schmid (SPD) hält den Länderfinanzausgleich "in der jetzigen Konstellation für ungerecht", denn er strapaziere die immer weniger werdenden Geberländer. "Das wird auf Dauer auch für das föderale Gefüge in Deutschland nicht tragbar sein". Die einzelnen Länder müssten Heberechte für bestimmte Steuerarten erhalten und die Steuermehreinnahmen im eigenen Landeshaushalt behalten dürfen.
Gabi Wuttke: "Wer reich ist, bekommt immer noch was dazu." Ein Satz, der beim Finanzausgleich in Deutschland nicht gilt – denn die reichen Länder können ihren Wohlstand zwar mehren, aber davon nicht profitieren, weil sie verpflichtet sind, den armen Ländern unter die Arme zu greifen. Das wiederum, sagen nicht unbedingt böse Zungen, fördere den Leistungswillen der armen Länder nur in Maßen.

Auch die neue grün-rote Regierung des Geberlandes Baden-Württemberg möchte den umstrittenen Länderfinanzausgleich deshalb reformieren. In der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur begrüße ich den Vizeministerpräsidenten des Landes, Nils Schmid von der SPD, Minister für Wirtschaft und Finanzen. Guten Morgen, Herr Schmid!

Nils Schmid: Guten Morgen, Frau Wuttke!

Wuttke: Wie wollen Sie erreichen, dass Baden-Württemberg mehr in der eigenen Tasche behält?

Schmid: Es gibt verschiedene Varianten, die man dann mit den anderen Ländern diskutieren kann. Das eine ist, dass man die Nivellierung im Finanzausgleichssystem weniger stark ausprägt, dass also höhere Eigenanteile bei Steuermehreinnahmen bei dem jeweiligen Land verbleiben dürfen. Die andere Variante ist, dass wir endlich zu eigenen Hebesatzrechten der Länder für bestimmte Steuerarten kommen, dass also die Steuern, die sowieso in die Länderhaushalte fließen, ähnlich wie bei Gemeinden mit einem Hebesatzrecht des jeweiligen Landtags ausgestattet werden. Und dann können wir im Landtag von Baden-Württemberg entscheiden, dass wir mehr Steuern für bestimmte politische Zwecke erheben wollen, und dann bleibt aber auch das Geld aus dieser Steuererhöhung im Landeshaushalt.

Wuttke: Wenn Sie sagen, für die Nehmerländer ist die augenblickliche Regelung schlecht, was ist denn dann das Bonbon, mit dem versuchen, die Länder, die hilfsbedürftig sind, bei diesem Vorschlag auf ihre Seite zu ziehen?

Schmid: Die Nehmerländer profitieren von dem Länderfinanzausgleich nur auf den ersten Blick. Sie bekommen natürlich Zahlungen von den Geberländern, aber wenn jetzt ein Nehmerland durch erfolgreiche Landespolitik die Wirtschaftskraft verbessert, die Steuern stärker sprudeln, dann verliert dieses Land Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich und hat von dieser gestiegenen Wirtschaftskraft nichts. Deshalb ist der Länderfinanzausgleich falsch konstruiert für Geber- wie Nehmerländer.

Und wenn man beispielsweise dazu käme, dass bei gestiegener Wirtschaftskraft, bei gestiegenen Steuereinnahmen ein höherer Anteil beim jeweiligen Land verbleibt, egal ob Geber- oder Nehmerland, dann ist es für beide Gruppen von Ländern von Vorteil.

Wuttke: Wie wollen Sie denn erst mal verhindern, dass Ihr Parteikollege Wowereit in Berlin – mit dreieinhalb Millionen Einwohner ist der Stadtstaat ja der größte Profiteur des Länderfinanzausgleichs – Ihnen genauso wenig gram ist wie Kurt Beck?

Schmid: Da geht es ja nicht nach Parteizugehörigkeit, sondern bei diesem Thema geht es um die Wahrnehmung von Landesinteressen, und die Interessen des Landes Baden-Württemberg sind klar: Wir wollen eine grundlegende Strukturveränderung im Länderfinanzausgleich. Wir halten ihn in der jetzigen Konstellation für ungerecht, er strapaziert über Gebühr die immer weniger werdenden Geberländer, das wird auf Dauer auch für das föderale Gefüge in Deutschland nicht tragbar sein.

Und deshalb behalten wir uns auch ausdrücklich eine Klage vorm Bundesverfassungsgericht vor, um ein paar Rechtsfragen zu klären. Mir ist aber bewusst – und das unterscheidet die neue Landesregierung in Baden-Württemberg von der alten –, dass eine Änderung des Länderfinanzausgleichs über den Klageweg keinen Erfolg haben wird, sondern die Klage wird allenfalls einen neuen Auftrag an die Politik geben, mit ein paar Detailklärungen von Rechtsfragen.

Entscheidend wird aber sein, dass gerade die Geberländer politisch für Mehrheiten werben im Kreise der Länder und übrigens auch im Bundestag, damit ein neuer Länderfinanzausgleich, der gerechter ist und der auch diese Fehlanreize vermeidet, Wirklichkeit wird. Der Fehler von Herrn Mappus war – und manche Töne aus Bayern wiederholen diesen Fehler –, dass man den anderen Ländern erst mal ins Gesicht springt, anstatt mit ihnen über Konzepte zu verhandeln, die für alle Länder Vorteile bringen, weil sie insgesamt die Haushaltsautonomie von Ländern gegenüber dem Bund stärken würden.

Wuttke: Noch mal an meine Frage von eben anknüpfend: Als SPD-Minister und Vizeministerpräsident sind Sie Ihrem Land also näher als Ihrer Partei?

Schmid: Bei den Fragen des Länderfinanzausgleichs und des Föderalismus hat es eine gute Tradition. Es war immer so, dass wir in den Ländern in erster Linie drauf achten, was ist gut für das Land – es kommt erst das Land, dann die Partei. Und gerade bei Fragen der föderalen Finanzverteilung haben es die beiden großen Volksparteien immer so gehandhabt, und deshalb wäre es wundersam, wenn das jetzt ausgerechnet in Baden-Württemberg anders wäre.

Wuttke: Nun löst ja Baden-Württemberg in mehrfacher Hinsicht eine Zäsur aus, denn viele Jahre, Jahrzehnte waren CDU und CSU in den Südländern als Geberstaaten die bösen Buben. Das hat sich nun verändert. Das gilt es ja nicht unter den Teppich zu kehren, dass es da jetzt auch einen Schnitt gibt, wie Sie ihn andeuten.

Schmid: Die Frage ist, wie stark dieser Schnitt sein wird. Ich biete insbesondere Bayern, aber auch Hessen ausdrücklich an, dass man entlang von rationalen Argumenten und Landesinteressen eine gute Zusammenarbeit auch bei der Frage des Länderfinanzausgleichs pflegt. Dazu gehört allerdings dann auch, dass die bayerische Staatsregierung von manchen Kampfestönen Abstand nimmt. Ich bin aber zuversichtlich, denn die Stimme der Vernunft spricht manchmal leise, setzt sich aber letzten Endes immer durch.

Wuttke: Um noch mal auf einen letzten Punkt zu kommen, den wir noch nicht angesprochen haben in Ihrer optimistischen Prognose: Der Bund, der wird ja nichts abgeben wollen, wenn ihm kein Ausgleich angeboten wird.

Schmid: Wir bieten dem Bund an, dass die Länder ihre Aufgaben selber lösen, indem sie entsprechend Steueraufkommen bekommen und der Bund dann nicht in der Pflicht ist, diese wachsenden Zukunftsaufgaben aus seinem Haushalt zu finanzieren. Das muss auch im Interesse des Bundes sein, denn die Bundespolitik ist genügend damit beschäftigt, die Sozialversicherungssysteme am Laufen zu halten.

Wuttke: Im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur der Sozialdemokrat Nils Schmid, stellvertretender Ministerpräsident als auch Finanz- und Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg. Vielen Dank, dass Sie Zeit für uns hatten!

Schmid: Vielen Dank auch!