Schluckauf im Gehirn

Von Vanja Budde · 07.07.2011
Tourette-Syndrom die Zweite: Nach "Vincent will Meer" läuft ein weiterer Film rund um diese neurologische Krankheit an. Ununterdrückbare Zuckungen und das ungewollte Ausstoßen wilder Schimpfwörter plagen die Heldin von "Ein Tick anders".
Eva schreit:"Feuer, Kinderficker". Dann: "Das bin ich. Ich bin Eva. Und zuerst muss ich mal was erklären."

Eva ist 17 und einen Tick anders. Das Tourette-Syndrom bricht sich in wilden Obszönitäten und Gesichts-Zuckungen Bahn, über die der aparte Teenager mit den großen braunen Augen leider überhaupt keine Kontrolle hat. Nachdem der Film das ganz am Anfang geklärt hat, zeigt er die Welt aus Evas Sicht und mit ihrem Off-Kommentar: Ihre skurrile Familie, in der Eva noch die Normalste zu sein scheint, ihre Zuflucht im Wald, ihre Freundschaft mit Teich-Molchen. Eva fürchtet sich vor anderen Menschen, respektive vor deren Reaktionen auf ihr seltsames Verhalten.

Eva: "Ich würd' auch Angst kriegen, wenn ich mich treffen würde. Meine Ticks machen mich zu 'nem echten Freak. Natürlich mach ich nichts davon freiwillig. Ich habe Schluckauf – im Gehirn."

Poppig bunt und voll absurder Überzeichnungen sorgt der Film für Amüsement: Über Evas Oma, die zum Vergnügen Staubsauger in die Luft sprengt, ihre manisch backende Mutter und den knuffig-liebevollen Rauschebart-Vater. Dabei ist das alles eigentlich nicht lustig: Eva hat wegen unerträglicher Hänseleien die Schule abgebrochen; ihr Vater verliert seinen Job; die geliebte Oma wird es nicht mehr lange machen.

Oma: "Kannst du mich nicht einmal in Ruhe sterben lassen? Einmal würde mir schon reichen."

Der Klamauk funktioniert und trägt auch über manchen Rumpler im Drehbuch hinweg, wie einen arg konstruierter Bankraub der besonderen Art, mit der Eva den Umzug aus der heimischen Abgeschiedenheit nach Berlin verhindern will. Die Regie fand auch überzeugende Bilder für das, was in Evas Kopf vor sich geht, wenn die Ticks sie überfallen.

Der große Knüller von "Ein Tick anders" ist aber die erst 22 Jahre alte Schauspielschülerin Jasna Fritzi Bauer in der Hauptrolle, die sich einfühlsam, frech und mutig auf diese schwierige Rolle geworfen hat. Jasna Fritzi Bauer schafft es mühelos, dass uns ihre Eva sofort ans Herz wächst, dass wir sie nicht bemitleiden, sondern auf ihrer Seite stehen und ihr die Daumen drücken: Dass es klappt mit dem netten Typen aus der Zoohandlung und dass sie ihre Träume – mit Omas Hilfe – wahr machen kann.
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