Schlafforschung

"Nachts muss aufgeräumt werden"

33:30 Minuten
Eine Frau schläft im Bett, während ein Wecker neben ihr auf dem Nachttischränkchen steht.
Eine Frau schläft im Bett, während ein Wecker neben ihr auf dem Nachttischränkchen steht. © picture alliance / dpa / Patrick Pleul
Dieter Kunz im Gespräch mit Ulrike Timm · 11.11.2019
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Im Schlaf arbeitet nicht nur das Gehirn, sondern der ganze Organismus, um wieder in Ordnung zu bringen, was tagsüber durcheinander gekommen ist. Schlafen sei Schwerstarbeit, sagt Chronomediziner Dieter Kunz. Und schlechter Schlaf geht auf die Gesundheit.
"Nachts muss aufgeräumt werden." Das sagt Dieter Kunz über den Schlaf. Der 57-jährige Mediziner und Psychiater behandelt seit Jahrzehnten Schlafsuchende, und er erforscht den Schlaf. Anders als die meisten Menschen denken, sei Schlaf Schwerstarbeit, betont Kunz.
"Früher haben wir gedacht, das Gehirn bräuchte den Schlaf. Heute ist klar, dass alle da mitmachen müssen, um aufzuräumen, was tagsüber durcheinander gekommen ist. Das heißt, die Verdauung wird koordiniert, das Immunsystem gestärkt, Sie lernen Fahrradfahren und Klavierspielen in erster Linie in der Nacht. Und Sie müssen auch all das, was Sie erlebt haben, verarbeiten."

Keine Patientengruppe leidet so

Dieter Kunz ist Chefarzt für Schlaf- und Chronomedizin am Sankt Hedwig-Krankenhaus der Berliner Charité. Was ihn an seinem Fachgebiet besonders fasziniert, ist die enge Verzahnung von Forschung und helfender Arbeit mit den Patienten:
"Ich kenne keine Patientengruppe, die so leidet wie chronisch unerholte Schläfer, die zehn Jahre lang morgens aufwachen und das Gefühl haben, dass ein Lkw über sie drüber gefahren ist. Mit denen können Sie alles machen. Und wir haben gute Methoden, mit denen wir etwas beschreiben können, quantifizieren können, und dann auch den Erfolg oder die Auswirkung unserer Behandlung beschreiben können. Das ist sehr segensreich."

Schlaf und Gesundheit eng verwoben

Und immer wieder belegt die Arbeit von Dieter Kunz, wie eng guter Schlaf und Gesundheit miteinander verwoben sind:
"Jede Erkrankung, die Sie sich nur vorstellen können, tritt häufiger auf. Das ist klar nachgewiesen sowohl bei Menschen, die gegen die innere Uhr leben – das heißt Schichtarbeit leisten müssen – oder aber die qualitativ beeinträchtigten oder verkürzten Schlaf haben. Und es scheint einfach so zu sein: Das, was immer die Sollbruchstelle des individuellen Körpers ist, geht dann irgendwann zu Bruch."
Immer mehr Forschungen belegen beispielsweise einen direkten Zusammenhang zwischen Schlafproblemen und Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson. Trotz solcher Erkenntnisse gibt es laut Kunz für Schlafforschung in Deutschland zu wenig Geld und folglich keine namhafte Forschungseinrichtung. Länder wie die Schweiz oder Frankreich seien da weiter.
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