Schläge, Missbrauch, Mord

16.05.2013
"Am Ende des Tages" ist bereits das sechste Buch der Inspektor-Kajetan-Reihe. Im München der Weimarer Republik soll der Ermittler einem jüdischen Rechtsanwalt helfen, einen Mord zu untersuchen. Ein kluges Stück Kriminalliteratur, das ganz nebenbei Geschichte erklärt.
Nimmt man Robert Hültners "Am Ende des Tages" in die Hand, öffnet man reflexhaft die Schublade des "Provinz-Krimis". Nur um sie dann vor lauter Schreck mit einem Knall wieder zuzustoßen. Denn die, die in den zur Zeit so beliebten Krimis aus Süddeutschland, insbesondere aus Bayern, hausen, wären die ganz und gar falsche Gesellschaft für dieses kluge Stück Kriminalliteratur, das ganz nebenbei Geschichte erklärt.

Dieser Fehler widerfährt natürlich nur dem, der bisher keinen der Inspektor-Kajetan-Krimis aus Hültners Feder gelesen hat. "Am Ende des Tages" ist bereits das sechste Buch der Reihe. Hültner lässt Paul Kajetan hier ins München der bereits angezählten Weimarer Republik zurückkehren. In ein München, in dem die Löhne zu niedrig und Wohnungen knapp und teuer sind.

Kajetan - totgeglaubt, pleite und zuletzt unehrenhaft aus der Polizei entlassen - soll einem jüdischen Rechtsanwalt helfen, den Mord an einer Bäuerin zu untersuchen. Zeitgleich ermittelt in München und Umgebung ein preußischer Detektiv den Absturz eines Flugzeugs in den Chiemgauer Alpen. Als sich beide Männer das erste Mal begegnen, stecken sie tief im Sumpf politischer Machenschaften und steuern auf einen fulminanten Showdown zu.

Hültner, 1950 im bayerischen Inzell geboren, nimmt es genau. Jede Straße hat ihren Namen, jede Straßenbahn ihre Nummer. Die Figuren sprechen die Sprache der Zeit und der Region. Da "biselt" ein "Hunterl", werden "Gutterl" (Bonbons) verschenkt und "Grattler" (Herumtreiber) beschimpft. Die "Dialektkompetenz" seiner nicht-bayerischen Leser reflektierend, hängt Hültner ein Glossar an. Vielleicht ist es das gebührende Maß an Mundart, das Hültners Dialoge so lebhaft macht. Vielleicht ist es auch die Erfahrung des Autors. Neben Romanen verfasst Hültner seit Jahren "Tatort"-Drehbücher fürs Fernsehen, schreibt Theaterstücke und Hörspiele.

Im Mittelpunkt des Buchs steht jedoch der Fall, nicht der Mensch – eine der wenigen Schwächen des Buchs. Und auch wenn die Freundlichkeit eines Protagonisten gemeinhin nichts zur literarischen Qualität eines Romans beiträgt: Unter den Figuren, denen der Leser bei Hültner begegnet, ist kaum jemand, mit dem man gern mal ein Maß heben würde. Provinz ist hier einmal mehr dort, wo Menschen geschlagen, missbraucht und ermordet werden. Ihre Bewohner sind knurrige, verschwiegene bis feindliche Gestalten.

Noch beklemmender macht das Ganz nur der Hintergrund. Der Roman spielt im Jahre 1929: Deutsch-nationale Bünde konkurrieren in Bayern mit den "Nazen". Und so ist "Am Ende des Tages" auch ein Buch über die verhängnisvolle Strategie der damaligen politischen Elite, Feuer mit Feuer zu bekämpfen: also deutsch-nationale Bünde zu unterstützen, um den Nationalsozialisten das Wasser abzugraben. Erfolglos, wie wir heute wissen: "Ich hoffe mittlerweile nur noch darauf, dass die Dummheit irgendwann ausstirbt", sagt der jüdische Anwalt an einer Stelle. "Kann dauern", antwortet Kajetan.

Besprochen von Marten Hahn

Robert Hültner: Am Ende des Tages
btb, München 2013
320 Seiten, 19,99 Euro