Schick: Private Gläubiger sollten sich in Griechenland-Krise engagieren

Gerhard Schick im Gespräch mit Marietta Schwarz · 08.06.2011
Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, hält ein verstärktes Engagement von privaten Gläubigern in der Griechenland-Krise für wichtig. Die Schuldenlast sei so hoch, dass es kaum eine Perspektive ohne Umschuldung gebe.
Marietta Schwarz: Griechenland versinkt in Schulden – daran hat auch das vor einem Jahr geschnürte Rettungspaket von insgesamt 110 Milliarden Euro nichts geändert. Das Land braucht frisches Geld und die Regierung in Athen hofft auf neue EU-Hilfen. Die Zeit drängt: Die sogenannte Troika aus Europäischer Zentralbank, Internationalem Währungsfonds und EU-Kommission will heute ihren Bericht zu den Fortschritten der Krise vorlegen, gleichzeitig berät Bundeskanzlerin Merkel in Berlin über neue Griechenland-Hilfen. Am Freitag ist das Thema im Bundestag, nächsten Dienstag beim Treffen der EU-Finanzminister. Gefordert wird, dass sich auch die privaten Gläubiger an den Hilfen beteiligen, die ziehen sich aber zunehmend aus dem Schuldenstaat zurück. Ulrich Barths bringt Licht in die komplexe Sachlage.

Soweit der Bericht von Ulrich Barths, und am Telefon ist Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Guten Morgen!

Gerhard Schick: Guten Morgen!

Schwarz: Herr Schick, Athen hat sein Sparziel bisher nicht erreicht. Könnte es klappen, wenn das Land jetzt mehr spart, reformiert und privatisiert, wie allgemein gefordert, alsodass man Griechenland Zeit lässt, wie wir es eben im Beitrag gehört haben?

Schick: Richtig ist, dass Griechenland mehr Zeit braucht. Der ursprüngliche Plan, schon 2012, also im nächsten Jahr, wieder Zugang zum Kapitalmarkt zu haben, der ist offensichtlich gescheitert, und deswegen muss man jetzt auch umsteuern in der Art, wie Griechenland geholfen wird. Dass man aber Griechenland weiter helfen muss, ist meines Erachtens richtig. Und eine Sache wird in Deutschland gerne übersehen: Schon bisher ist das, was Griechenland geleistet hat, vom Volumen an Konsolidierung wirklich einzigartig. Das hat noch kein europäisches Land geschafft, in so kurzer Zeit so viel Konsolidierung in seinem Haushalt sicherzustellen.

Schwarz: Trotzdem glauben viele Europäer jetzt nicht, dass das so ohne weitere Hilfen funktioniert. Bundesfinanzminister Schäuble wirbt für ein neues Paket und Umschuldungen. Ist das der Weg aus der Schuldenkrise?

Schick: Ich glaube, dass die Bundesregierung jetzt in eine richtige, bessere Richtung geht. Es war ein Fehler, dass die europäischen Staaten und der IWF bisher das Thema Umschuldungen nicht angefasst haben. Dadurch hat man jetzt mehrere Phasen von Zuspitzung an den Finanzmärkten in den letzten Monaten in Kauf genommen. Also private Gläubigerbeteiligung und Umschuldung ist richtig, und zwar zum einen, um eben die Schuldentragfähigkeit in Griechenland wieder herzustellen – die Schuldenlast ist so hoch, dass es kaum eine Perspektive gibt, wenn man eben nicht durch eine Umschuldung dieses Niveau reduziert –, zum anderen aber auch, um eine Beteiligung der privaten Gläubiger an den Lasten der Griechenlandrettung sicherzustellen. Es gibt aber etwas, was man dabei beachten muss: Wir brauchen meines Erachtens einen europäischen Bankenrettungsfonds, damit für den Fall, dass einzelne Banken da in Schwierigkeiten kommen – und für die griechischen Banken ist das relativ wahrscheinlich, weil sie viele griechische Staatspapiere auf ihren Büchern haben –, dass da ein Rettungsfonds bereitsteht, damit es nicht zu neuen Verwerfungen am Finanzmarkt kommt. Das muss sichergestellt werden und das fehlt bisher im Ansatz der europäischen Staaten.

Schwarz: Das wäre eine Strategie, die über die akute Hilfe hinausgeht?

Schick: Sie ist notwendig, damit eine Umschuldung keine Verwerfungen bringen kann und damit wir endlich diese Banken- und die Schuldenkrise voneinander trennen, um beide beherrschbar zu machen, denn im Moment ist es so, dass die Risiken im Bankenbereich die Schuldenkrise der Staaten verschärfen, und die Risiken bei den Staaten die Bankenkrise in Europa verschärfen. Da muss deswegen dringend etwas getan werden. Und ein weiterer Punkt stellt sich natürlich jetzt bei den Äußerungen aus der Bundesregierung zur Umschuldung, die Frage ist: Wer trägt eigentlich die Kosten und was wird es auch in Deutschland kosten? Das muss man dazu sagen: Es ist eine Lösung, die bessere Stabilität für die Zukunft in Aussicht stellt, aber gleichzeitig wird es unmittelbar dazu kommen, dass auch in Deutschland Banken wie die HRE Verluste haben, und diese Bank gehört direkt dem Staat, also wird es jetzt unmittelbar zu Kosten für den deutschen Steuerzahler kommen. Wir meinen, die Bundesregierung sollte mal sagen: Wer wird diese Kosten tragen?

Schwarz: Lassen Sie uns an dieser Stelle noch mal näher auf die privaten Gläubiger kommen, die – geht es nach dem Finanzminister – sich ja an den Hilfen beteiligen sollen, zum Beispiel mit Laufzeitverlängerung. Da wird auch über eine freiwillige Beteiligung diskutiert. Warum sollten die Banken das freiwillig tun?

Schick: Die Idee ist, dass es einen Tausch gibt, orientiert an der Lösung, die man damals auch in der lateinamerikanischen Schuldenkrise mit dem Brady-Bond hatte, dass die neuen Anleihen, die man erhält, eben stabilere Anleihen sind, die auch bei der EZB wieder eingereicht werden können zur Refinanzierung der Banken, und die besichert sind durch die europäischen Staaten. Das heißt, man erhält ... man tauscht riskante griechische Anleihen gegen stabilere griechische Anleihen. Das ist ein sinnvoller Ansatz und es kann gelingen, dadurch, wenn genug Investoren mitmachen, das Schuldenniveau Griechenlands doch soweit zu abzusenken, dass es eine realistischere Perspektive gibt, dass Griechenland die Schulden tragen kann.

Schwarz: Wir sehen aber derzeit, dass sich die Banken mehr und mehr aus Griechenland zurückziehen – also bleibt dann doch am Ende die Last an der EU und der EZB hängen?

Schick: Es wird nicht ohne ein weiteres Engagement auch der Staaten Europas in Griechenland gehen, das ist klar. Ich denke aber, dass dieser Ansatz einer freiwilligen Umschuldung gelingen kann, weil der Anreiz ist schon stark. Die Frage der Refinanzierung bei der Europäischen Zentralbank ist für die Banken eine ganz entscheidende Frage, und deswegen gibt es einen Anreiz, umzuschulden. Und ich könnte mir deswegen vorstellen, dass das funktioniert, so wie es damals auch in der lateinamerikanischen Schuldenkrise funktioniert hat. Genau wissen kann man das natürlich nicht, Griechenland ist ein Fall, der in dieser Form auch einzigartig ist. Das muss man sehen.

Schwarz: Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag zur Schuldenkrise in Griechenland. Herr Schick, herzlichen Dank für das Gespräch!

Schick: Ja, ich danke auch!
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