Scheuer Hollywoodstar

23.01.2007
Al Pacino gehört mit Robert de Niro und Dustin Hoffman zu den wohl besten amerikanischen Schauspielern nach der Ikone Marlon Brando. Alle drei sind überzeugte New Yorker und Robert de Niro und Al Pacino gelten beide als äußerst medienscheu. Da ist ein Buch, das nur aus Interviews mit dem Italoamerikaner besteht, schon eine Offenbarung. Dem Journalisten Lawrence Grobel gelang das Kunststück, in den letzten 25 Jahren Al Pacino zum Reden, zum Reflektieren zu bringen und sich dabei mit ihm zu befreunden, ohne eine gewisse kritische Distanz zu verlieren.
Al Pacino und Lawrence Grobel

Echte Freundschaften zwischen Journalisten und Stars sind selten, gelten auch oft bei überkorrekten Chefredakteuren als verpönt. Der Amerikaner Lawrence Grobel beweist nun eindrucksvoll, dass eine Freundschaft kritischem und gutem Journalismus nicht im Wege stehen muss. Neunmal hat er seit 1979 Al Pacino interviewt, ganz unterschiedliche Facetten des Schauspielers aufgezeigt und ihn in seinen Lebensphasen begleitet. Das Buch dokumentiert aber auch die Entwicklung dieser speziellen Männerfreundschaft, die durchaus nicht langweilig oder harmonisch ist.

Das Playboy Interview 1979

Obwohl Al Pacino 1979 bereits Klassiker wie "Der Pate I & II", "Serpico" und "Hundstage" gedreht hatte, etliche Oscarnominierungen bekam und als einer der größten Darsteller seiner Generation galt, verweigerte er sich völlig der Presse. Nur durch ein Interview, das Lawrence Grobel mit Marlon Brando für den Playboy führte, ließ sich Pacino zum ersten Mal auf das Wagnis ein, Rede und Antwort zu stehen.

Auf 82 Buchseiten ist dieses Interview nun dokumentiert unter der schlichten Kapitelüberschrift: "Ein Kennenlernen". Al Pacino redet über seine Kindheit, seine Eltern die sich früh scheiden ließen, die Mutter, die starb, als er 22 war, den Großvater, der ihn aufzog und der seine Mutter nur um ein Jahr überlebte. Pacino stammte aus proletarischen Verhältnissen, entdeckte früh das Theater (spielen) und fing an sehr viel zu lesen: Dostojewski, Tschechow, Brecht und vor allem Shakespeare. Er jobbte als Postbote, Hausmeister, Schuhverkäufer und fing im Alter von 26 Jahren an, im legendären Actors Studio von Lee Starsberg Schauspielkurse zu belegen.

Theater und Film

Pacino ist ähnlich wie Marlon Brando in erster Linie ein Bühnendarsteller, wobei er vor allem Shakespeare liebt und ihn in den vielen Interviews ausführlich zitiert.

Zum Film hat er bis heute ein leicht zwiespältiges Verhältnis. Legendär sind die Filme, die er ablehnte wie "Kramer gegen Kramer" oder "Apocalypse Now". Vor allem in den 80er Jahren drehte er sehr wenige Filme: nur fünf. Dann jedoch gleich 15 in den Neunzigern.

Pacino ist unberechenbar in der Wahl seiner Rollen und nicht wirklich in der Lage, über Schauspielerei zu reflektieren. Auffallend ist, dass er ähnlich wie Robert de Niro mit zunehmendem Alter in mehr kommerziellen Filmen mitwirkt. Daneben drehte er über Jahre einen persönlichen, kleinen Film, den er produzierte und bisher nur privat vorführte: "The Local Stigmatic", der im März 2007 endlich auf DVD erscheinen soll.

Stärken und leichte Schwächen des Buches

Nach der Lektüre der fast 300 Seiten bekommt man als Leser eine Ahnung davon, wie widersprüchlich Al Pacino als Mensch und Schauspieler ist, wie er tickt, was ihn antreibt und was ihn langweilt. Beeindruckend ist seine Offenheit, wenn es um die eigenen Filme oder berühmte Klassiker geht. So mag er beispielsweise "Einer flog über das Kuckucksnest" nicht, spricht dem Film Tiefe ab. Bestechend sind seine fast philosophischen Betrachtungen über Schauspieler, Sex oder Frauen. So bezeichnet er Schauspieler als Vagabunden, Ausgestoßene, deren Wurzeln außerhalb der Gesellschaft liegen.

Bemerkenswert ist auch der Ausspruch: "Ich arbeite gerne, weil die Arbeit den Sex relativiert. Ansonsten beschäftigt man sich zu sehr damit". Immer wieder wird in dem Buch auch die Unfähigkeit von Al Pacino thematisiert, sich an eine Frau zu binden.

Natürlich hat ein so intensives Buch seine Längen, eine gewisse Redundanz ist fast unvermeidlich. So gut wie das Playboy-Interview auch ist, es hätte gekürzt werden können. Wie immer, wenn es um Filme oder Theateraufführungen geht, die ausführlichst besprochen werden, hängt der Unterhaltungsfaktor davon ab, ob man den Film, die Aufführung auch kennt. Zu dürftig ist der Anhang, lediglich die Filmtitel werden erwähnt, auf ausführliche Stab- und Inhaltsangaben wird leider verzichtet - ein Manko.

Wer Al Pacino als Schauspieler schätzt, wird in diesem Buch vor allem den Menschen, den Theoretiker kennen lernen. Übrigens politisch engagiert ist der Mime nicht: Obwohl er Brecht sehr schätzt, sagt er: "Die soziopolitischen Aspekte eines Stoffes haben keinen Einfluss auf meine Arbeit."

Rezensiert von Jörg Taszman

Al Pacino im Gespräch mit Lawrence Grobel
Übersetzt von Anne Litvin
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Hamburg
ca. 250 Seiten, mit einem separaten Bildteil
Preis 19,90 Euro