Schauspielerin Tora Augestad

"Für mich ist Feminismus Humanismus"

Die norwegische Schauspielerin Tora Augestad zu Gast im Deutschlandradio Kultur.
Die norwegische Schauspielerin Tora Augestad zu Gast im Deutschlandradio Kultur © Deutschlandradio - Andreas Buron
Moderation: Britta Bürger · 17.11.2016
Tora Augestad gilt als eine der besten Kurt-Weill-Interpretinnen weltweit. Gerade ist sie an der Berliner Volksbühne unter der Regie von Christoph Marthaler zu sehen. Im Gespräch erklärt sie, weshalb Kurt Weills Kompositionen immer noch aktuell sind.
Die norwegische Sängerin Tora Augestad stand schon mit 14 Jahren in ihrer Heimatstadt Bergen auf der Bühne. Mittlerweile hat sie ihr eigenes Ensemble, sie singt an diversen Opernhäusern.
Zur Zeit ist sie an der Berliner Volksbühne zu erleben - in der aktuellen Produktion von Christoph Marthaler, mit dem sie seit vielen Jahren zusammenarbeitet. Überall bezaubert sie mit ihrer klaren, vielseitigen Stimme, mit der sie zwischen Klassik, Jazz, Country und Pop scheinbar mühelos wechselt.
Tora Augestad wuchs in einer Musikerfamilie auf, in einer Künstlerkommune in der norwegischen Stadt Bergen, in der zum einen die Politik, aber eben auch die Musik, eine große Rolle spielten. Schon mit neun Jahren wollte sie Sängerin werden:
"Ich bin damit aufgewachsen, dass jeder Tag von Musik geprägt ist, und dass Musik so alltäglich wie nichts sonst war. Und vielleicht kann man dort die Spielfreudigkeit bei mir finden, die Spuren in meiner Kindheit."
Zu ihren "Hausheiligen" gehört bis heute der Komponist Kurt Weill:
"Ich bin auch damit aufgewachsen: Meine Eltern haben eine Übertragung von 'Mahagonny' von Brecht und Weill gesehen – und ich kam an dem Abend zur Welt, oder den frühen Morgen danach. Meine Eltern haben sich viel mit Brecht, Eisler und Weill beschäftigt, und mein Vater hat die Mutter von Hanns Eisler dirigiert.
Meine Mutter war Solistin, als ich anderthalb Jahre alt war – ich habe alle Chorproben mit erlebt. Als ich dann 17 Jahre alt war, habe ich zum ersten mal ein Lied von Kurt Weill gesungen, und es hat irgendwie – es hat zu mir gesprochen. Und vielleicht liegt es an dieser Kindheit: Ich fand diese Mischung aus ganz, ganz toller Musik – und immer in den Lieder kleine Dramen –, das fand ich sehr, sehr prickelnd und interessant."

"Mit Marthaler zu arbeiten, ist einfach ein Traum"

Als sie 2005 nach Berlin kam, lernte sie die "Volksbühne" kennen und lieben – die Inszenierungen von Frank Castorf, den Regisseur Christoph Marthaler. Mit ihm arbeitet sie mittlerweile zum neunten mal zusammen: in der aktuellen Inszenierung "Bekannte Gefühle, gemischte Gesichter".
"Marthaler ist ja eigentlich ein Musiker. Er kommt von der Musik, und mit ihm zu arbeiten, ist einfach ein Traum (...) Vor allem liebe ich diese theatralischen Atmosphären, die er kreiert."
Tora Augestad ist auch eine poltisch-denkende Künstlerin, eine Feministin:
"Für mich ist Feminismus Humanismus; das ist für mich das Gleiche. Ich habe vor einer Woche gehofft, dass wir auf dem Sprung waren, dass wir die erste amerikanische Präsidentin sehen würden. Ich bin sehr, sehr enttäuscht; es wäre ein Signal, es wäre eine Sache von großer Bedeutung für so viele."
Sie gewann Gesangswettbewerbe, leitete verschiedene Chöre und absolvierte ein Gesangsstudium an renommierten Hochschulen in Oslo, Stockholm, München und Berlin. Jetzt singt sie an diversen Opernhäusern und mit großen Orchestern, tourt mit drei verschiedenen Bandprojekten, gab eine feministische Oper in Auftrag und ist zur Zeit an der Berliner Volksbühne zu sehen - in einer Produktion von Christoph Marthaler, mit dem sie seit vielen Jahren zusammenarbeitet.