Schauspielerin Swetlana Schönfeld

Das Schweigen der Mutter

Moderation: Tim Wiese · 14.09.2020
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Swetlana Schönfeld wurde in sibirischer Verbannung geboren. In der DDR durfte ihre Mutter, eine deutsche Kommunistin, nicht über ihr Schicksal sprechen. Stalin hatte sie unschuldig inhaftiert. Daran erinnert der Spielfilm "Und der Zukunft zugewandt".
In der DDR war das Thema der Gulags stark tabuisiert. Dass es deutsche Kommunisten gab, die unschuldig in Stalins Lagern schufteten, die dort litten und starben, wurde in den fünfziger und sechziger Jahren tot geschwiegen. Swetlana Schönfeld und ihre Schwester erinnern sich als Kinder an die Zeit in Sibirien – und sind neugierig.

Ein Film erinnert an die Opfer

"Zumindest haben wir schon gewusst, dass da ein großes Vakuum besteht und dass unsere Mutter uns nichts erzählt, man also auch weder aus Geschichtsbüchern noch irgendwo eine Antwort auf irgendetwas findet."
Im Film, der auf Swetlana Schönfelds Erinnerungen basiert, spielt sie die Mutter der Hauptfigur, die von Alexandra Maria Lara verkörpert wird, eine Frau, die mehr als zwei Jahrzehnte unschuldig in Stalins Strafsystem gefangen ist. Als Kind musste Swetlana Schönfeld tricksen, um die Wahrheit zu erfahren.

Das Lauschen an der Tür

"Meine Mutter hatte eben diese Frauen, diese kommunistischen Freundinnen, mit denen sie zusammen in Deutschland war, die emigriert waren oder im KZ gesessen hatten, oder auch aus einem Lager kamen. Und wenn die sich trafen, war das erste immer: Kinder raus."
Ihr Schweigen brach die Mutter bis zu ihrem Tod nicht. Es beruhte auf einer Verpflichtung, die sie unterschreiben musste, um in der DDR leben zu können. Und sie wollte ihre Kinder abschirmen von den Schatten der Vergangenheit.
"Und dann haben wir natürlich an der Tür gehorcht, weil wir wussten, irgendwas ist geheim und wollten Kenntnis darüber. Und haben gesagt: Ah, der Vater ist wohl doch umgebracht worden. Und einige von den Frauen haben dann ab und an mal was erzählt."

Schweigen auch nach der Wende

Auch nach Mauerfall und Wende blieb es seltsam still um die kommunistischen Opfer der stalinistischen Säuberungswellen. In der neuen Bundesrepublik interessierte man sich wenig für sie – oder begnügte sich damit, ihr Leiden im sowjetischen Strafsystem zu verharmlosen.

Erst als der Filmemacher Bernd Böhlich mit Swetlana Schönfeld KGB-Material sichtete und sich nach vielen Jahren der Vorarbeit entschloss, einen Film zu drehen, löste sich der Knoten der Vergangenheit – nicht nur für sie, sondern auch für viele andere Betroffene. Ihre Mutter, sagt Schönfeld, wäre sie noch am Leben, hätte den Film und die Auseinandersetzung mit dem Unrecht, das ihr widerfahren ist, gut geheißen.
Szene aus "Und der Zukunft zugewandt": Antonia Berger (Alexandra Maria Lara) widersetzt sich den Folgen einer Lüge – Leo Silberstein (Stefan Kurt) und sein Vernehmer (Peter Kurth) stellen sie zur Rede.
Szene aus "Und der Zukunft zugewandt", in dem Swetlana Schönfeld die Mutter der Hauptfigur spielt, die von Alexandra Maria Lara verkörpert wird.© Neue Visionen Filmverleih
"Ich glaube, dass sie stolz wäre, dass man den Leuten ein Gedenken gegeben hat."
(abm)
Die Sendung ist eine Wiederholung vom 27. November 2019.
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