Schaufenster des gewagten Kinos

Von Victoria Eglau · 18.04.2010
Das Publikum des Festivals des Unabhängigen Films in Buenos Aires (BAFICI) gilt als besonders neugierig und enthusiastisch. In diesem Jahr wollten 200.000 Besucher die aktuellen Independent-Produktionen aus Südamerika sehen.
Preisverleihung beim BAFICI, dem Festival des Unabhängigen Films in Buenos Aires. US-Schauspielerin Angela Bassett, Mitglied der Jury, überreicht dem mexikanischen Regisseur Pedro Gonzalez Rubio die Auszeichnung für den Besten Film des internationalen Wettbewerbs: "Alamar", zu Deutsch "Aufs Meer hinaus", ist eine berührende Dokufiktion über drei Generationen einer indianischen Fischerfamilie.

"Dank ans BAFICI dafür, dass es ein Schaufenster des gewagten Kinos ist, das oft nicht gefällig ist, aber aus dem tiefsten Innern kommt. Möge es dieses Festival noch viele Jahre geben."

… bedankt sich der junge mexikanische Filmemacher. Ein Schaufenster des gewagten, des unkonventionellen Kinos will das BAFICI seit mittlerweile zwölf Jahren sein. Längst ist es zum wichtigsten Independent-Filmfestival des lateinamerikanischen Kontinents avanciert und gewinnt von Jahr zu Jahr an Publikum. 200.000 Eintrittskarten für mehr als 400 Filme aus aller Welt wurden in diesem Jahr verkauft.

Eine Besucherin, Juanita aus Kolumbien, Filmstudentin in Buenos Aires: "Das Tolle am BAFICI ist, dass hier eine Menge Filme laufen, die man später nicht mehr findet. Es ist auch klasse, dass die Regisseure hierher kommen und über ihre Filme sprechen. Eine Sache ist, einen Film zu sehen, die andere, im Detail zu erfahren, wie er gemacht wurde. Das ist sehr bereichernd."

Bereichernd ist dieser Dialog aber auch für die Filmemacher. Das Publikum des BAFICI hat den Ruf, besonders neugierig und enthusiastisch zu sein. Der Argentinier Iván Fund erlebte das bei der Präsentation seines Films "Los Labios" ("Die Lippen"):

"Wir waren von der Reaktion des Publikums sehr überrascht. Wir hätten nie erwartet, dass es sich so stark auf den Film einlassen würde, dass es so positiv und so emotional reagieren würde."

… erzählt Ivan Fund, der "Los Labios" gemeinsam mit Santiago Loza drehte. Der Film, ebenfalls eine Art Dokufiktion, erzählt von der Reise dreier Sozialarbeiterinnen an einen vergessenen Ort in der argentinischen Provinz. "Los Labios" erhielt im nationalen Wettbewerb des BAFICI den Preis für die Beste Regisseurleistung. Aber Fund und Loza haben noch einen Grund zur Freude: Vor wenigen Tagen wurde ihr Film für die Sektion Un Certain Regard in Cannes ausgewählt. Lateinamerikanisches Kino interessiert europäische Festivalmacher, und das BAFICI ist für Programmierer, Produzenten und Verleihe das Schaufenster aktueller Independent-Produktionen.

Festivaldirektor Sergio Wolf: "Das BAFICI war immer schon ein Festival der Entdeckungen, aber in diesem Jahr waren wir besonders radikal, was auch ein Risiko bedeutet. Das BAFICI gibt jungen Talenten eine Chance, und wenn diese Talente dann in der Welt Erfolg haben, freuen wir uns über den Triumph unserer Kinder."

Jungen Regisseuren bietet das BAFICI aber nicht nur die Chance, international Aufmerksamkeit zu erregen, sondern vielfach die erste und oft auch die einzige Gelegenheit, ihre Filme in gefüllten Kinosälen zu zeigen. In Argentinien etwa findet ein großer Teil der Independent-Produktionen nie einen Verleih, und Filme, die es ins Kino schaffen, halten sich dort meist nicht lange.

Regisseur Ivan Fund: "Das BAFICI ist immer ein Riesenerfolg, und vor allem die argentinischen Filme sind ausverkauft. Die Neugier auf heimisches Kino ist beim Festival groß. Aber wenn es dann mal ein Film ins Kino schafft, geht keiner hin."

Zwar hat das BAFICI sein treues Publikum, aber es gibt viele Argentinier, die sowohl Independent-Kino als auch heimischen Filmen skeptisch gegenüberstehen. Dass der argentinische Streifen "El Secreto de sus Ojos" ("Das Geheimnis ihrer Augen") von mehr als zweieinhalb Millionen Menschen gesehen wurde, war eine Sensation. Nach dem Oscar-Gewinn für den aufwendigen Spielfilm waren Forderungen zu hören, der Staat müsse seine Förderung stärker zugunsten Erfolg versprechender Großproduktionen und weniger zugunsten alternativer Low-Budget-Filme ausrichten.

BAFICI-Direktor Sergio Wolf: "Natürlich finde ich es gut, dass 'El Secreto de sus Ojos' den Oscar gewonnen hat. Aber man sollte nicht den Schluss daraus ziehen, dass in Argentinien zehn teure Filme statt sechzig Low-Budget-Filme gedreht werden müssen. Ich denke, das wichtigste Kapital des argentinischen Kinos ist seine Vielfalt."
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