Satire

Wohlstandsflüchtlinge in Berlin

Der Shopping-Tempel "Mall of Berlin"
Ein neues Erstaufnahmelager? Die Mall of Berlin. © dpa / picture alliance / Tim Brakemeier
Von Eleonora Pauli · 31.10.2015
Es gibt in Deutschland etwa eine Million Millionäre. Sie flüchten vermehrt in die Innenstadtbezirke der Großstädte. Doch neue Luxuswohnungen werden nicht schnell genug gebaut. In Berlin müssen viele in einem Erstaufnahmelager unterkommen, in der Mall of Berlin. Achtung: Satire!
Marmorne Fliesen, Kronleuchter und Blumendekor soweit das Auge reicht. Rund 100 Menschen sind hier seit ein paar Tagen untergebracht - notdürftig - in der Mall of Berlin – ein Luxus-Shopping-Center, das zur Erstaufnahmestelle für Millionäre umfunktioniert wurde.
"Hallo, kommen Sie nur rein."
Brigitte zu Schnacksel – Mitte 50 – alter Geldadel aus dem Sauerland. Die neidischen Blicke ihrer Nachbarin in der Heimat konnte sie einfach nicht mehr ertragen - also musste sie weg. Mit ihrem Dackel Hamlet. Jetzt leben beide im Erdgeschoss - bei Max Mara.
"Nun ja, ich möchte nicht klagen. Nur wissen Sie: Hamlet und ich sind schon mehr als eine Woche hier – und noch immer sind die versprochenen Boxspringbetten von Manufactum nicht da."
"Betten? Sie meinen für sich und ihren Hund?"
"Ja, natürlich – im Moment schläft Hamlet in diesen Pullovern von gegenüber von H&M – das geht wirklich nicht mehr lange gut."
Es fehlt am Nötigsten
Den Eindruck von Brigitte zu Schnacksel teilen einige in der Mall. Es fehlt am Nötigsten. Deshalb haben die Wohlstandsflüchtlinge eine Internetseite geschaltet. Auf www.HilfDerOberenMillion.de finden engagierte BürgerInnen eine aktuelle Bedarfsliste.
"Also immer gebraucht werden 'Gucci-Gutscheine', VISA-Karten Gold und etwa 200 Flaschen vom Bodegas Muga Aro Rioja von 2005 bitte - nicht 2002. Und über ungetragene Cashmere-Pullover freuen wir uns – der Winter rückt ja näher. Und wer jetzt zuhört: ein paar nette Helfer für kleine Botengänge wären toll. Zur Post oder zum Juwelier.
Das ist aber noch nicht alles, erzählt die 55-Jährige als das Mikrofon aus ist. Es mangele auch bei der Körperpflege. Stylisten, Make-up Artists – Fehlanzeige. So gelingt doch keine Integration, dachte sich Udo Walz als er davon hörte und frisiert künftig ehrenamtlich.
Integration der Millionäre in Berlin
"Das Styling, das öffnet – oder wenn jemand gut angezogen und gepflegt ist – das öffnet leichter Tür und Tor, da wird man immer bevorzugt. (..), aber ich mach noch nächstes Jahr ein Riesengeschäft auf, beste Lage in Berlin"
Wenigstens dafür ist also gesorgt. Schwieriger ist da schon die langfristige Eingliederung der Millionäre in Berlin. Der Senat kommt mit dem Bau von Luxuswohnungen nicht hinterher – die Penthouse-Makler sind überlastet und die Verdrängung aus den Innenstadtbezirken läuft schleppend. Das bringt Annette Graureiher schon zum Nachdenken. Traurig blickt die elegante Millionärin aus dem Schaufenster der Erstaufnahmeeinrichtung.
"Ich habe jetzt mehrere Monate schon immer dieselbe Tasche getragen, das ist doch schrecklich. Aber richtig große Sorgen mache ich mir um Greta-Antoinette. Sie vermisst ihre Starlet"
"Wer ist denn Starlet?"
"Ihr Dressurreit-Pferd."
Auf den Ansturm der Kinder mit Pferdefaible war Berlin nicht vorbereitet. Das gibt der Senat inzwischen ganz offen zu. Zwar wurden Spielplätze in verschiedenen Bezirken extra ausgebaggert, aber das genüge nicht für die vielen Pferde der Wohlstandsflüchtlinge, erklärt Regina Kneiding, Sprecherin der Sozialsenatsverwaltung:
"Und wir brauchen jetzt eben auch die Hallen, weil die Kapazitäten ausgeschöpft sind und wir jeden Tag gucken, wo können..."
... Greta-Antoinette und ihre Altersgenossen ihrer Leidenschaft nachgehen - und gleichzeitig eine artgerechte Haltung der Tiere garantiert werden.
Menschen helfen, die in einer schrecklichen Notlage stecken"
Dass sie die Turnhalle nicht mehr für den Sportunterricht nutzen können, stört Berliner Schüler wie Fabian Zander nicht - Willkommenskultur ist hier angesagt:
"Ich persönlich bin der Meinung, dass es unsere Pflicht ist, Menschen zu helfen, die in so einer schrecklichen Notlage stecken."
Hilfe kommt auch von Berliner Ärzten auf dem Kuhdamm. Einmal pro Woche behandeln sie nun freiwillig die geflüchteten Millionäre und entfernen die derzeit unvermeidbaren Zornesfalten, Krähenfüße und hängende Mundwinkel. Aber das schürt auch Unmut in der Bevölkerung:
"Das werden ja immer mehr. Ja, ist dann für uns noch genug Botox da?"
Fragt sich zum Beispiel Dr. Ulrich Flussner. Der Wirtschaftsanwalt ist Vorsitzender der Be-Hau-Mi – der Besorgten Hauptstadt-Millionäre.
"Wenn Sie mich fragen, wenn die da Gucci-Gutscheinen brauchen und nicht mal einen privaten Stylisten dabei haben. Sind das überhaupt Millionäre? Müssen wir die überhaupt aufnehmen? Verstehen sie mich nicht falsch, aber bei uns im Yachtclub Wannsee – da sind die Anliegeplätze auch begrenzt. Das muss man auch mal klar sagen."
Auf die Proteste gab es erste Reaktionen der Bundesregierung: Kanzlerin Angela Merkel gab dem Druck nach und sprach von einer Umverteilung des Wohlstands. Ähh, der Wohlstandsflüchtlinge, natürlich.
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