Sarah Wieners Speisekammer

Tomaten – Wasser ohne Geschmack

Ein Gemüsestand mit frischen Tomaten
Die Vielfalt der Tomate ist verloren gegangen, beklagt Sarah Wiener © picture alliance /dpa /Heiko Wolfraum
Von Sarah Wiener · 25.05.2018
Rot, rosa oder braun - winzig klein oder fast so groß wie eine Faust - nussig im Geschmack oder mit einem rosenhaftigen Geruch: Die Tomate ist unglaublich vielfältig. Warum wir sie nur fast noch als rote Wasserkugel kennen, erklärt Sarah Wiener.
Die Tomate ist uralt. Schon die Azteken kannten sie und nannten sie Xitomatl. Heute gibt es ungefähr 2000 registrierte Sorten*. Die sind an Konsistenz, Geschmack, Form und Farbe völlig unterschiedlich. Die Tomate hat ein enormes Farbenspektrum, von creme bis violett und dunkelbraun oder rosa. Die Wuchs- und Blattformen sind unterschiedlich und es gibt Tomaten, die sind so winzig wie eine Johannisbeere oder so groß, dass man sie kaum in einer Hand halten kann. Sie hat eine dicke oder dünne Schale, sie riecht nach Rosen oder schmeckt nach Nüssen. Es gibt fast nichts, was in der Tomatenwelt nicht vorkommt. Und deswegen lieben wir sie auch so.

Rot durch Lycopin

Das Besondere an der Tomate ist, dass sie viel Lycopin enthält. Das ist dieser rote Farbstoff (E106d) und das ist ein besonders gesunder Stoff. Es ist ein Antioxidans, ein sekundärer Pflanzenstoff, und hat die Eigenschaft, dass sich der Anteile an Lycopin in verarbeiteten Produkten wie Tomatenmark und Tomatensauce erhöht. Das können nur wenige Gemüsearten. Normalerweise sollte man ja alles lieber roh essen.

Die 08/15-Tomaten

Von dieser enormen Vielfalt und Schmackhaftigkeit, von Form und Farbe ist eigentlich nur unsere altgewohnte, rote Wasserkugel übrig geblieben. Das kommt daher, dass in den 90er-Jahren primär der Verkauf von holländischen Tomaten gefördert worden ist. Diese Tomaten hatten wenig Geschmack, waren dafür schnittfest, lagerfähig und konnten zur gleichen Zeit geerntet werden. Die Produktionsbedingungen bei der sogenannten Hollandtomate, also der industrielle Anbau fußt darauf, dass sie in Steinwolle-Ziegeln wachsen, dass Bewässerung und Düngung computerunterstützt durchgeführt werden, eine gleichmäßige Temperatur da ist und obwohl es eine natürliche Bestäubung durch Hummeln gibt, haben wir eigentlich immer das gleiche "Wasser ohne Geschmack".

Hybride – das Kreuz mit dem Saatgut

80 Prozent der Tomaten sind Hybride. Das sind nicht durch einfache Kreuzung erzeugte Tomaten, sondern sind durch in der Natur nicht vorkommende Inzuchtlinien erzwungen, damit die Tochtergeneration bestimmte gewünschte Eigenschaften hervorbringt. Dies hat aber zur Folge, dass wenn man die Hybride wieder anbauen möchte, diese degenerativ unfruchtbar sind und nicht mehr die Eigenschaften haben wie die Elternpflanze. Es mendelt also wieder aus. Dieses System ist sehr praktisch für Konzerne, die Saatgut herstellen weil sie jedes Jahr wieder verdienen, da man neues Saatgut bestellen muss und sich so in eine Abhängigkeit begibt. Nur drei Konzerne weltweit dominieren den Tomatensaatgutmarkt. Über 60 Prozent der Tomatensamen kommen von BaySanto (geplante Fusion von Bayer und Monsanto, Anm. d. Red.), Syngenta und Dupont. Das bedeutet, die genetische Vielfalt von Tomatenpflanzen schrumpft immer mehr, weil sie in den Händen weniger Konzerne liegt.

Und ihr Tipp?

Lagern sollte man Tomaten auf keinen Fall im Kühlschrank, da stoppt man den Reifungsprozess. Lieber getrennt, draußen im Schatten und trocken aufbewahren und nicht zusammen mit anderem Obst und Gemüse, denn sie strömt das Gas Ethylen aus, das die anderen Obst- und Gemüsesorten zum Reifen bringen kann. Wenn man allerdings Bananen hat, die man gern überreif für ein Bananeneis benötigt, dann kann man schon mal eine Tomate dazulegen und sie wird schneller schwarz.
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