Sammelband

Bombe ins Wohnzimmer

Eine Sammlung von Fernsehgeräten, Radios und Radioweckern aus den Anfängen der Unterhaltungsindustrie
Die Folge exzessiven Fernsehkonsums kann eine Bombe oder ein Anruf von George W. Bush sein - zumindest bei Aras Ören. © picture alliance / dpa / Farnsworth
Von Katharina Döbler · 19.01.2015
In den illustrierten Erzählungen des Sammelbands "Kopfstand" des türkisch-deutschen Autors Aras Ören geht es um die Kraft der Imagination. Die Titelerzählung handelt von den Wirkungen exzessiven Fernsehkonsums - der unter anderem eine Bombe im Wohnzimmer zur Folge haben kann.
Lange hat man nichts mehr gehört von Aras Ören, dem türkisch-deutschen Dichter und Erzähler. Er gehört seit Jahrzehnten zu den anerkannten Autoren in Deutschland, erhielt als erster den Adelbert-von Chamisso-Preis (1985) und ist Mitglied der Akademie der Künste.
Seine Texte changieren nicht nur zwischen äußerstem Realismus und traumhafter Phantsmagorie – sie lassen sich auch nicht in die klassischen Fächer Lyrik oder Prosa einsortieren: Eines seiner epischen Gedichte ("Was will Niyazi in der Naunynstraße") wurde sogar verfilmt.
Souveränität der eigenen Fantasie
In diesem schön gestalteten neuen Sammelband finden sich sieben illustrierte Erzählungen, entstanden zwischen 1986 und 2003, die zuvor nur in bibliophilen (und längst vergriffenen) Kleinstausgaben erschienen – mit einer Ausnahme: Die Titelerzählung "Kopfstand" aus dem Jahr 2003 ist eine Erstveröffentlichung und entstand unter dem Eindruck des medialen Trommelfeuers, das den Beginn des Zweiten Irakkriegs begleitete.
Ören erzählt darin von den Wirkungen exzessiven Fernsehkonsums. Ein skeptischer Intellektueller, ein gewisser Bruno, gelangt dadurch zu seliger, entspannter Selbstaufgabe; der Autor aber, der daraufhin versucht, sich das Medium für die eigene Tätigkeit nutzbar zu machen, bekommt statt dessen eine Bombe ins Wohnzimmer und einen Anruf von George W. Bush. Es ist fast so etwas wie eine poetologische Erzählung, eine kleine Geschichte vom Kampf um die Souveränität der eigenen Fantasie.
Spiel mit der Wechselwirkung von Außen und Innen
Und bei der Lektüre der anderen, viel älteren Erzählungen erweist sich genau das als roter Faden dieser sehr unterschiedlich gewobenen Texte. In der Geschichte "Der Gefangene seiner Maßstäbe" etwa spielt der Autor mit der Wechselwirkung von äußeren Eindrücken, Wahrnehmungen und Innenwelt, indem der einen äußerlich farblosen Sachbearbeiter mühelos zwischen Alltag und Träumen hin- und her wechseln lässt.
Es geht hier letztlich um die Imagination, die sich über Logik, Gefühle, literarische Genres erhebt. Aber Ören gibt eben auch preis, was ihn zu seinen fantastischen Höhenflügen und Bruchlandungen anstiftet: Nie verachtet er die Wirklichkeit.

Aras Ören: "Kopfstand"
aus dem Türkischen von Cornelius Bischoff
mit Illustrationen von Wolfgang Neumann
Verbrecher Verlag, Berlin 2014

140 Seiten, 22 Euro

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