Sachter Start des Teilchenriesen

Von Frank Grotelüschen · 29.03.2010
Ab morgen wollen die Ingenieure im Forschungszentrum CERN bei Genf wieder Protonen im Teilchenbeschleuniger LHC kollidieren lassen und so den Geheimnissen des Urknalls auf die Spur kommen. Nachdem es im Herbst 2008 eine Panne gegeben hatte, musste eine erste Protonenkollision abgebrochen werden.
10. September 2008. Am Forschungszentrum CERN in Genf knallen die Sektkorken. Die Physiker haben die größte Wissenschaftsmaschine aller Zeiten gestartet – den Teilchenbeschleuniger LHC, eingebaut in einen 27 Kilometer großen Ringtunnel. Die Maschine soll Wasserstoffkerne auf Rekordenergien beschleunigen und so heftig aufeinander prallen lassen, dass dabei neue, unbekannte Elementarteilchen entstehen.

Doch dann, nur neun Tage nach dem Start, gibt es im Tunnel eine Explosion. Ein Verbindungskabel zwischen zwei der Magneten, die die schnellen Wasserstoffkerne wie Schienen auf ihrer Kreisbahn halten, schmort durch. Die Folge: Zwei Tonnen Flüssighelium, minus 270 Grad kalt, verdampften schlagartig. Die Druckwelle reißt Dutzende von den tonnenschweren Magneten aus ihrer Verankerung. Verletzt wird niemand, doch die Unfallstelle gleicht einem Schlachtfeld.
Umgehend beginnen die Reparaturen. 55 Magnete müssen die Physiker austauschen oder reparieren. Damit der Beschleuniger nicht ein zweites Mal durchbrennt, installieren die Experten ein neues Frühwarnsystem. Es soll den Ring sofort abschalten, wenn sich eine Kabelschmelze auch nur andeutet.

Doch die Arbeiten dauern länger als erwartet. Mehr als einmal muss das CERN den Termin für den Neustart des Beschleunigers verschieben. Dann, am 20. November 2009, mehr als ein Jahr nach dem Unfall, ist es soweit: Der LHC läuft wieder – wenn auch nur im Testbetrieb. Doch nun soll es so richtig losgehen, sollen die Messungen starten.

Aber die CERN-Forscher sind vorsichtig geworden: Um ihre Maschine nicht wieder zu beschädigen, fahren sie sie äußerst behutsam hoch. Die nächsten beiden Jahre wird der Ring nur mit halber Kraft laufen, bei der Hälfte der vorgesehen Energie. Dennoch dürfen jene 10.000 Physiker aus aller der Welt, die mit dem LHC experimentieren wollen, erleichtert sein. Denn mit Glück könnte der Ring auch schon mit halber Kraft neue Elementarteilchen produzieren – und damit eine neue, nobelpreisverdächtige Physik.