Sachbuch "Zonen der Selbstoptimierung"

Im Hamsterrad des Zweckdenkens

Eine junge Frau trainiert in Berlin in einem Fitness-Studio in Prenzlauer Berg.
Fitness ist heutzutage fast schon Pflicht... © dpa / picture alliance / Jens Kalaene
Von Edelgard Abenstein · 19.12.2016
Arbeit, Esstisch, Fitnesscenter und Kneipe – alle Lebensbereiche werden optimiert. Wie wir unser Leben ökonomischen Regeln unterwerfen, schildern 13 Autoren in dem Buch "Zonen der Selbstoptimierung" - und zeigen, dass Schlau- und Schnellsein das Leben nicht leichter machen.
Immer schöner, fitter und schlauer: Anleitungen dazu, wie wir uns und unserem Leben das Maximum abtrotzen können, füllen die Regale der Buchhandlungen.
Aus dieser Ratgeberreihe fallen die "Zonen der Selbstoptimierung" heraus. Sie leuchten die verschiedenen Lebensbereiche aus, in denen wir uns vermessen, um immer besser zu funktionieren. Dabei, so lautet die Diagnose, treten sich unsere Ich-Ideale ständig auf die Zehen. Der Familienvater, der nach Dauerlauf und Biofrühstück das Kind zur Kita bringt, an den Arbeitsplatz hetzt, Überstunden macht und am Wochenende den DJ gibt − erinnert an die Quadratur des Kreises.

Effizienz, Berechenbarkeit und Profitmaximierung

Untersucht werden Arbeit und Esstisch, Fitnesscenter und Kneipe aus ökonomischer, psychotherapeutischer oder hirnphysiologischer Sicht. 13 Autorinnen und Autoren, Wissenschaftler und Journalisten gehen den Folgen nach, wenn die Grenzen zwischen Beruf und Freizeit verschwimmen und wir unsere Körper, unsere Beziehungen und unsere Persönlichkeit zunehmend den Regeln der Ökonomie unterwerfen: Effizienz, Berechenbarkeit und Profitmaximierung. Weil wir diese Werte verinnerlicht haben, herrschen sie überall, auch da, wo sie nicht hingehören. In der Liebe, auf der Geburtstagsparty, im Kinderzimmer.
Das Buch liefert das soziologische Porträt der urbanen Mittelschicht, deren Alltag an Tempo zugelegt hat. Es zeigt, wie dem Beschäftigtsein ein absoluter Wert zugeschrieben wird, während Zu-Viel-Zeit-Haben Scheitern bedeutet, genauso wie zu wenig Likes in den sozialen Netzwerken, wie auch der Permanentblick aufs Smartphone Angst enthüllt: Keine Nachricht hieße, sozial nicht eingebunden zu sein.

Gegen die Selbstoptimierung − zum Selberdenken

Dabei bleibt der "Bericht aus der Leistungsgesellschaft" nicht bei Konsumkritik stehen, dem strengen Blick in den Einkaufskorb, auf Öko-Äpfel, Energiesparlampen und die Schattenseiten des Veganismus. Auch den Zauberwörtern der Moderne, Kommunikation und Kreativität, wird der Puls gefühlt. Denn es waren Vordenker der Alternativkultur, die Vernetzung und Synergie anstießen, was von den Global Playern in Dienst genommen, sich zu einem riesigen ökonomischen Schwindel ausgewachsen hat.
Die Texte sind pointiert geschrieben. Wie oft bei solchen Sammelbänden wiederholt sich manches, neben schwerer Theoriekost stehen unterhaltsame Ausflüge in die Geschichte (des Leistungsbegriffs etwa), und es gibt schwächere Beiträge. Ausgerechnet das Kapitel über Familien geht über sattsam Bekanntes − Doppelbelastung der Frauen, unsichtbare Hausarbeit, schlechtes Ansehen von Kinderlosigkeit − leider nicht hinaus.
Wie man dem Hamsterrad des allumfassenden Zweckdenkens entkommt, darüber findet sich hier nichts. Aber indem die Autorinnen und Autoren das Phänomen entblättern und zeigen, dass Schönheit, Schlau- und Schnellsein das Leben nicht leichter machen, liefert sie einen nützlichen Beitrag. Gegen die Selbstoptimierung. Zum Selberdenken.

Felix Klopotek, Peter Scheiffele (Hrsg.): Zonen der Selbstoptimierung
Matthes & Seitz, Berlin 2016
288 Seiten, 22 Euro

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