Sachbuch

Tierische Medizin für Menschen

Eine Hand zeigt auf ein CT-Bild einer Französischen Bulldogge an einer Tierklinik in Leipzig.
CT-Bild einer Französischen Bulldogge an einer Tierklinik in Leipzig: Erkenntnisse über Tiere helfen auch den Menschen, sagen die Autorinnen des Buches "Wir sind Tier". © picture alliance / dpa / Jan Woitas
Von Michael Lange · 03.12.2014
Tiere und Menschen sind sich ziemlich ähnlich. Davon sind die Autorinnen Barbara Natterson-Horowitz und Kathryn Bowers überzeugt. Entsprechend viel könnten wir von den Erfahrungen von Tierärzten lernen.
Im Hauptberuf arbeitet Barbara Natterson-Horowitz als Herzspezialistin in Kalifornien. Sie wird aber auch gelegentlich in den Zoo von Los Angeles gebeten, um bei Herzproblemen von Tiger, Bär oder Elefant behilflich zu sein.
Dabei erlebt sie immer wieder überraschende Übereinstimmungen: Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Herzrhythmusstörungen sind unter Zootieren ähnlich verbreitet wie bei Menschen. Da es unter Tierärzten keine Herzspezialisten gibt, sind die Ratschläge der Ärztin im Zoo sehr gefragt.
Umgekehrt könnten aber auch die Tierärzte bei der Behandlung von Menschen helfen, glaubt Barbara Natterson-Horowitz. Denn Tierärzte haben den besseren Überblick, weil jeder Tierarzt viele Tierarten kennt und behandelt. Die Vorteile einer guten Zusammenarbeit belegen die beiden Autorinnen mit zahlreichen Beispielen aus der medizinischen Praxis.
So hat eine New Yorker Zootierärztin das Westnil-Virus viel früher erkannt als die zuständigen Behörden in den USA. Auch könnten Humanmediziner viele Krankheiten mit tierärztlicher Unterstützung besser verstehen, wie etwa die als typisch menschlich geltende Ohnmacht.
Überbleibsel der Evolution
Als die zwölfjährige Tochter von Barbara Natterson-Horowitz eine Pistole neben ihrem rechten Ohr erblickte, sackte sie ohnmächtig in sich zusammen. Dabei wollte der freundliche Herr im weißen Kittel ihr doch nur ein Loch für einen Ohrring in ihr Ohrläppchen stechen.
Die Ohnmacht schien aus Sicht der Ärzte eine krankhafte Überreaktion zu sein.Tierärzte aber wissen, dass Tiere, die in der Natur von Fressfeinden bedroht werden, öfter ohnmächtig werden. Wenn sich ein gefährlicher Räuber nähert, haben sie drei Optionen: Kämpfen, Fliehen oder Ohnmacht.
Ein junges Rehkitz zum Beispiel schützt sich am besten vor einem umherstreifenden Fuchs oder Wolf, wenn es völlig regungslos im hohen Gras liegt. Und für Fische kann es lebensrettend sein, wenn sie ihre Körperfunktionen auf ein Minimum reduzieren, sobald sich ein Feind nähert. Wer Menschen als Tiere sieht, versteht die Ohnmacht bei Menschen als Überbleibsel der Evolution.
Krebskranke Haustiere in Studien aufnehmen
Bei anderen Krankheiten könnte die Tiermedizin die Therapien für Menschen verbessern: So leiden Haustiere wie Hunde und Katzen unter ähnlichen Formen von Krebs wie der Mensch. Die Autorinnen schlagen deshalb vor, statt Labortiere gezielt für Krebsexperimente zu züchten, sollte man Hunde und Katzen, die ohnehin an Krebs erkrankt sind, besser beobachten und in Studien aufnehmen.
An ihnen könnten dann neue Krebsmedikamente für Menschen erprobt werden. Das würde möglicherweise die Überlebenschancen der Haustiere verbessern und mittelfristig krebskranken Menschen nutzen.
Das Buch "Wir sind Tier" steckt voller solcher Beispiele, die die Autorinnen in einer einfachen und lebendigen Sprache zur Diskussion stellen. Die meisten Methoden lassen sich zwar nicht 1:1 vom Tier auf den Menschen übertragen. Langfristig aber würden beide Seiten profitieren.

Barbara Natterson-Horowitz und Kathryn Bowers: "Wir sind Tier. Was wir von den Tieren für unsere Gesundheit lernen können"
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Susanne Warmuth
Knaus Verlag, München 2014
448 Seiten, 22,99 Euro

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