Russische Medien

Von einigen akzeptiert, von anderen entlarvt

Vladimir Putin im Fernsehen
Putin auf allen Kanälen: Die Medien der russischen Opposition werden zunehmend behindert oder ganz gesperrt. © dpa / picture alliance / Maxim Blinov
Von Gesine Dornblüth · 12.04.2014
Bei der Ukraine-Krise spielt Propaganda eine große Rolle. In Russland wird der Raum für unabhängige Berichterstattung immer enger - am Sonntag gibt es aus Protest einen "Marsch der Wahrheit".
Die Geschichte scheint sensationell. Der russische, kremlnahe Fernsehsender NTW zeigte in dieser Woche einen angeblichen Söldner aus Deutschland in der Ukraine. Er soll auf Seiten des nationalistischen Rechten Sektors tätig gewesen sein, soll 500.000 Euro aus Deutschland mitgebracht haben, um eine 50 Mann starke Gruppe von Kämpfern aufzubauen. Diese 50 Mann sollen, so der Moderator, allesamt Angehörige westeuropäischer Staaten sein.
Der Mann wurde verletzt. NTW zeigte ihn in einem Krankenhausbett, die Nase dick verbunden. Sein Name angeblich: Andrej Petkow.
"Ich habe mein privates Vermögen aus Deutschland zum Maidan gebracht. Ich bin Arzt, ich habe 15 Kliniken in Deutschland und ein Chateau in der Schweiz."
Die Ente des Tages
Gleichfalls in dieser Woche war derselbe Mann auf einem anderen russischen Kanal zu sehen, im Staatssender Rossija. Dasselbe Bett, nur von der anderen Seite gefilmt. Ein Schnitt zu einer orange-braun gestreiften Schleife, dem Erkennungszeichen der prorussischen Kräfte. Auch bei Rossija heißt er Andrej Petkow, doch hier ist er ein Einwohner der Stadt Nikolajew in der Südukraine: Ein friedlicher Demonstrant, der, als er gegen die Übergangsmacht in Kiew protestierte, vom Rechten Sektor überfallen wurde.
Die Angreifer hätten ohne Unterlass geschossen, erzählt der Mann auf diesem Sender.
Internetnutzer haben den Fall aufgedeckt und zur Ente des Tages erklärt. Der User Yehor Pomidor fragt ironisch: Können die Sender sich nicht absprechen, wer wer ist?
Die russische Propaganda schlägt immer absurdere Blüten. Eine Gruppe Ehrenamtlicher mit dem Namen "Antipropaganda" analysiert seit einigen Wochen Nachrichtenbeiträge im russischen Fernsehen. Sie kommen mitunter auf zehn Propagandamethoden in einem Nachrichtenfilm.
Die Wirkung der verfälschten und manipulierten Informationen ist groß. Fast 90 Prozent der Bevölkerung beziehen ihre Informationen aus den landesweiten Fernsehkanälen. Das hat die kremlnahe "Stiftung öffentliche Meinung" herausgefunden. Rund zwei Drittel der Zuschauer meinen, sie würden dort objektiv informiert. Erschreckend: Mehr als die Hälfte der Befragten gaben an, es sei in Ordnung, bei wichtigen Themen im nationalen Interesse Informationen zu verdrehen.
Spenden sollen unabhängigen Sender retten
Doch gegen die Propaganda regt sich Widerstand. Oppositionelle haben für den morgigen Sonntag zu einem "Marsch der Wahrheit" in Moskau aufgerufen. Sie sorgen sich um die letzten Überbleibsel der unabhängigen Presse. In den vergangenen Wochen wurde das Nachrichtenportal lenta.ru auf Linie gebracht, und die Behörden sperrten diverse kremlkritische Blogs. Auch der unabhängige Kabel- und Internetsender Doschd TV wurde unter Druck gesetzt. Er weiß sich zu wehren. In einer beispiellosen Spendenaktion sammelt er derzeit Geld für den Sendebetrieb. Auf der Homepage kann man sehen, wie lange er sich noch halten kann. Derzeit sind es 55 Tage.
Die Situation der Medien beschäftigt auch den Menschenrechtsrat beim russischen Präsidenten. Der Vorsitzende, Michail Fedotov, unterstrich dieser Tage im Moskauer Radiosender Echo Moskwy die Bedeutung der unabhängigen Presse für Russland:
"Wir brauchen unabhängige Medien, um die Korruption im Land zu bekämpfen. Die Korruption beherrscht alles in unserem Land. Was auch immer der Staat unternimmt – aufgrund der Korruption wird es zu Staub. Das betrifft jeden Bereich der Gesellschaft. Man kann daher sagen: Unabhängige Medien sind ein Beitrag zur nationalen Sicherheit."