Rüpel-Rapper schreibt Erbauungsliteratur

24.01.2013
Drogen, Goldketten und brutale Gewalt? Fehlanzeige! Der Debütroman des Rappers 50 Cent ist keine klischeehafte Gangsta-Geschichte, sondern ein durchaus sensibles Jugendbuch über das Leben und die Gedanken eines schwarzen Außenseiters.
Wer die Biografie des Rappers 50 Cent kennt, könnte durch das persönliche Vorwort in seinem Roman "Playground" in die Irre geführt werden. "Ich weiß, wie man zum Schläger wird", bekennt der Rapper darin und spricht von der "ganz persönlichen Reise", die das Schreiben dieses Buches für ihn war. "Ich habe aus Ereignissen meiner Kindheit und Jugend geschöpft, aber auch aus Dingen, die ich um mich herum gesehen habe."

Schon die Kindheit von 50 Cent, der eigentlich Curtis James Jackson heißt und 1975 im New Yorker Stadtteil Queens geboren wurde, ist geprägt von Drogen und Gewalt: Seine Mutter handelt auf der Straße mit Drogen und wird umgebracht, da ist er acht Jahre alt, seinen Vater lernt er nie kennen. Er wächst bei seinen Großeltern auf, beginnt als Teenager später selbst mit dem Drogenhandel, landet mehrmals im Gefängnis, und als er gerade dabei ist, sich als Rapper einen Namen zu machen, wird er vor dem Haus seiner Großeltern von neun Schüssen niedergestreckt, darunter einen in den Kopf. Er überlebt.

Aber: Nichts davon findet sich in "Playground" wieder - vielleicht, weil 50 Cents Leben 2005 von Jim Sheridan verfilmt wurde, vielleicht auch, weil der Rapper schon mit dem Journalisten Kris Ex seine Autobiografie verfasst hat. "Playground", das die Autorin Laura Moser mitgeschrieben hat, ist vielmehr ein durchaus sensibles Jugendbuch mit Erbauungsliteraturcharakter. Es soll demonstrieren, "dass geistige Stärke dich im Leben voranbringt", wie 50 Cent ebenfalls im Vorwort schreibt, und erzählt die Geschichte eines 13-jährigen Schwarzen namens Burton, der wegen seiner Fettleibigkeit von allen aber nur "Butterball" genannt wird.

Seit der Trennung seiner Eltern lebt Butterball nicht mehr in Harlem, sondern mit seiner Mutter in Garden City, einem Vorort von New York. Er geht in die 8. Klasse einer Junior High School, und weil er dort einen seiner schwarzen Mitschüler, der zudem sein einziger Freund ist, verprügelt, muss er zur Bewährung eine Gesprächstherapie bei der weißen Psychologin Liz machen. Auf deren Couch schildert Butterball sein Leben, die Besuche bei seinem Vater in New York City, seine Probleme in der Schule, wie er versucht, ein paar vermeintlichen Kumpels und dem Vater gerecht zu werden.

Der dramaturgische Kniff mit der Psychologin erlaubt es 50 Cent und seiner Co-Autorin ein wenig zwischen den Zeiten hin- und herzuspringen. Ansonsten dominiert diese Erzählung eine sprachliche Schlichtheit, die nichts Peinliches hat und einem Jugendbuch angemessen ist. Die Entwicklung, die Butterball nach der Schlägerei auf einer Party nimmt, ist vorhersehbar. Er gelangt zu so mancher Erkenntnis, zum Beispiel, dass man an sich glauben muss, dass man nicht jeder Einflüsterung von außen auf den Leim gehen muss.

Das mag alles etwas holzschnittartig sein. Erstaunlich aber ist, wie präzise "Playground" das Umfeld einer Schule und eines schwarzen Außenseiters darstellt - und dabei trotzdem wie eine Antithese zu einem Gangster-Rap-Track wirkt, ohne Drogen, übermäßig brutale Gewalt und Goldketten. Übertrieben politisch korrekt und vielleicht von der Co-Autorin entscheidend inspiriert sind allerdings die starken Frauenfiguren: von der Psychologin über die Mutter bis zu einer Mitschülerin Butterballs, die stets Nachsicht mit ihm walten lässt. Dass Butterballs Mutter auch noch eine gleichgeschlechtliche Beziehung in ihrem nachehelichen Leben führt, ist dann des Guten zu viel - ändert aber nichts daran, dass "Playground" Leben und Gedankenwelt eines 13-Jährigen stimmig nachzeichnet.

Besprochen von Gerrit Bartels

50 Cent/Laura Moser: "Playground"
Deutsch von Rainer Schmidt
Rowohlt Polaris, Reinbek 2012
191 Seiten, 13, 95 Euro