Rot-Rot lenkt ein

Von Sandra Schulz · 16.01.2007
Es war ein Gezerre, die Auseinandersetzung der rot-roten Koalition in Berlin: Soll der Lyriker und Liedermacher Wolf Biermann Ehrenbürger Berlins werden? Trotz langen Zögerns und zunächst signalisierter Ablehnung haben sich die Fraktionen von SPD und Linkspartei.PDS entschieden, den Weg frei zu machen für die Würdigung Biermanns.
Schließlich hat sich auch der zukünftige Ehrenbürger Berlins selbst zu Wort gemeldet. Wolf Biermann nannte den Streit um seine Person gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger ein komisches Lehrstück, bei dem man sehr schön Dinge erkennen kann, die sonst kaschiert bleiben.
Mit 45 von 53 Fraktionsmitgliedern sprach sich eine große Mehrheit der sozialdemokratischen Abgeordneten für die Würdigung Biermanns aus. Die Argumente, so betonte SPD-Fraktionschef Michael Müller, seien in der Sache nicht neu:

"Es spricht für Wolf Biermann, was auch schon vorher für ihn gesprochen hat. Nämlich sein politisches Engagement, sein herausragendes künstlerisches Schaffen, für viele Menschen in der Stadt auch in der SPD hat er eine große Bedeutung. Das war zwischen uns ja auch nie strittig."

Neu ist aber eine verfahrenstechnische Volte, die es den rot-roten Koalitionären ermöglicht, den Streit – der bundesweit als hauptstädtische Provinzposse belächelt wird - ohne weiteren Gesichtsverlust beizulegen. Anstelle des bisher verhandelten Oppositionsantrages soll ein neuer Antrag der SPD-Fraktion ins Spiel kommen. Da diesem ausreichend Oppositionsstimmen sicher sind, will sich dann die Linkspartei.PDS enthalten, und entrinnt so etwaigen Erklärungsnöten gegenüber der Parteibasis, die heftigen Widerstand gegen die Ehrung des seinerzeit aus der DDR ausgebürgerten Regimekritikers geleistet hatte. Für Fraktionschefin Carola Bluhm ist damit ein gangbarer Kompromiss gefunden und eine Möglichkeit,

"damit unsere besondere Verantwortung für Geschichte, für unsere besondere Vergangenheit der SED, der Ausbürgerung von Biermann noch mal ganz klar herauszustellen. Auf der anderen Seite aber auch zu kritisieren, seine Positionen zum Krieg."

Der öffentlichen Empörung über die zunächst ablehnende Haltung der Berliner Regierungskoalition und den Stimmen, die sich für die Ehrenbürgerschaft Biermanns ausgesprochen hatten, setzt die rot-rote Koalition einen Hinweis auf das aus ihrer Sicht falsche Verfahren entgegen. SPD-Fraktionschef Müller warnte, die Auszeichnung und die Auszuzeichnenden würden Schaden nehmen, wenn sie zum Gegenstand öffentlicher Verhandlung würden. Der CDU-Fraktion wirft er vor, ein parteipolitisches Spiel zu spielen.

"Das geht so auf keinen Fall weiter. Die Diskussion werden wir nun beenden, wir werden die Ehrenbürgerschaft für Biermann unterstützen, aber wir werden auch eine neue Verständigung zwischen den Fraktionen anregen. Und wir werden auch klarmachen, vor welchem politischen Hintergrund die CDU die Verdienste dieses Mannes diskutiert."

Den Vorwurf der Parteitaktik weist die CDU indes zurück. Dass der 70. Geburtstag Biermanns Anlass für den Vorstoß war und nicht etwa der 60., als in Berlin Mitte der 90er Jahre eine Große Koalition unter CDU-Führung regierte, belegt für den CDU-Fraktionsvorsitzenden Pflüger, dass Dinge manchmal auch eine Frage der Zeit seien.

"Dass er ein großer Deutscher ist, mit einer fantastischen Biografie, zwischen Idealismus und eigener Lebenserfahrung immer wieder Prägungen erfahren hat, das ist vielen erst in den letzten Jahren bewusst geworden. Ich selbst habe erst im letzten Jahrzehnt erkannt, was dieser Mann für ein Juwel ist."

Noch Mitte dieser Woche wird das Berliner Abgeordnetenhaus voraussichtlich den Weg frei machen für die Würdigung des Bundesverdienstkreuzträgers Wolf Biermann als 115. Ehrenbürger der Stadt.
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