Rosemarie Trockel

Wolle auf Leinwand und andere Überraschungen

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Blick in die Ausstellung "Märzôschnee ûnd Wiebôrweh sand am Môargô niana më" mit Werken von Rosemarie Trockel im Kunsthaus Bregenz © © Rosemarie Trockel, Bildrecht Wien 2015 und Kunsthaus Bregenz, Foto: Markus Tretter
Von Astrid Mayerle · 22.01.2015
Wieder geht es um das ewig Weibliche: Das Kunsthaus Bregenz widmet der Künstlerin Rosemarie Trockel eine wunderbare Werkschau, die 30 Schaffensjahre umfasst. In den jüngeren Arbeiten spielt die Künstlerin mit Traditionen der Region – und zitiert Trachtenröcke.
Märzôschnee ûnd Wiebôrweh sand am Môargô niana më. - "Die Schmerzen von Frauen sind genauso schnell verschwunden wie der Schnee im März." So übersetzt Yilmaz Dziewior, Direktor des Kunsthauses Bregenz den Titel der Schau. Rosemarie Trockel hat ihn selbst für ihre Ausstellung gewählt.
Mit dieser alten, lokalen Redeweise aus dem Bregenzer Umland macht man sich seit Jahrhunderten über das Leid von Frauen lustig. Dieser Titel passt hervorragend zum Werk Rosemarie Trockels, denn dreißig Jahre schon wittert sie Marginalisierungen des Weiblichen und spürt ihnen auf süffisante Weise nach. Auch in ihrer aktuellen Schau.
Auf einer Reise in den Bregenzer Wald besuchte sie ein Trachtenmuseum und zitiert daher in einer ihrer Arbeiten den typischen schwarzen, gelackten Leinenstoff, aus dem die plissierten Röcke der Bregenzer Tracht gefertigt werden. Eine Art Schaufensterpuppe trägt Teile dieser traditionellen Kleidung. Allerdings: Statt eines Mieders hat Trockel ihrer Puppe eine schusssichere Weste verpasst:
Yilmaz Dziewior: "Das Interessante ist auch, dass diese Frau ein Hybrid ist. Einerseits wirkt sie sehr selbstbewusst, steht aufrecht da, weist aber bei genauerer Betrachtung Blessuren auf. Sie hat Kratzer, Schrammen. Und was sehr schön ist, das gibt ihr ein Zeichen ihrer Stärke: Auf dem Rücken hat sie Gamsbärte, die sie als Trophäen - wem auch immer - abgenommen hat. Hier vereint sich die Verletzlichkeit der Figur, die auf den ersten Blick eine Frau ist, die laut Rosemarie Trockel auch ein Mann sein könnte, - … die Verletzlichkeit, aber gleichzeitig auch die Stärke."
Acrylfäden werden zu leuchtenden Flächen
Die Ausstellung im Kunsthaus Bregenz bildet ein breites Spektrum von Trockels Arbeitsweisen ab: Es sind spiegelnde Wandreliefs zu sehen, Skulpturen, Installationen, Drucke und ihre jüngsten Arbeiten mit Wollfäden. Im Gegensatz zu den bekannten Strickbildern der 80er-Jahre spannt sie jetzt bunte Acrylwolle über Leinwände und lässt sie an den Seiten festtackern. Aus der Ferne verschwimmen die einzelnen Fäden zu leuchtenden Flächen und Blockstreifen. Eine völlig neue, interessante Werkserie entstand auf diese Weise. Rudolf Sagmeister, Kurator der Schau:
"Hier die neuen Arbeiten sind eindeutig Malerei. Malerei auch in der Form, dass da gar kein Handwerk dabei ist. Die meisten dieser Farben sind gekauft. Das ist das, was der Markt anbietet, also keine Wolle, Kunststoff und das ist eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der Malerei."
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Blick in die Ausstellung "Märzôschnee ûnd Wiebôrweh sand am Môargô niana më" mit Werken von Rosemarie Trockel im Kunsthaus Bregenz© © Rosemarie Trockel, Bildrecht Wien 2015 und Kunsthaus Bregenz / Foto: Markus Tretter
Rosemarie Trockel setzt sich in ihren jüngsten Arbeiten nicht nur mit kunstimmanenten Fragen auseinander, sie spinnt auch ihre eigenen Themen fort: Es geht um die medial vermittelte Wirklichkeit, um Identitätsfindung, gesellschaftliche Zugehörigkeiten, ethnische Fragen. Die Serie ihrer so genannten Prints, 80 Bilder, die ein gesamtes Stockwerk einnehmen, zeigt dies anschaulich. Hier tauchen auch bekannte Gesichter auf, etwa ein Michael Jackson, dessen gebleichte Gesichtshaut Trockel mit lässigem Krikelkrakel übermalt hat. Die Prints öffnen quasi die Tür zu Trockels Studio:
Yilmaz Dziwior: "Weil sie noch nicht genau festgelegt hat, wie sie genau mit diesen Motiven umgehen wird. Das kann sein, dass es so bleibt. Das kann sein, wenn sie die Arbeit wieder neu festlegt, dass sie wieder eine andere Ausformulierung finden wird.
Sie selbst sagt zu den Drucken, dass sie früher gezeichnet hat, sie hat jeden Tag gezeichnet, danach hat sie jeden Tag Collagen angefertigt, wirklich so nach dem Aufstehen war das so ihre Beschäftigung, um in den Tag zu kommen. Und sie sagt, heute ist ihr bevorzugtes Medium, um genau diese Fragestellungen anzugehen - 'Wie entwerfe ich Bilder, wie verwende ich inszenierte Bilder?' - heute macht sie das am Computer."
Bilder im Betonrahmen, Kleinformatiges an der Sofalehne
Die Ausstellung in Bregenz zeigt allerdings nicht nur, wie sich Trockel technisch weiterentwickelt, sondern auch, wie sie ihr Werk inhaltlich sehr schlüssig fortschreibt. Ein Werk, das auf skurrile Weise gesellschaftliche Entwicklungen der Gegenwart verfolgt und fasst.
Für die Präsentation ihrer Arbeiten haben die Ausstellungsmacher ungewöhnliche Ideen entwickelt: So zeigen sie Trockels Bilder in eigens gegossenen Betonrahmen und Kleinformatiges wird einfach gegen eine Sofalehne gekippt. Ein dem Werk wunderbar angemessener Gegensatz von Strenge und Lässigkeit.
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