Rohleder: Die Branche hat nichts zu verbergen

Moderation: Hanns Ostermann · 03.06.2008
Der Hauptgeschäftsführer des Telekommunikations-Branchenverbandes BITKOM, Bernhard Rohleder, hat eine Öffnung seiner Branche für mehr öffentliche Kontrollen angekündigt. Die Branche habe nichts zu verbergen, sagte Rohleder. Die Bespitzelungsaffäre bei der Telekom sei ein Einzelfall. Die Vorgänge dürfe man nicht generalisieren, betonte er: "Die Branche insgesamt hat kein Problem".
Hanns Ostermann: Eine Spitzelei mit Folgen. Als Konsequenz aus der Affäre bei der Deutschen Telekom will die Branche in zwei Schritten vorgehen. Sie will zunächst mit dem Konzern mögliche technische Änderungen auch für andere Telekommunikationsunternehmen prüfen, eine Fachdiskussion unter Unternehmen ist das gewissermaßen. Dann als zweiter Schritt ist vorgesehen, dass auch öffentliche Stellen wie die Bundesnetzagentur und der Bundesdatenschutzbeauftragte einbezogen werden. Zu prüfen ist dann, ob technische Änderungen der Deutschen Telekom auch für andere Unternehmen ratsam sind.

Das sind die Ergebnisse einer Gesprächsrunde gestern im Bundesinnenministerium. Mit dabei war auch Bernhard Rohleder, Geschäftsführer von BITKOM, das ist der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien. Guten Morgen, Herr Rohleder!

Bernhard Rohleder: Guten Morgen!

Ostermann: Die Runde, in der Sie beraten haben, war ja überschaubar. Viele sind der Einladung nicht gefolgt. War die Veranstaltung trotzdem sinnvoll oder reine Schaufensterpolitik, wie der Bund Deutscher Kriminalbeamter meint?

Rohleder: Die Veranstaltung war definitiv keine reine Schaufensterpolitik. Im Gegenteil, der Bund Deutscher Kriminalbeamter war zu der Veranstaltung nicht geladen. Das mag dazu führen, dass er sie besonders kritisch sieht. Wir haben bei der Veranstaltung Einverständnis hergestellt, ein Einvernehmen hergestellt über den Handlungsbedarf und sind vor allem zu dem Schluss gekommen, dass es sich um einen Einzelfall handelt, den wir keinesfalls generalisieren sollten.

Ostermann: Aber was macht Sie da so sicher, dass dies ein Einzelfall ist?

Rohleder: Nun, wir arbeiten bereits seit sieben Jahren in einem Arbeitskreis mit den Datenschutzbeauftragen der Telekommunikationsunternehmen zusammen. Wir diskutieren dort interne Erfahrungen, auch interne Schwächen einzelne Systeme, Möglichkeiten zur Optimierung und können auf Basis dieser Erfahrungen sagen, dass der Datenschutz nirgendwo auf der Welt in der Telekommunikation so ernst genommen wird wie Deutschland, was allerdings vor kriminellen Machenschaften letztlich nicht schützt.

Ostermann: Wo genau wollen Sie denn jetzt den Hebel ansetzen, um Datenmissbrauch zu verhindern?

Rohleder: Wir müssen derzeit zunächst wissen, was genau bei der Telekom vorgefallen ist, um anschließend zu sehen, ob es daraus Schlüsse gibt, die wir ziehen können, auch für die anderen Telekommunikationsnetzbetreiber. Zum Zweiten wollen wir uns öffnen für öffentliche Kontrolle durch den Bundesdatenschutzbeauftragten und seine Mitarbeiter. Wir wollen damit zeigen, dass wir in der Branche nichts zu verbergen haben.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte fordert eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung. Die Umsetzung dieser Forderungen würden wir als Branche unterstützen in dem Sinne, dass Kontrollen jederzeit in den Unternehmen durch die öffentliche Institution des Bundesdatenschutzbeauftragten möglich sind.

Ostermann: Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat sich dafür ausgesprochen, auch für möglicherweise höhere Strafen. Sie kommen ihm, wenn Sie sagen, wir sind bereit zu mehr Kontrolle, einen Schritt entgegen?

Rohleder: Absolut. Wir sind uns mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten an dieser Stelle völlig einig. Gleichwohl bezweifeln wir, dass höhere Strafen für das betroffene Unternehmen wirklich zum gewünschten Ziel führen. Die Strafe, die das Unternehmen durch den Imageschaden, durch den Vertrauensverlust der Kunden an der Stelle hat, ist letztlich mit einem Bußgeld, das derzeit bei 300.000 Euro maximal liegt, auch nach oben geschraubt werden könnte, nicht aufzuwiegen. Insofern ist das Unternehmen, das sich so verhält, durch das Verhalten selbst bereits gestraft genug.

Ostermann: Auf der anderen Seite frage ich mich schon, warum die Chefs von E-Plus, Vodafone, O2 oder Arcor sich nicht auf eine solche Diskussion einlassen. Denn das, was bei der Telekom stattfindet, ist doch theoretisch jedenfalls auch bei anderen Unternehmen denkbar. Das heißt, hier hätte man doch auch sozusagen aktiv werden können und eine vertrauensbildende Maßnahme unterstützen können?

Rohleder: Ja, oder, und diese Frage haben sich die Herren verständlicherweise gestellt, würde das Erscheinen bei diesem Termin nicht eventuell dazu führen, dass genau der falsche Schluss daraus gezogen würde? Nämlich der Schluss, dass die Branche insgesamt ein Problem hat, und die Branche insgesamt hat kein Problem. Die Telekom hatte ein Problem, behandelt dieses Problem sehr verantwortungsvoll durch die Selbstanzeige dadurch, dass auch Köpfe gerollt sind, dadurch, dass die internen Strukturen angepasst wurden, dass das Personal ausgetauscht wurde. Hier geschieht schon sehr viel. Und die Unternehmen, die Wettbewerber der Telekom sagen zu Recht, das ist ein Einzelfall. Und wir sollten ihn als Einzelfall behandeln und nicht vorschnell zu generellen Schlüssen kommen.

Ostermann: Herr Rohleder, sind gesetzgeberische Maßnahmen, neue gesetzgeberische Maßnahmen derzeit ausgeschlossen?

Rohleder: Wissen Sie, wenn die Ampel auf Rot steht und jemand drückt trotzdem aufs Gas und fährt, dann ändern Sie dieses Verhalten nicht, indem Sie eine vierte Signalfarbe Dunkelrot einführen. Sondern da müssen Sie dafür sorgen, dass die unternehmerische Kultur sich an der Stelle ändert, insbesondere die Führungskultur. Und genau das ist bei der Telekom passiert. Insofern sehen wir nicht, dass wir das bereits bestehende weltweit höchste Datenschutzniveau noch weiter nach oben entwickeln sollten auf neuer gesetzlicher Grundlage, sondern dass wir dafür sorgen müssen, dass es konsequent, und damit hat auch die Personalauswahl und die Rekrutierung von Führungspersonal in Unternehmen zu tun, umgesetzt wird.

Ostermann: Wird es eine Fortsetzung dieser Gespräche beim Bundesinnenministerium geben?

Rohleder: Es wird eine Fortsetzung dieser Gespräche geben, nämlich Anfang Juli, wo wir die Berichte, die die Telekom derzeit erstellt, besprechen wollen, insbesondere hinsichtlich möglicher Signale für die Branche insgesamt.