Rohani, Erdoğan, Putin

Die wahren Herrscher in Syrien

Hassan Rouhani, Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin beim Syrien-Gipfel am 4.4.2018 in Ankara
Hassan Rouhani, Recep Tayyip Erdoğan und Wladimir Putin beim Syrien-Gipfel in Ankara © imago/Mikhail Metzel/TASS
Von Reinhard Baumgarten · 07.04.2018
Russland, die Türkei und der Iran hätten als künftige Ordnungsmächte in Syrien sehr unterschiedliche Interessen, kommentiert Reinhard Baumgarten. Das bedeute keine guten Aussichten für das kriegsgebeutelte Land und seine Bevölkerung.
Russland, Iran, Türkei – drei Kriegsparteien in Syrien mit sehr gegenläufigen Interessen. Moskau, Teheran, Ankara – was bringt sie zusammen? Die Antwort ist einfach: Washington. Putin, Rohani und Erdoğan wollen aus sehr unterschiedlichen Gründen, dass sich die USA aus Syrien zurückziehen. Russland macht den USA die Rolle als Führungsmacht und Vermittler im Nahen Osten streitig. Der Iran will seine Position in Syrien ausbauen. Die Türkei will freie Hand haben, um weiter militärisch gegen die Kurdenmiliz YPG vorzugehen. Und wie reagiert The Donald darauf?

Trump macht den Weg frei für Putin

Präsident Trump schnallt möglicherweise nicht, was in Syrien vor sich geht. An seinen Leuten vor Ort liegt es nicht. Sie haben – bildlich gesprochen – die Füße über dem Kopf zusammen geschlagen, als Trump verkündete, die IS-Terrormiliz sei besiegt und deshalb würden die US-Truppen Syrien bald verlassen. Die Terrormiliz Islamischer Staat ist weder in Syrien noch im Irak wirklich besiegt. Das Kalifat wurde zerschlagen. In Syrien mit Hilfe jener Kurdenmiliz, die von Tayyip Erdoğan hartnäckig als Terrorgruppe bezeichnet wird.
Aber mit der IS-Terrormiliz verhält es sich ähnlich wie mit einem auf den Boden fallenden Tropfen Quecksilber: der große Tropfen fällt zu Boden und es bilden sich beim Aufprall unzählige neue Tröpfchen. Der Kampf gegen die IS-Terrormiliz ist zum Stillstand gekommen, weil das Nato-Mitglied Türkei völkerrechtswidrig den kurdischen Kanton Afrin angegriffen hat und unverhohlen damit droht, weitere Gebiete in Nordsyrien mit Krieg zu überziehen. Die YPG hat daraufhin zahlreiche Milizionäre vom Kampf gegen den IS abgezogen.
Wie kann Donald Trump da ernsthaft behaupten, der IS sei besiegt? Er tut es einfach deshalb, weil ihn Fakten und Erkenntnisse anderer nur bedingt interessieren. Fakten setzt er seit seinem Eintritt in die große Politik alternative Fakten entgegen. Gut möglich, dass sich dahinter ein nur erleuchteten Geistern erkennbarer Plan verbirgt. Schlichtere Gemüter sehen in Trumps Syrien- und Nahost-Politik nur ein erratisches Trial and Error.

Mehr Heuchelei ist kaum möglich

Genau das war das einigende Band der Herren Putin, Rohani und Erdoğan bei ihrem Treffen in Ankara. Sie beschwören die territoriale Integrität Syriens, sie versprechen Frieden in dem geschundenen Land. Mehr Heuchelei ist kaum möglich. Russland hat zahlreiche Städte in Grund und Boden gebombt. Der Iran hat mit seinen Revolutionswächtern und Söldnern unendliches Leid über Syrien gebracht. Die Türkei hat jahrelang Islamisten und Jihadisten unterstützt und scheint ihnen nun im einst kurdischen Afrin eine Heimstatt einzurichten.
Und Washington, Brüssel, Berlin, London? Sie schauen zu. Sie sitzen nicht einmal mehr am Katzentisch, wenn über Syrien verhandelt wird. Zaudern und Zagen, Unentschlossenheit und Angst – das sind seit 2011 die Merkmale westlicher Syrien-Politik. Moskau, Teheran und Ankara agieren momentan noch in Absprache miteinander wegen des gemeinsamen Ziels, Washington verdrängen zu wollen

Kein gutes Omen für das syrische Volk

Aber die Widersprüche wurden nicht erst beim gemeinsamen Auftritt in der türkischen Hauptstadt deutlich. Vor allem Teheran und Ankara verfolgen diametral entgegen gesetzte Ziele: Der Iran hält mit brutaler Gewalt an Assad fest, die Türkei will ihn hingegen weg haben. Ankaras Dämonisierung der YPG und der Schwur, dieser in Nordsyrien den Garaus zu machen, lassen den Hass auf das Assad-Regime vorläufig in den Hintergrund treten.
Für das syrische Volk bedeutet die Achse Moskau, Teheran, Ankara nichts Gutes. Die mutmaßlich Verbündeten werden sich nicht direkt an die Gurgel gehen. Sie werden das geschundene Land aufgrund widerstreitender Interessen im Unfrieden halten. Zusätzlich wird die iranische Präsenz in Syrien Israel immer mehr in den Konflikt ziehen und die Türkei wird sich einen länderübergreifenden Guerilla-Krieg mit den Kurden liefern. Ziehen die USA aus Syrien ab, droht eine weitere unkalkulierbare Eskalation im Nahen Osten.
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