Roboter-Band Compressorhead

Unmenschlicher Schwermetall

Die Roboter-Punkband "Compressorhead" im September bei einem Liveauftritt in Berlin
Compressorhead bei einem Konzert im September 2017 in Berlin: Echter Metal! © imago stock&people / Rolf Zöllner
Von Martin Petersdorf · 30.11.2017
Bei dieser Truppe ist man geneigt, mit Superlativen um sich zu schmeißen. Möglicherweise handelt es sich sogar um die einzig wahre Metal Band der Welt: Zehn Jahre nach ersten musikalischen Gehversuchen hat die Roboter-Band Compressorhead nun ihr Debüt "Party Machine" veröffentlicht.
Dreieinhalb Tonnen Material, allein der Sänger wiegt 350 Kilo - wenn Compressorhead touren, wird's heavy. Außerdem sollte der Veranstalter immer ein paar Dosen bestes Kriechöl bereithalten, um die Musiker bei Laune zu halten, denn Compressorhead sind eine Metal-Rock-Band im wortwörtlichen Sinn – ein Quintett aus Metall.

Mega Wattson und Hellga Tarr sind neu dabei

Die beiden Neuzugänge der Band heißen Mega Wattson und Hellga Tarr. Er: Sänger mit einem Arm, der leider ab und zu aus dem künstlichen Gelenk rutscht. Sie: Gitarristin mit Silikon-Brüsten und männlichem Stimmorgan. Als Trio und mit einem Repertoire aus Instrumental-Versionen alter Punk- und Metal-Hits spielten Compressorhead vor knapp fünf Jahren ihren ersten gemeinsamen Gig. Jetzt haben sie, mit eigenen Songs und ein bisschen menschlicher Hilfe, den Gang ins Studio gewagt.
"Wir spielen heute die Musik von gestern mit der Technik von morgen, so war mal das Credo."
... sagt der Berliner Markus Kolb, der mit Frank Barnes und Stock Plum die Band Compressorhead in Vollzeit betreibt. Gemeinsam haben sie das Unmögliche in jahrelanger Schweißarbeit - in doppelter Hinsicht - geschafft: Maschinen zu bauen, die, anfänglich aus rein recycelten Materialien zusammengefügt, in der Lage sind, Musik auf echten Instrumenten zu spielen. Und die dazu noch headbangen, in den pneumatischen Knien federn und über die Bühne rollen können.
Denn: These Bots are Made for Rocking!
Die Bandgeschichte: Stickboy, der vierarmig trommelnde Mohikaner und sein Hi-Hat-Sklave Schmitti, wurden 2007 gebaut. Fingers, der Gitarrist mit den 78 Kuppen und der selbstsimmenden Flying V, kam 2009 auf die Welt. Dritter im Bunde wurde 2012 der beidhändig vierfingrige Bassist Bones.
In dieser Besetzung ging's kurz darauf zum ersten gemeinsamen Auftritt nach Australien, wo Compressorhead bei einem großen Festival und auf einer eigens gebauten, hydraulisch versenkbaren Bühne spielten. Es folgten Engagements von Malaysia bis Mailand, zwei weitere Bandkollegen und nun das Debütalbum. Darauf: Compressorheads Version des Hanson-Brother-Song "My Girlfriend's A Robot".

Die Freundin wird einfach auseinandergeschraubt

Mit Georg-Kreißler-haftem Humor wird hier berichtet, wie der betrogene, herzgebrochene Fleischmann seine Roboter-Freundin aus Rache einfach auseinanderschraubt. Aber dies dann später bereut und sie wieder zusammensteckt. John Wright von den Hanson Brothers beziehungsweise der legendären kanadischen Punkband NoMeansNo konnte für das komplette Album von Compressorhead als Mentor, Komponist und Hauptgesangsstimme gewonnen werden.
Seine Songs mussten dann nur noch an den Roboter gebracht werden. Aber was heißt "nur" … Wright erklärt:
"Wir mussten den Robotern die Songs beibringen, in einer Sprache, die auch die Roboter verstehen. Das war MIDI. Alles, was Compressorhead tun, machen sie auf einen Midi-Befehl. Also muss man in das Midi-Signal all die Nuancen hineinlegen, die auch ein menschlicher Musiker auf der Bühne in den Song stecken würde. Mein Job war es, diese Nuancen herauszukitzeln und in ein großes Ganzes zu übertragen."

Hohes spieltechnisches Niveau

Strom, Pressluft und Magnetventile - das spieltechnische Niveau auf das es Compressorhead mittlerweile gebracht haben, ist phänomenal – und es geht stetig weiter. Gerade bereitet sich die Band auf die Tour zum neuen Album vor. Gitarristin Helga Tarr kann jetzt die Anschlagstärke auf den Saiten variieren. Und der stiernackige Mega-Wattson lernt grade, dass man in ein Mikro immer nur vorn hineinsingen sollte.
Man muss diese Band einfach gesehen haben, diese märchenhaften Kreaturen aus Schrott, Stahl und unzähligen Plastikschläuchen. Erstaunlicherweise begeistert ihr Album aber auch rein musikalisch. Hier treffen Kunst und Technik auf Anspruch und Humor. Und es rockt ungemein. Eine wahre "Party Machine".
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