Richard Dawkins: "Die Poesie der Naturwissenschaften"

Ein moderner Darwin blickt zurück

Der Wissenschaftler und Kirchenkritiker Richard Dawkins
Der Wissenschaftler und Kirchenkritiker Richard Dawkins © picture alliance / dpa / Cristobal Garcia
Von Michael Lange · 14.03.2016
Richard Dawkins passte die Evolutionstheorie an die Wissenschaft des 20. Jahrhunderts an. Seine Autobiografie entführt den Leser in die Denkweise des streitbaren Atheisten. Auf eine Abrechnung mit seinen zahlreichen Kritikern verzichtet er aber.
Für die einen ist der Biologe Richard Dawkins der einzig legitime Nachfolger von Charles Darwin, denn er passte die Evolutionstheorie an die Wissenschaft des 20. Jahrhunderts an. Für andere ist er ein gottloser Polemiker, der sich selbst zu wichtig nimmt. Seine Autobiografie illustriert beide Seiten dieser Persönlichkeit mit Anekdoten zum Schmunzeln und Stoff zum Nachdenken.
In England ist Richard Dawkins als Evolutionstheoretiker, Welterklärer und als streitbarer Atheist bekannt. Seine Bücher sind Bestseller, und auch im britischen Fernsehen taucht er immer wieder auf. Kennzeichnend für ihn sind seine klare Sprache und seine ungewöhnlichen Gedanken. Im Alter von fast 75 Jahren blickt er nun zurück, gewährt Einblick in das Leben seiner Eltern und Verwandten, erzählt von seiner Jugendzeit in Afrika, entwirft ein Bild des spätkolonialen Englands mit seiner Klassengesellschaft und erklärt so nebenbei auch noch die Vererbungslehre. Das hat Charme.
Auch dass er in seiner Autobiografie der Versuchung widersteht, seine Lebensgeschichte als klare Linie vom kleinen, neugierigen Jungen zum großen Wissenschaftler zu inszenieren, ist sympathisch. Vielmehr beschreibt er prägende Momente und Alltagsereignisse: Trennung von den Eltern, Ärger mit den Lehrern. Zum streitbaren Wissenschaftler wurde er nicht aufgrund einer inneren Berufung, sondern seiner Liebe zur Natur und den Naturwissenschaften wegen. Während der Beschäftigung mit den genetischen Grundlagen der Evolution geriet er, so Dawkins selbst, fast zwangsläufig in Konflikt mit überzeugten Kreationisten.

Leider fehlt ein roter Faden

Auf eine große Abrechnung mit seinen Gegnern verzichtet Richard Dawkins. Mit Gelassenheit stellt der heute 75-jährige sogar all die Menschen vor, die sich vor Kameras oder privat mit ihm und seinen Theorien kritisch auseinandersetzten. Vielleicht um noch deutlicher zu machen: Von seinen Überzeugungen weicht er trotz aller Kritik nicht ab. Vielmehr liefert er zusätzliche Hintergrundinformationen, Argumente, sogar Zitate und Gedichte, um seine Thesen zu untermauern. Eine schöne Idee. Aber obwohl Naturwissenschaft und Poesie nicht selten auf einer Seite nebeneinander stehen, bleibt eine Verknüpfung der beiden Welten, wie sie Johann Wolfgang von Goethe oder Alexander von Humboldt vorschwebte, hier aus.
Das größte Manko dieser Biographie aber ist: der Ullstein-Verlag hat sie aus zwei auf Englisch erschienenen autobiografischen Schriften zusammengebastelt. Dadurch entsteht eine mit über 700 Seiten umfangreiche Sammlung, der der rote Faden oft leider oft fehlt. Richard Dawkins Kenner wird das weniger stören, da sie auf viele spannende Details stoßen, für alle anderen ist es dann doch sehr ermüdet, sich durch diese Erinnerungen zu arbeiten. Und so ist dies ein Buch für all diejenigen, die ihn ohnehin schon kennen und mögen.

Richard Dawkins: "Die Poesie der Naturwissenschaften"
Übersetzt von Sebastian Vogel
Ullstein Verlag, Berlin 2016
736 Seiten, 38 Euro

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