Respekt, Vertrauen und Wertschätzung am Arbeitsplatz

Patrick D. Cowden im Gespräch mit Gabi Wuttke · 30.09.2013
In "Neustart" plädiert Patrick D. Cowden für eine andere Unternehmenskultur. Es sei Zeit, dass Firmen sich wieder mehr für ihre Mitarbeiter interessieren, so der in Deutschland lebende Amerikaner. Sein Buch ist eine Kampfansage an die Vormachtstellung von Excel, Powerpoint und Interessen der Aktionäre.
Gabi Wuttke: Haben Sie das Gefühl, dass Ihr Chef Sie respektiert, Ihnen vertraut, Sie schätzt und fair behandelt, dass er achtsam ist und tolerant mit Ihren, nun sagen wir mal, persönlichen Kanten umgeht? Herzlichen Glückwunsch! Das sagen nicht viele Menschen über ihren Brötchengeber. Deshalb brauchen wir einen "Neustart", meint Patrick D. Cowden, der lange als Manager in internationalen Konzernen gearbeitet hat und auch mit seinem neuen Buch für eine menschenfreundlichere Unternehmenskultur kämpft. Jetzt ist er zu Gast im Studio, einen schönen guten Morgen!

Patrick Cowden: Guten Morgen!

Wuttke: Sie schreiben, Unternehmensstrukturen seien geprägt vom Geist der kalten Zahlen, vom Optimierungswahn. Ist die Erfindung von Excel-Tabellen und Powerpoint-Präsentationen daran schuld?

" "Dann geht der Mensch ein bisschen in dem ganzen Trubel verloren" "

Cowden: Ja, ich glaube, die Grundlage kommt von viel früher. Kapitalismus und Taylorismus, wie das so schön heißt, hat einfach ein System entstehen lassen, wo es auf Ergebnisse ankommt, wo es auf Profit ankommt und das amerikanische Wort Shareholder-Value. Dieser Druck wird natürlich dann irgendeinen Ausdruck finden, und meistens sind das Zahlen und Excel-Tabellen und Powerpoint-Slides und dann geht der Mensch ein bisschen in dem ganzen Trubel verloren.

Wuttke: Das heißt, seit der Erfindung der Webmaschine ist der Zenit dieses Wahns noch immer nicht erreicht? Es könnte noch weiter nach oben gehen?

Cowden: Ja wenn wir nichts unternehmen, wird es natürlich weiter nach oben gehen, weil dieser Drang nach Optimierung und Ergebnissen hat ja ein bisschen mit dem ökonomischen Prinzip zu tun. Ein Maximum an Profit zu schaffen, heißt auch geringe Kosten. Das geht weiter und das hat man in den letzten fünf Jahren seit der Krise, die jetzt eine Dauerkrise ist, immer mehr gespürt. Und ich glaube, jetzt ist die Zeit, dass wir uns hinstellen und ganz deutlich sagen, dass es so nicht weitergeht und dass wir einen besseren Weg finden können.

""Entweder kapituliert man und gibt auf, oder man findet einen Weg nach vorne""

Wuttke: Dass seit der Lehman-Pleite 2008, Sie haben es gerade gesagt, die Zahl von Menschen, die vom Manager zum Ex-Manager werden so wie Sie, zunimmt, ist das, könnte man es mal so sagen, das Positive dieser Weltfinanzkrise?

Cowden: Ja man kann es auch als erste Indikation sehen, dass diejenigen, die am nächsten zu dieser Situation und zu dieser Macht stehen, dass einige das schon schneller erkennen. Meistens sind es ja Eigenerkenntnisse, die dazu führen, persönliche Situationen im Grenzbereich, wo man einfach merkt, diese 80-Stunden-Woche, die funktioniert nicht mehr, die geht zu Lasten der Familie und der Gesundheit. Wir hatten den Herrn Platzeck ja kürzlich gehabt hier, der auch eine ähnliche Situation erfahren hat in der Politik. Und wenn man das spürt, dann entweder kapituliert man und gibt auf, oder man findet einen Weg nach vorne, der besser ist als das, was man vorher erfahren hat. Das, glaube ich, haben viele Manager oder immer mehr Manager erkannt und versuchen, da den besseren Weg zu gehen.

Wuttke: Noch älter als die Excel-Tabelle ist ja die Corporate Identity, also der Gedanke der Identifizierung der Mitarbeiter mit ihren Unternehmen. Aber das kennen die meisten Mitarbeiter ja nur als Floskel. Die Frage an Sie: Wird dieses Mantra nicht umgesetzt, weil man nicht will, oder weil sich Chefs, Geschäftsführer, Manager selbst als Opfer des Systems begreifen?

Cowden: Es ist tatsächlich so, dass man sehr schnell sich als Opfer fühlen kann, dass man sagt, ich bin machtlos und ich habe keine Möglichkeiten. Aber es ist tatsächlich anders da, wo es funktioniert, da, wo Teams eine tolle Atmosphäre haben und einen Teamgeist haben und Spaß an der Arbeit haben. Da ist meistens auch eine Führungskraft, die diesen Raum schafft, die einfach Vertrauen nutzt und Respekt als Grundlage hat, und das zeigt, dass wir schon anders können. Diese Beispiele sind eher im mittleren Management zu finden, weil je höher man kommt, je schwieriger wird das. Aber die Ausrede, dass wir keine Macht haben, es anders zu machen, die dürfen wir nicht mehr gelten lassen. Wir müssen einfach sagen, wir haben die Verantwortung in der Führung für die Kollegen und wir sollen und müssen diesen Raum schaffen, so dass die Grundlage an Respekt und Vertrauen und Wertschätzung in jedem Augenblick da ist und dass wir in jeglicher Entscheidung genau das immer an erste Stelle setzen.

""Eine Geschäftsbeziehung ist ja eine Beziehung""

Wuttke: Sie sagen, man muss in der Mitarbeiterführung oder man sollte mit Emotionen arbeiten. Was genau meinen Sie damit? Wie können Mitarbeiter motiviert werden und gleichzeitig zum guten des Unternehmens im Gesamtgefüge miteinander arbeiten?

Cowden: An sich, glaube ich, muss man als erstes erkennen, Eine Geschäftsbeziehung ist ja eine Beziehung. Das ist ja eine grundlegende Thematik zwischen zwei und mehreren Menschen. Und wenn man auf Beziehungsebene sich annähert und das als Grundlage benutzt fürs Miteinander, ist das ganz anders, als wenn man die Distanz sucht. Man siezt sich, man hat die Entfernung, man glaubt, man ist was besseres oder schlaueres in der Führung, und das ist gar nicht der Fall. Ich glaube, diese normale menschliche Beziehung und die Emotionen, die damit verbunden sind, das ist die Kraft, die wir suchen. Und wenn man mit Respekt und mit Vertrauen und vor allem mit Wertschätzung behandelt wird, dann entsteht ja auch diese Bindung zueinander, wo die Extrastunde nicht weh tut, wo man, wenn eine Kollegin krank ist, alleinerziehend mit Kindern, dass die anderen einspringen und für sie da sind. Das ist etwas, was wir früher schon mal hatten, aber das im Laufe dieser extremen turbokapitalistischen Zeit irgendwie verloren gegangen ist. Ich glaube, da haben wir die Pflicht, zusammen den Weg wieder dahin zu finden.

""Wenn wir es in Deutschland hinkriegen, dann kriegen wir es überall hin.""

Wuttke: Im Deutschen sagt man, das was Sie da vor haben heißt, ein sehr, sehr dickes Brett zu bohren. Das ist eine Vision, die Sie haben. Glauben Sie, wir beide werden noch erleben, dass sich die Unternehmenskultur tatsächlich so ändert, wie Sie es sich zusammen mit anderen Mitstreitern wünschen?

Cowden: Ich bin da absolut sicher, dass es kommen wird. Es muss ja auch. Meine Töchter sind 10 und 14. Ich möchte, wenn sie in das Berufsleben einsteigen, dass sie diese Grundlage immer haben und es für selbstverständlich nehmen, und dass später meine Enkelkinder sagen, Opa, wovon redest du? Das kennen wir gar nicht. Deshalb habe ich ja vor sechs Jahren angefangen, weil ich gesagt habe, wenn ich jetzt warte, bis die Generationswechsel kommen und das irgendwie, vielleicht, möglicherweise von alleine passiert, dann ist das Risiko da, dass meine Kinder nicht in dieses bessere Umfeld kommen, und deshalb haben wir damit begonnen. Und je mehr wir es tun, je mehr spüren wir das Potenzial und immer mehr Mitstreiter, die einfach kommen und sagen, ja, Patrick, du hast recht, wir sind dabei. Aus dem Grund glaube ich, mit jedem Schritt, mit dieser Maßnahme, die positiv funktioniert, kommen wir dem Ziel näher, und ein amerikanischer Professor hatte mir mal gesagt: "Patrick, ich finde dein Vorhaben ganz toll, Emotionen und Leidenschaft und diese Sachen zu aktivieren, aber warum hast du dir das schwierigste Land auf dieser Erde dafür ausgesucht?" Und ich antwortete Dan Goldman damals: "Dan, well, you know, wenn wir es in Deutschland hinkriegen, dann kriegen wir es überall hin."

Wuttke: Lektüre für das mittlere und obere Management in Unternehmen und Konzernen, das ist Patrick D. Cowden und sein neues Buch "'Neustart'. Das Ende der Wirtschaft, wie wir sie kennen." Ab jetzt zählt der Mensch! Das Buch erscheint heute und Ihnen vielen Dank!

Cowden: Danke, Gabi.


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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