Reittherapie

Mit Pferd statt Psychotherapeut

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Christiane Schwagrzina mit ihrem Ausbilder Monty Roberts in Californien © Christiane Schwagrzina
Von Caroline Kuban · 16.10.2016
Christiane Schwagrzina nennt sich selbst "die Pferdefrau". Sie hat persönliche Krisen mithilfe von Pferden überstanden und gibt ihr Wissen mittlerweile als Therapeutin weiter. Die Klienten lernen etwa, was sie alleine durch entschlossenes Auftreten erreichen können.
In dunkelblauem Steppmantel und Reitstiefeln, in den Händen eine zusammengerollte Longe, steht Christiane Schwagrzina in der Mitte der Koppel und treibt ihr frei laufendes Pferd im Kreis um sich herum. Richtungswechsel und Gangart dirigiert sie dabei ausschließlich durch Körpersprache und Augenkontakt. Ein fester Blick, Körperspannung oder ein Luftschlag mit der Longe erhöht den Druck, ein Senken des Kopfes, entspanntes Stehen und Ausatmen nimmt ihn wieder raus.
"Ich nehme den Rang der Leitstute an und kläre das mit dem Pferd im freien Lauf, in der Bodenarbeit, wer von uns beiden führt und wer folgt. Und wenn aus Pferdesicht klar ist, dass ich führe und das Pferd folgt, dann fühlt sich das Pferd sicher und geschützt. Da muss ich einfach ganz klar sein, ganz konsequent sein, dann mag mich das Pferd. Nicht, weil ich lieb bin, sondern weil ich klar bin."
Genau diese Klarheit gilt es zu entwickeln. Durch die Arbeit mit Pferden lernen die Klienten: Es kommt nicht darauf an, was ich fühle, ob ich Ängste habe oder Unsicherheiten, sondern es kommt darauf an, wie ich mich verhalte. Das Pferd akzeptiert mich auch mit meinen Unsicherheiten, so lange ich es klar dirigiere.

Das Pferd mit Blick und Körpersprache dirigieren

Ann-Marie Steiger steht auf der Koppel und hört konzentriert auf Christianes Anweisungen. Seit etwa drei Jahren kommt die Mitarbeiterin des Familiengerichts regelmäßig auf den Hof. Anfangs mit ihrer Tochter. Bis sich herausstellte, dass die Mutter diejenige ist, die den größeren Spaß hat im Umgang mit Pferden und viel lernen will. Jetzt lässt sie sich sogar zur Pferde-Therapeutin ausbilden. Viel hat sich verändert bei ihr, sagt Ann-Marie.
"Der Riesenunterschied ist, dass es hier nicht problemzentriert ist, sondern kompetenzzentriert. Es geht um Stärke und nicht um Schwäche. Das ist schon anders, als wenn man in eine Psychotherapie geht, und wenn das irgendwann nicht mehr reicht, kann man es auch so probieren."
Das erste Aha-Erlebnis haben die Klienten nach dem sogenannten "Join up" mit den Pferden. Wenn es darum geht, Kontakt mit den Tieren aufzunehmen und die Hierarchie zu klären. Sie merken, dass sie nicht unterlegen, sondern überlegen sind, und zwar nicht durch physische Kraft, sondern allein durch den Entschluss, sagt Christiane Schwagrzina.
"Ich kann das, und ich tu jetzt das, was Christiane sagt, unabhängig davon, wie's mir dabei geht und erlebe dann: 'Wow, ich kann ein 500 Kilo-Tier dirigieren, nur durch Blickkontakt oder indem ich leicht die rechte Schulter anhebe.' Und das ist oftmals so ein starkes Bild und so eine fundamentale Erfahrung der eigenen Selbstwirksamkeit, dass dazu eben führt, dass die Klienten auch in anderen für sie schwierigen Situationen sich daran erinnern können an dieses Bild, dass auch andere schwierige Situationen leichter bewältigt werden können."

"Pferde sind immer im Moment"

Die nächste Stufe nach der Kontaktaufnahme und Klärung der Hierarchie ist dann das Reiten selbst. Zunächst führt Christiane Schwagrzina das Pferd am Zügel, der Klient sitzt oben. So lässt es sich besser reden, sagt die Pferdefrau.
"Ich bin abgewandt, der Klient ist völlig frei auf dem Pferd, wird getragen, kann das ganze Drumherum auch genießen, hat diese Wärme, das Geschaukeltwerden von dem Pferd und dadurch einfach viel mehr Raum, sich auch zu öffnen."
Achtsamkeit, Selbstverantwortung und Vertrauen. Das sind die drei Säulen der von ihr entwickelten ASV-Reittherapie. Nach dem Vorbild von Monty Roberts, einem Pferdeflüsterer aus Kalifornien, von dem sie sich ausbilden ließ. Pferde haben ihr geholfen, schwere persönliche und berufliche Krisen zu überwinden und an Schwierigkeiten zu wachsen. Durch sie hat sie auch gelernt, bewusst und zufrieden im Moment zu leben.
"Pferde sind immer im Moment, sind immer bewusst und nicht beschäftigt mit dem, was morgen kommt oder was gestern war. Die reagieren immer nur auf diesen Moment und sorgen da auch gut für sich, passen gut auf sich auf, setzen ihre Bedürfnisse durch. Sie sind immer sehr präsent, und das ist es auch, was ich weitervermitteln will an meine Klienten.
Über das Leben im Moment hat Thomas Wheeler mit Christiane Schwagrzinna gesprochen.
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