Regisseurin Rawda al-Thani

"Wir sind eine Nation, die gerne ins Kino geht"

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"Made-in-Qatar"-Preisträgerin Rawda al-Thani © Susanne Burg - Deutschlandradio
Rawda al-Thani im Gespräch mit Susanne Burg · 09.12.2017
Rawda al-Thanidie hat beim Ajyal Youth Film Festival den Hauptpreis in der Sektion "Made in Qatar" gewonnen. Das Festival sei unglaublich wichtig, weil es der einzige Ort ist, der Filme aus Katar so geballt zeigt, erzählt die katarische Regisseurin.
Susanne Burg: Ein besonders großes Talent ist Rawda al-Thani. Sie hat letztendlich auch den Hauptpreis in der Sektion "Made in Qatar" gewonnen. Ihr sehr poetischer Spielfilm "I have Been Watching You all Along", der völlig ohne Worte auskommt, zeigt eine junge Frau, die in ein verlassenes Kino in Doha geht und es ausgiebig erkundet. Ich habe Rawda al-Thani vor der Premiere getroffen, auf einer Bank im Freien in der Katara Cultural Village, dort, wo das Festival stattfindet, und habe sie darauf angesprochen, dass die Protagonistin auch ins Archiv geht und sich die Filmrollen im Regal ansieht. Darunter auch ein Film mit dem Titel "Frauen in der Stadt". Was für Filme das sind, wollte ich wissen.
Rawda al-Thani: Es sind ägyptische Filme. Ich kenne sie nicht so gut, aber für die ältere Generation in Katar war das die wichtigste Filmquelle. Und als ich in das Archiv gegangen bin, gab es da verschiedene Regale, eines war für arabische Filme. Und ich war wirklich neugierig, welche Filme sie hier mal gezeigt haben. Ich wollte die richtigen Titel aussuchen, um daraus ein Gedicht und eine Geschichte zu machen. Es sollte keine große Geschichte geben in meinem Film, dafür aber viele kleine Geschichten. Einer der Filmtitel war eben "Frauen in der Stadt" und es spiegelt ein bisschen meinen Film wider. Es ging um eine Frau in einem verlassenen Kino in Katar.
Susanne Burg: Das Kino, in dem Sie gedreht haben, war auch ein echtes Kino. Was wissen Sie über seine Geschichte und wann es geschlossen wurde?

"Die Inspiration für meinen Film"

Rawda al-Thani: Ich sage Ihnen, was ich weiß. Es ist 1973 gebaut worden als eines der ersten Kinos in Katar. Der Entwurf stammte von einem berühmten irakischen Architekten. Vor fünf oder sechs Jahren haben sie dann den Betrieb eingestellt, weil das Gebäude nicht mehr sicher war und die Leute lieber in die Kinos in den Einkaufszentren gegangen sind. Es gibt immer noch Arbeiter in dem Kino, weil eine Firma von hier aus andere Kinos in Katar betreibt. Sie sitzt im zweiten Stock. Und ich habe das erst herausgefunden, als ich selbst das Kino erkundet habe. Ich erinnere mich an das Kino noch aus meiner Kindheit. Ich empfand es immer als einen geheimnisvollen, fast unwirklichen Ort. Das war auch die Inspiration für meinen Film.
Susanne Burg: Ihre Hauptfigur läuft ja auch durch das Kino und es wirkt fast surreal. Man weiß nie, was Realität ist und was nicht. Und es gibt ständig Männer, die sie beobachten. Was tun die da?
Rawda al-Thani: Es ist ein bisschen so, wie ich das Kino erlebt habe, als ich dort war. Ich wusste, dass es verlassen ist. Aber überall schlichen diese Männer rum. Die haben da gearbeitet oder waren Sicherheitspersonal. Und sie haben mir einige Türen geöffnet. Und das sollte auch ein bisschen die andere Ebene in meinem Film sein: wer beobachtet hier wen? Und wen beobachtet der Zuschauer? Ich fand es interessant, das in einem Kino zu untersuchen, wo man ja selber auch zum Zuschauen hinkommt. Willkommen in Doha. So klingen die vielen Baustellen hier.
Susanne Burg: Ja, man kann den Sound hier wohl nicht vermeiden. Sie haben erzählt, dass es viele ägyptische Filme im Kino gab. Ägypten ist eine Nation mit einer langen Filmgeschichte. Katars Geschichte ist sehr jung, was eine Filmindustrie angeht. Wie gerne gehen Katarer denn ins Kino?

"Bis vor zehn Jahren existierte hier keine Filmindustrie"

Rawda al-Thani: Wir sind eine Nation, die gerne ins Kino geht, aber nicht so sehr Filme macht. Bis vor zehn Jahren existierte hier keine Filmindustrie. Es gibt nur 300.000 Katarer im Land, das sind zehn Prozent der Bevölkerung. Viele Menschen aus anderen Ländern kamen und kommen hierher, um zu arbeiten. Auch in der Medienbranche, da gab es nur wenige Katarer. Das hat sich geändert, auch seit der Eröffnung verschiedener amerikanischer Universitäten in Katar. An einer dieser Unis habe ich studiert und da gibt's einen Studiengang, der sich auf Medien und Journalismus spezialisiert hat. Und das hat sehr unsere Wahrnehmung von Medien im Land geändert.
Susanne Burg: Was hat Sie denn dazu gebracht, Filmemacherin zu werden?
Rawda al-Thani: Mich hat die kreative Seite am Film interessiert. Ich habe früher viel Kunst gemacht. Und finde Kunst toll, die ohne viele Worte auskommt, aber im Kopf der Betrachter zu einem Gedicht wird. Ich habe am Anfang Fotografie studiert und bin von dort aus zum Film gewechselt.
Susanne Burg: Es gibt in Europa und Amerika eine große Diskussion über Geschlechtergerechtigkeit im Film. Wie beobachten Sie die Diskussion? Hier scheint es viele Filmemacherinnen zu geben.
Rawda al-Thani: Ich glaube, der Film hat eine sehr lange Geschichte im Westen. Und wurde groß, als Männer die Arbeitswelt dominiert haben. Als Film bei uns beliebt wurde, haben Frauen schon eine viel größere Rolle in der Arbeitswelt gespielt. Das gibt uns jetzt einfach mehr Möglichkeiten.
Susanne Burg: Wie wichtig ist die Sektion "Made in Qatar" in dieser Hinsicht?
Rawda al-Thani: Es ist unglaublich wichtig für uns, weil es der einzige Ort ist, der Filme aus Katar so geballt zeigt. Wir können uns mit anderen Filmemachern unterhalten. Und das Publikum ist sehr vielfältig. Und es ist interessant zu sehen, wie es reagiert. Weil das die Leute sind, die wir ja auch erreichen wollen.
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