Regierungswechsel in Dänemark "war einfach angesagt"

Lykke Friis im Gespräch mit Jörg Degenhardt · 16.09.2011
Die dänische Klima- und Energieministerin Lykke Friis muss ihren Posten räumen, denn die Opposition von links hat die Wahl gewonnen. Die rechtsliberale Politikerin macht dafür die Wechselstimmung nach zehn Jahren einer Mitte-Rechts-Regierung verantwortlich.
Jörg Degenhardt: Dänemark hat gewählt, eine Abstimmung, die auch außerhalb des Landes große Aufmerksamkeit fand. Kopenhagen hatte bekanntlich im Juli die Zollkontrollen an den Grenzen zu Deutschland und Schweden wieder aufgenommen, ein Zugeständnis der alten Regierung an die rechtspopulistische Volkspartei. Ein Zugeständnis, das bei den europäischen Nachbarn für Ärger sorgte. Jetzt verschiebt sich das Kräfteverhältnis: Die liberal-konservative Minderheitsregierung von Ministerpräsident Rasmussen hat die Wahl verloren. Dänemark könnte mit der sozialdemokratischen Spitzenkandidatin Helle Thorning-Schmidt erstmals eine Frau als Regierungschefin bekommen.

Meine Gesprächspartnerin ist noch Ministerin der amtierenden Regierung. Lykke Friis ist dänische Klima- und Energieministerin der "Venstre", der rechtsliberalen Partei, die immerhin die meisten Stimmen bekommen hat, aber trotzdem nicht weiterregieren kann. Guten Morgen, Frau Friis!

Lykke Friis: Ja guten Morgen.

Degenhardt: Gewonnen, aber doch verloren. Wie groß ist Ihre Enttäuschung?

Friis: Die ist schon groß, aber man muss sagen, das ist ja so ungefähr wie damals, als Helmut Kohl die Wahl verloren hat. Die Wende war einfach angesagt. Das hat man also auch im Wahlkampf gemerkt, dass die Leute gesagt haben, jetzt versuchen wir es mal mit einer anderen Mannschaft. Und da muss man sagen, jetzt kriegen wir die erste Bundeskanzlerin sozusagen, aber es werden auch in der Regierung ganz schwierige Koalitionsverhandlungen, weil das ist ein Spagat, was die neue Bundeskanzlerin da durchführen muss.

Degenhardt: Die Rolle der rechtspopulistischen dänischen Volkspartei, die leicht verloren hat, als Mehrheitsbeschafferin für Rasmussens Minderheitsregierung, die hat sich jetzt mit dieser Wahl erledigt. War es insgesamt ein Fehler, dieser Partei so viel Bedeutung zu geben?

Friis: Ich würde sagen, die Zollkontrollen haben also nicht eine Rolle gespielt im Wahlkampf eigentlich. Ich meine, das war die Finanzlage und vor allem, wie kommen wir durch die finanzielle Krise durch, wie sollen wir das regeln. Das war die große Frage. Klar: ich meine, Integrationspolitik hat auch eine Rolle gespielt, und da muss man sagen ja, insbesondere, dass die sozialliberale Partei, die sogenannte radikale Venstre, dass die so eine gute Wahl bekommen haben, das hängt ganz sicher damit zusammen, dass viele Wähler gesagt haben, jetzt wollen wir auch eine andere Integrationspolitik haben. Aber dazu muss man halt dann sagen, die Sozialdemokraten, die haben ja gesagt, nein, wir wollen die Integrationspolitik eigentlich fortsetzen, mit verschiedenen Veränderungen, aber nicht ganz radikal eine andere Integrationspolitik durchführen.

Und das wird jetzt die ganz, ganz große Herausforderung für die neue Regierung, der man natürlich erst mal herzlichen Glückwunsch sagen muss, aber danach müssen sie ja nun regieren, weil die Sozialdemokratie, die müssen jetzt also mit der sozialistischen Volkspartei zusammen regieren, und dann weiter nach links, die sogenannte Einheitsliste, aber dann wieder nach ganz zur Mitte herüber mit den Sozialliberalen, also der radikalen "Venstre", und das wird ein Spagat.

Degenhardt: Hat sich Ihre Partei vielleicht zu sehr auf dem ausgeruht, was erreicht worden ist? Es gab ja Haushaltsüberschüsse vor Jahren, die sind jetzt alle aufgebraucht, die sind alle weg. Hat man sich vielleicht auch zu sehr abgeschottet?

Friis: Ich meine, wir haben ja versucht, die finanzielle Lage so gut zu regeln wie überhaupt möglich. Aber man muss halt sagen, nach zehn Jahren ist es ja auch so – das sieht man ja in Deutschland, hat man auch in Großbritannien gesehen -, da kommt dann die Haltung bei der Bevölkerung, versuchen wir es halt mit einer anderen Mannschaft. Deshalb war halt auch eine Wendestimmung im Land, das muss man sagen. Aber es ist natürlich für mich persönlich, muss ich sagen, auch überraschend, dass wir dann so gut abgeschnitten haben als Venstre, die führende Regierungspartei, wobei die Konservativen, also die CDU, um das jetzt auf deutsch zu übersetzen, die haben eine ganz, ganz schlechte Wahl gehabt und die sind jetzt die kleinste Partei im Parlament, und das wird natürlich jetzt auch ein harter Brocken dann sein für die Konservativen.

Degenhardt: Sie sehen den Ausgang der Wahlen relativ gelassen, entnehme ich jedenfalls Ihren Worten. Ich will nur mal nachfragen, Stichwort abgeschottet. Wie europäisch ist Dänemark noch? Und um gleich eins draufzusetzen: Was glauben Sie, werden diese Zollkontrollen, die ja die europäischen Nachbarn doch etwas irritiert haben, beibehalten werden?

Friis: Da denke ich, dass die neue Regierung das ändern wird. Aber wie, das muss man natürlich abwarten. Aber das war jedenfalls die Haltung, als die in der Opposition waren. Ich würde sagen, dann wird die ganz, ganz große Aufgabe für die neue Regierung sein, das ist natürlich der EU-Vorsitz, wo Dänemark ja den EU-Vorsitz hat jetzt am 1. Januar 2012. Und danach, dann wird man natürlich dann auch schauen, wann wir dann wieder in Dänemark eine Volksabstimmung abhalten können zu den verschiedenen EU-Vorbehalten, zum Beispiel zum Euro. Aber das, glaube ich, darüber macht sich die neue Ministerpräsidentin nicht die ganz großen Gedanken heute Morgen. Da denkt sie erst mal darüber nach, wie kann man jetzt, wie kommen wir durch die Koalitionsverhandlungen durch.

Degenhardt: Wie sehen Sie überhaupt, Frau Friis, das Verhältnis zu Berlin? Ist die deutsch-dänische Freundschaft etwas, was noch jeden Regierungswechsel überdauert?

Friis: Aber ganz sicher! Ich meine, das war bei Lars Lokke Rasmussen der Fall und das wird jetzt auch bei Helle Thorning-Schmidt der Fall sein, ganz sicher. Ich meine, jede Regierung schaut erst mal nach Berlin und versucht, da jetzt auch ein ganz gutes Verhältnis aufzubauen. Da sehe ich überhaupt keine Veränderungen.

Degenhardt: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch. – Das war Lykke Friis. Sie ist noch die dänische Klima- und Energieministerin von der "Venstre"-Partei. Das ist die rechtsliberale Partei, die zwar die Wahl gestern in Dänemark gewonnen hat als stärkste Partei, aber mangels Koalitionspartner in die Opposition muss. Vielen Dank wie gesagt für das Gespräch und Ihnen alles Gute.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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