Regenerative Energien und ökologischer Gebäudebetrieb

    Von Wolf-Sören Treusch · 28.04.2011
    Was kaum jemand weiß: der Deutsche Bundestag hat ökologische Vorbildfunktion. Um das zu verstehen, muss man 14 Jahre zurückblicken, in das Jahr 1997. Damals unterzeichneten die führenden Industrienationen der Welt, also auch Deutschland, das so genannte Kyoto-Protokoll.
    Darin wurden erstmals völkerrechtlich verbindliche Zielwerte für die Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen festgelegt. Zur gleichen Zeit bereitete die Bundesregierung den Umzug des Parlaments von Bonn nach Berlin vor.

    Also dachten sich die Verantwortlichen: Gehen wir mit gutem Beispiel voran und machen aus dem Bundestag einen ökologischen Musterbetrieb. Seither produziert der Bundestag den Strom, den er benötigt, weitgehend selbst: für Heizung und Klimaanlage komplett, für den restlichen Betrieb wird etwa die Hälfte der benötigten Energie von außen dazu gekauft.

    Gewitterregen über Berlin. Die Besucher der riesigen Reichstagskuppel sind geschützt. Doch wer dorthin geflüchtet ist, kann die Solarzellen am Rande der Dachterrasse nicht entdecken.

    Joachim Metz: "Das ist also die Photovoltaik auf der Westseite, und die produziert hier, wenn die Sonne gut scheint, viel Strom, und wenn sie weniger gut scheint, etwas weniger Strom."

    Joachim Metz, Betriebsingenieur der Bundestagsverwaltung.

    "Das sind ungefähr 4000 Quadratmeter Photovoltaikfläche: je nach Sonnen-Intensität können wir im Jahr 200 Megawattstunden Strom über die Photovoltaik-Anlagen des Bundestages produzieren."

    Die Sonnenenergie ist einer der Stromproduzenten des Deutschen Bundestages. Unten im Keller, unter einem der Türme des Reichstags geht es weiter.

    Joachim Metz: "Das ist die Energiezentrale aus dem Reichtagsgebäude, und wir haben in jedem Gebäude eine Energiezentrale."

    Jeweils vier Dieselmotoren erzeugen hier Strom. Betrieben werden sie mit Biodiesel, auf der Basis von Rapsöl. Dafür mussten einige Bauteile extra umgerüstet werden. Wie viele Motoren gleichzeitig eingesetzt werden, richtet sich nach dem Strombedarf des Hauses.

    Joachim Metz: "Die Faszination besteht vor allem darin, dass es 1995 ein solitäres Konzept gewesen ist, wo man mit hoher ökologischer Vorbildwirkung zeigen wollte, dass man sehr energieeffizient, trotzdem mit sehr hoher Verfügbarkeit die Energie zur Verfügung stellen kann, die für ein Parlament erforderlich ist."

    Dezentralität ist oberstes Gebot. Der Parlamentsbetrieb ist weitgehend unabhängig von Störungen im System.

    Joachim Metz: "Nebenbei fällt in gleicher Größenordnung wie Strom produziert wird auch thermische Energie an, Wärme, und diese Wärme wird im Winter direkt zur Gebäudebeheizung genutzt, und im Sommer kann sie über Absorptionskältemaschinen in Kälte umgewandelt werden, und in Zeiten, wo keine Wärme benötigt wird, weder zur Kälteproduktion noch zur Beheizung der Gebäude, kann diese Wärme dann in unterirdische Speicher transportiert werden und dann bei Bedarf wieder raus gefördert werden zur Nachnutzung."

    Das ist der Clou des ökologischen Energiekonzepts im Deutschen Bundestag. Die Wärme aus den Motoren und ihren Abgasen geht nicht verloren. Heizung und Klimaanlage werden darüber betrieben. Überschüssige Wärme wird in 300 Meter Tiefe in den porösen Gesteinsschichten des Tiergartens gespeichert.

    Wenn man sie braucht, pumpt man sie nach oben. Genauso verhält es sich mit der Umweltkälte im Winter. Im Frühsommer wird sie wieder hoch gepumpt. Natürlich Computer gesteuert, dennoch legt Norbert Müller in der Energieleitzentrale auch selbst Hand an.

    Norbert Müller: "Wenn wir sehen, dass die Austrittstemperatur aus dem Brunnen nicht mehr ausreicht, dann schalten wir eben händisch die Absorptionskältemaschine dazu, je nachdem: wenn es sehr warm ist, brauchen wir eben auch mehr Kälte, und dann wird die dazu geschaltet, um die gewünschte Austrittstemperatur von 6 Grad zu erreichen."

    Joachim Metz: "”Und man kann durch die Vielzahl der Einzelerzeugeranlagen in den einzelnen Häusern auch sehr effektiv die Erzeuger so zuschalten, dass sie immer am optimalen Betriebspunkt arbeiten und dann eine Verteilung über den Technikverbund so vornehmen, dass in allen Häusern die Energieversorgung gewährleistet werden kann.""

    Im Vorfeld des Weltklimagipfels 2009 in Kopenhagen veröffentlichte "Bild online" eine Serie mit Fotos zur Öko-Architektur, Titel: "Diese Gebäude könnten die Welt retten." Eines der Fotos zeigte den Reichstag. Dennoch wird das Energiekonzept des Deutschen Bundestages einmalig bleiben: es ist zu kostspielig. Wollte man es andernorts übertragen, müsste man allein in die Probebohrungen für die unterirdischen Kalt- und Warmwasserspeicher sehr viel Geld investieren.