Reformationsjahr

Luthers Lieder in jazzig

Der Jazzpianist Ekkehard Wölk
Der Jazzpianist Ekkehard Wölk © Foto: Maria Lang / Deutschlandradio
Ekkehard Wölk im Gespräch mit Martin Böttcher · 10.02.2017
Rund 45 Lieder hat Martin Luther geschrieben. Im Reformationsjahr hat sich der Pianist Ekkekard Wölk mit diesen Stücken beschäftigt und Jazz-Varianten daraus gemacht. Jetzt bringt er die Stücke auf die Bühne.
Martin Böttcher: 500 Jahre Reformation – diese Worte werden Sie bei uns 2017 noch öfter hören. Im Mai 1517 schlug Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg. Und in diesem Jubiläumsjahr gibt es jede Menge Extraveranstaltungen, auch solche, bei denen Musik eine Rolle spielt, zum Beispiel morgen Abend in Berlin in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem nähert sich ein Jazz-Ensemble den Liedern und Chorälen, die Martin Luther einst komponierte oder persönlich umtextete. Deutschlandradio Kultur wird dieses Konzert namens "Lutheriana in Jazz" morgen Abend mitschneiden, und der Initiator des Ganzen ist nun zu Gast im Studio, der Pianist Ekkehard Wölk. Guten Tag!
Ekkehard Wölk: Guten Tag!
Böttcher: Sind Sie ein religiöser Mensch?
Wölk: Das hatte ich mir schon gedacht, dass Sie das fragen. Nicht im strengeren Sinne, aber ich bin natürlich jetzt von der Herkunft her protestantisch, weil ich aus Norddeutschland komme und durch das Studium der klassischen Musik immer wieder natürlich mit der Musik von Johann-Sebastian Bach in Berührung gekommen bin, und das ist vermutlich dann auch der Ausgangspunkt sozusagen für dieses spezielle Jazz-Programm, weil ich auch schon früher, auf einer meiner ersten CDs, "Songs, Chorals and Dances" besonders Bach-Choräle benutzt habe, für Improvisationen, wie man es ja auch von früheren Jazz-Pianisten kennt.

"Das sind sehr vertraute Melodien"

Böttcher: Wie ist denn das mit Ihnen und Martin Luther? Wann haben Sie irgendwie gedacht, diese Musik von Martin Luther verdient es, dass man sich auch aus Jazz-Sicht damit noch mal näher beschäftigt?
Wölk: Die Idee zu diesem Arrangement-Zyklus kam eigentlich nicht von mir, sondern von meinem Bassisten Johann Hendrich vor zwei Jahren, und wir haben daran sehr lange herumgefeilt, in welcher Besetzung das sein soll, ob es im reinen Klaviertrio sein soll oder eben unter Einbeziehung anderer Instrumente, und haben uns dann für diese Besetzung morgen entschieden, also auch mit Blasinstrumenten und Cello.
Böttcher: Ein richtiges Jazz-Ensemble also. Was reizt Sie denn an Luther?
Wölk: Das sind ja sehr vertraute Melodien, die sozusagen zum kulturellen Kanon gehören, egal welcher Konfession man angehört. Und Luther hat eben ab 1523, um genau zu sein, also seine ersten Gesangslieder für den Gottesdienst komponiert, die dann wiederum als Grundlage gedient haben für unzählige Bearbeitungen. Also auch über Heinrich Schütz, den wir auch im Programm haben, Johann-Sebastian Bach, dessen Kantaten auch häufig Luther-Choräle als Cantus Firmus benutzen. Und das hat mich gereizt, also diese kulturelle Grundkomponente sozusagen musikalisch nochmal zu reflektieren. Mit Hilfe von Jazz-Improvisation auch, aber auch Arrangements.
Böttcher: Luther hat ja um die 40 Lieder verfasst, 45 sollen es, glaube ich, sein, zum Teil auch komponiert. Viele Kirchenlieder aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt. Herr Wölk, es gibt den Begriff "Spiritual Jazz", der seit den Sechzigern mit ganz verschiedenen Einflüssen gefüllt wird, und auch vorher natürlich schon spirituelle Musik. Gab es da Inspirationsquellen für Sie auch?
Wölk: Natürlich denke ich da auch in erster Linie, wenn ich mich da im Jazz-Idiom einer solchen Sache nähere wie protestantischen Chorälen, natürlich auch besonders an die Musik von John Coltrane und ähnlichen Heroen der Jazz-Geschichte der 60er-Jahre. Und das finde ich eigentlich gerade reizvoll sozusagen, ohne die Texte und nur durch die musikalische Struktur sozusagen spirituelle musikalische Dinge zu verbinden, die eigentlich nicht direkt zusammengehören.
Böttcher: Gerade Coltrane hat ja damals verschiedene Dinge auch unter einen Hut gebracht. Das war ja nicht nur christlicher Glaube, sondern auch islamische Glaubensvorstellungen. Philosophien haben eine Rolle gespielt, Zen und Afrozentrismus und all diese Dinge. Sie gehen aber an Luther relativ, sage ich mal, christlich heran?

"Durchaus auch ein paar Freejazz-Anklänge"

Wölk: Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann. Ich gehe vor allen Dingen musikalisch ran durch klassische Bearbeitungsmethoden wie Reharmonisationen oder spezielle Rhythmisierungen oder bestimmte instrumentale Klangfarben, die man da nicht so erwarten würde sozusagen. Aber schon recht jazzig.
Böttcher: Das Konzert morgen findet an einem historischen Ort statt. Die Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem hat eine lange Geschichte als Aufnahme- und Produktionsort. Viele namhafte Orchester wie zum Beispiel die Berliner Philharmoniker haben dort schon gespielt, viele Solisten vor allem aus der Klassik. Was haben Sie selbst für eine Verbindung zu diesem Ort? Haben Sie dort schon mal gespielt? Finden Sie die Akustik besonders reizvoll?
Wölk: Ja, ich freue mich wirklich ganz besonders, dass wir dieses Konzert dort machen können unter eher klassischen Umständen. Ich habe tatsächlich mal vor 25 Jahren mein allererstes kleines Konzert in Berlin gespielt, als ich noch gar nicht hier wohnte. Und ich dachte mir, wenn sich die Jesus-Christus-Kirche eben auf ein Jazz-Programm einlässt, dann sollten wir das da machen, weil eben auch bei der Thematik, wo auch Stücke von Schütz, Bach, Luther, Johann Walter erklingen, eben auch so eine gewisse klassische Atmosphäre durchaus statthaft ist. Und natürlich ist der Ruf der Akustik auch ausgezeichnet.
Böttcher: Was glauben Sie, würde Luther seine Lieder in der Jazz-Fassung morgen wiedererkennen?
Wölk: Teilweise ja, teilweise vielleicht weniger. In einigen Stücken ist die Struktur der Liedform sehr klar erkennbar, in anderen gibt es auch durchaus mal so ein paar Freejazz-Anklänge, so viel will ich verraten.
Böttcher: Der Pianist Ekkehard Wölk hier in der "Tonart". Vielen Dank für den Besuch. Und morgen Abend also das Konzert "Lutheriana in Jazz" in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem. Und später dann der Mitschnitt, auch hier im Deutschlandradio Kultur. Danke schön!
Wölk: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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