Reform der Deutschen Welle

"Die Vielsprachigkeit ist ein Alleinstellungsmerkmal"

Das Logo des Auslandssenders Deutsche Welle
Deutsche Welle ohne Deutsch? Der Auslandssender soll umstrukturiert werden (hier die argentinische Journalistin Maricel Drazer in einem Studio). © afp / John MacDougall
Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin der Grünen im Gespräch mit Liane von Billerbeck  · 17.12.2014
Die Deutsche Welle will ihr englischsprachiges Programm ausbauen. Im Gegenzug sollen deutsche, spanische und arabische Programme gekürzt werden, falls der Bundestag den Etat nicht erhöht. Für die grüne Medienpolitikerin Tabea Rößner der falsche Weg.
Die medienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Grüne, Tabea Rößner, hält wenig von der geplanten Neuausrichtung der Deutschen Welle mit einem englischsprachigen Newskanal. Sie habe "große Zweifel", ob die Deutsche Welle tatsächlich ihre Reichweite erhöhen könne, indem sie in Konkurrenz zu Sendern wie der BBC oder CNN trete, sagte die Grünen-Politikerin. Der Auslandssender solle lieber auf sein Alleinstellungsmerkmal "Vielsprachigkeit" setzen und seine Rolle als demokratische Stimme in unfreien Medienmärkten.

Das Interview im Wortlaut:
von Billerbeck: Die Deutsche Welle ist der deutsche Auslandssender, öffentlich-rechtlich und aus Steuermitteln des Bundes finanziert, mit 3.000 Mitarbeiterinnen aus 60 Nationen, die ein Deutschlandbild in immerhin 30 Sprachen vermitteln. Manche davon erreichen Regionen, in denen es mit der Demokratie nicht sehr weit her ist. Doch die Deutsche Welle hat zu wenig Geld, und das fehlt ihr seit Jahren.
Nun plant der Intendant eine Reform, und die könnte am Ende bedeuten, dass die Deutsche Welle nicht mehr Deutsch spricht und sendet. Damit hat er jedenfalls gedroht, sollte der Bundestag den Etat nicht aufstocken. Darüber wollen wir jetzt mit Tabea Rößner sprechen. Sie sitzt für Bündnis90/Die Grünen als medienpolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Bundestag, und zwar im Ausschuss für Kultur und Medien, wo es ja um die Aufgabe der Deutschen Welle in den kommenden drei Jahren bis 2017 gehen soll. Frau Rößner, guten Morgen!
Tabea Rößner: Ja, einen schönen guten Morgen!
BBC World und CNN Konkurrenz machen?
von Billerbeck: Der Auslandssender heißt Deutsche Welle, richtig, aber wenn man denn in englischer Sprache mehr erreichen kann, was bitte ist daran falsch?
Rößner: Ich frage mich, ob man tatsächlich eine größere Reichweite bekommt und mehr Menschen erreicht, wenn man jetzt sich auf einen englischsprachigen Fernsehsender fokussiert. Die Deutsche Welle zeichnet sich eben aus dadurch, dass sie eine hohe Vielsprachigkeit hat, dass sie in vielen regionalen Märkten zu empfangen ist, und zwar auf unterschiedlichen Verbreitungswegen, sowohl als Hörfunksender, als Fernsehsender, aber eben auch im Internet.
Und diese Vielsprachigkeit ist ein Alleinstellungsmerkmal der Deutschen Welle. Und wenn man dies nun beschneiden würde, würden dort ja auch viele Menschen wieder wegfallen, die dann die Deutsche Welle nicht mehr empfangen oder lesen oder hören würden. Von daher habe ich meine großen Zweifel, ob die Reichweite mit einem englischsprachigen Sender, der in Konkurrenz tritt mit alt-etablierten Sendern wie BBC World, CNN und so weiter, ob da tatsächlich die Reichweite zu erweitern ist, da habe ich meine großen Zweifel, ja.
von Billerbeck: Aber habe ich das eben falsch verstanden? Hat nicht der Bundestag genau diese Neuausrichtung für diesen englischsprachigen News-Kanal, den der Intendant der Deutschen Welle da will ab 2015, unterstützt?
Rößner: Die Beschlusslage ist morgen im Bundestag, heute im Ausschuss. Die Aufgabenplanung wird dem Bundestag sozusagen vorgelegt, und dort steht tatsächlich drin, dass es eine Ausrichtung auf einen englischsprachigen Fernsehsender geben soll. Ja, die Koalition unterstützt dieses Unterfangen –
von Billerbeck: Sie nicht?
Demokratieförderung auf unfreien Medienmärkten
Rößner: Ich halte das eben für sehr kritisch, weil, wie gesagt, die Vielsprachigkeit ist halt was ganz Besonderes. Man kann in gerade unfreien Medienmärkten durch diese Vielsprachigkeit viele Menschen erreichen. Und die Frage ist ja, welche Zielgruppe will ich erreichen? Die Deutsche Welle ist unglaublich stark in Fragen der Demokratieförderung beispielsweise, als Stimme in unfreien Medienmärkten.
Und ich weiß nicht, ob die Deutsche Welle tatsächlich dann auch die Menschen, die Breite der Bevölkerung erreicht mit einem englischsprachigen Programm, wenn es das vorher in anderen Sprachen macht. Und wenn Sprachen eingestellt werden, dann wird die nicht wiederkommen. Dann ist das Programm weg, und damit eben auch die Möglichkeit, Menschen zu erreichen und Bildung zu vermitteln, Demokratie zu fördern und das, was die Deutsche Welle eben abhebt von anderen, englischsprachigen Sendern.
von Billerbeck: Der Intendant hat ja, das haben wir eben auch gehört, damit gedroht, wenn der Bundestag der Deutschen Welle nicht mehr Geld zur Verfügung stellt, dann eben die Nachrichtenkanäle Spanisch, Arabisch und Deutsch einzustellen. Fühlen Sie sich als Medienpolitikerin und Mitentscheiderin über dieses Geld durch diese Ankündigung erpresst?
Rößner: Na ja, natürlich baut er damit Druck auf. Nur, der Haushalt für das kommende Jahr ist bereits beschlossen. Und ich frage mich, ob es dann richtig ist, eine Gewichtsverschiebung oder eine neue Ausrichtung zu planen, anstatt erst mal das zu stärken, was man hat und das, was man auch gut macht.
Erpressung des Bundestags?
Das arabische Programm beispielsweise hat einen sehr hohen Stellenwert im arabischen Raum, gerade in der Begleitung des Arabischen Frühlings. Und wenn wir mal überlegen, wo auch die globale Bedrohung herkommt, dann ist es doch wichtig, gerade auf diesen Märkten auch weiter aufzutauchen und ein gutes Programm zu machen.
Und deshalb kann ich nicht ganz nachvollziehen, dass man sagt, ich habe zwar kein Geld, ich strukturiere aber um und mache eine ganz neue Ausrichtung meines Programms. Das kann ich nicht nachvollziehen. Da muss man doch erst mal mit dem, was man hat und dem, was die Stärken sind, arbeiten. Und den Bundestag damit zu erpressen, finde ich auch nicht legitim, weil das letztlich auf dem Rücken der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ausgetragen wird.
von Billerbeck: Ich habe in einem Ihrer Papiere gelesen, es müsse eine Richtungsentscheidung getroffen werden also Zitat: "was der Auslandssender zukünftig ins Aufgabenheft geschrieben bekommen soll." Und da liegen die Meinungen zwischen Förderung der wirtschaftlichen Beziehungen und Förderung von Demokratiebewegungen weit auseinander. Aber schließt sich denn das beides aus, Wirtschaftsförderung und Unterstützung von Demokratiebewegungen? Kann man nicht beides leisten?
Die "deutsche Sprache steht festgeschrieben"
Rößner: Ja, das ist die Frage, wie dann tatsächlich die Deutsche Welle auch ausgestattet ist. Ich denke, die Aufgabenbeschreibung ist sehr, sehr weit gefasst. Eigentlich will man, dass die Deutsche Welle alles leistet, so ein bisschen die eiergebende Wollmilchsau. Sie soll eben Demokratie fördern, sie soll die wirtschaftlichen Beziehungen fördern, sie soll die Kultur Deutschlands in die Welt tragen ...
von Billerbeck: Und einen Zugang zur deutschen Sprache schaffen.
Rößner: Ja, auch das, genau. Die deutsche Sprache steht auch festgeschrieben. Und ich denke, wenn man eben nicht bereit ist, die Deutsche Welle danach dann auch auszustatten – und dafür sehe ich keine Anzeichen –, dann muss man vielleicht doch sagen, was ist das Hauptaugenmerk der Deutschen Welle? Was soll es tatsächlich sein? Und ich sehe das vor allen Dingen in dem, was die Deutsche Welle besonders gut kann und macht, nämlich Demokratie zu fördern in der Welt.
Die Deutsche Welle hat beispielsweise eine hervorragende Akademie. Sie macht Journalistinnen- und Journalistenausbildungen und bringt auch die Mediengesetze in bestimmten Ländern voran. Sie ist eine Stimme in unfreien Medienmärkten, und das ist, glaube ich, ein Pfund, mit dem man eben wuchern kann und in dem man sich auch im weltweiten Wettbewerb, wenn man sich denn so begreifen will, durchsetzen kann.
Der Deutschen Welle droht Legitimationsverlust
von Billerbeck: Frau Rößner, wagen wir mal einen Blick in die Glaskugel. Sie sind in der Opposition. Wie wird denn nun die Entscheidung bezüglich der Neuausrichtung der Deutschen Welle ausfallen?
Rößner: Na ja, ich habe halt so ein bisschen die Sorge, dass, wenn tatsächlich eine Ausrichtung auf dieses englischsprachige Fernsehprogramm kommt und man dann unter vielen auftaucht, frage ich mich, wie kann man tatsächlich Zuschauerinnen und Zuschauer dafür gewinnen, wenn die aber schon BBC World oder CNN oder andere Programme regelmäßig schauen. Das ist ja dann etwas, dass sich die Reichweite möglicherweise dadurch verringert.
Und das Problem ist natürlich bei der Deutschen Welle auch, dass wir hier in Deutschland, die wir darüber entscheiden, die Deutsche Welle hier ja auch nicht empfangen können – dafür ist sie ja eben ein Auslandssender –, und dass möglicherweise dann die Berechtigung, was die Deutsche Welle dann tatsächlich noch auszeichnet, die Legitimation, ein bisschen verloren geht.
von Billerbeck: Tabea Rößner war das, Medienpolitische Sprecherin von Bündnis90/Grüne im Deutschen Bundestag, über die Zukunft des Auslandssenders Deutsche Welle. Danke für das Gespräch!
Rößner: Ich danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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