Referendum in Italien

Es geht um alles, aber nicht um die Reform

Ein Demonstrant hält einen Schriftzug "NO" hoch.
Demonstranten fordern, am kommenden Sonntag in der Volksbefragung gegen die Verfassungsänderungen zu stimmen. © Massimo Percossi, picture alliance / dpa
Von Jan-Christoph Kitzler, ARD-Studio Rom. · 29.11.2016
Regierbarer und schneller reformierbar soll Italien werden, so will es Matteo Renzi. Deshalb will der Ministerpräsident gleich 46 der 139 Artikel der italienischen Verfassung per Referendum ändern lassen. Doch die Abstimmung gerät zum Wahlkampfthema.
Es ist vertrackt mit dieser Verfassungsreform. Dabei geht es eigentlich nur um die Frage SI oder NO. Doch weil man der Regierung von Matteo Renzi nicht vorwerfen kann, zu wenig Ambitionen zu haben, ist es dann doch eine große Sache: Gleich 46 der 139 Artikel der italienischen Verfassung sollen umgeschrieben werden. Das Land soll regierbarer werden und schneller reformierbar.
Schon seit Jahrzehnten hat man in Italien über die Reform der Verfassung diskutiert – die Regierung versucht nun den großen Wurf, allen voran Maria Elena Boschi, die für Reformen zuständige Ministerin:
"Italien braucht diese Reform, damit es in Zukunft einfacher und effizienter im Sinne der Bürger funktioniert. Auch auf europäischer Ebene wird die Reform uns glaubwürdiger machen und unseren Einfluss stärken. Effizientere Institutionen werden sicher zu stabileren Regierungen fühlen."

Es geht um alles, aber nicht um Inhalte

Die Regierung braucht die Zustimmung des Volkes, weil die Mehrheit im Parlament nicht reicht. Das Problem in diesem Kampf um die Wählerstimmen ist nur: Es geht um alles, nur nicht um die Inhalte der Reform.
Die Fraktion derer, die NO sagen, reicht von ganz rechts bis ganz links. Alle eint das Ziel, die Regierung von Matteo Renzi nach Hause zu schicken. Allen voran Beppe Grillo, der als Chef der Fünf-Sterne-Bewegung der Anführer der Opposition ist, ohne im Parlament zu sitzen. Grillo haut jetzt landauf landab auf die Pauke, versucht Ängste zu schüren und Hass:
"Diese Leute sind Serienkiller. Mit dieser Verpackung, die sie mit Scheiße - SCHEISSE - gefüllt haben, stehlen und enteignen die die Zukunft eurer Kinder! Ich bitte Euch! Ja oder Nein ist nicht das Problem. Ihr wollt nicht wählen gehen? Ihr seid Egoisten, wenn ihr nicht geht. Ihr solltet jedoch wissen, dass wir es mit Serienkillern der Leben unserer Kinder in 20 Jahren zu tun haben."
Aber auch unter den Gemäßigteren gibt es viele No-Sager. Silvio Berlusconi tritt jetzt wieder in Talkshows auf und versucht, mobil zu machen. Dabei hat seine Forza Italia im Parlament für die Verfassungsreform gestimmt.
Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi.
Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi.© dpa/picture alliance

"Renzi spaltet das Land"

Stefano Parisi ist auch so einer: Eigentlich müsste er als Wirtschaftsliberaler, als der, der sich vorgenommen hat, das bürgerliche Lager in Italien zu einen, für ein effizienteres Italien sein. Aber auch er ist im Wahlkampf-Modus, da geht es kaum ums große Ganze. Er kritisiert deshalb weniger die Inhalte als vielmehr die Methode der Reform:
"Verfassungsreformen brauchen nationale Geschlossenheit, also eine breite Zustimmung des Volkes. Diese Verfassungsreform, die Renzi gewollt hat, spaltet dagegen das Land, das zeigt auch das Verhalten der verschiedenen politischen Kräfte. Wir haben ein zerrissenes Land. Bei einer Verfassungsreform, also wenn es um die Grundrechte, die das Funktionieren unserer Institutionen regeln, geht, ist das ein Fehler. Renzi hat entzweit und nicht geeint. Ein politischer Leader muss einen und nicht entzweien."
Und Matteo Renzi? Er sagt: diese Verfassungsreform ist erst der Anfang. Die Grundlage für alles, was noch kommt. Der Ministerpräsident arbeitet mit Zuckerbrot und Peitsche. Schon früh hatte er angekündigt, im Falle eines Scheiterns zurückzutreten. Dann, im Sommer, hatte er zerknirscht zugegeben, dass das ein Fehler war:
"Ich habe den Fehler gemacht, die Reform zu sehr mit meiner Person zu verbinden. Dieses Referendum ist nicht MEIN Referendum. Dies ist die Reform, die Italien braucht."

Referendum als Vertrauensabstimmung

Stolz verkündet er immer wieder, dass er bei den sechs Abstimmungen im Parlament darüber nie die Vertrauensfrage gestellt und auf dieses Druckmittel verzichtet habe. Aber im Wahlkampf hält er diesen Kurs nicht durch. Das Referendum ist längst zu einer großen Vertrauensabstimmung über die Regierung Renzi geworden:
"Ich bin nicht wie die anderen. Ich schaffe das nicht, in einem Amt festgewachsen zu sein, nur mit dem Zweck ein Amt zu haben. Ich bleibe, solange ich die Dinge verändern kann."
Dass Renzi bei einem Scheitern des Referendums zurücktritt, gilt als sicher. Ob das aber genügend Italiener dazu bewegt, zur größten Verfassungsreform seit dem Krieg SI zu sagen, ist alles andere als klar.
Mehr zum Thema