Rechtsradikale Hochburg in Mecklenburg

Scheune von Nazi-Gegnern brennt ab

Die brennende Scheune in Jamel in der Nacht zum Donnerstag (13.08.2015).Die brennende Scheune in Jamel in der Nacht zum Donnerstag (13.08.2015).
Die brennende Scheune in Jamel in der Nacht zum Donnerstag (13.08.2015). © dpa / picture-alliance / Michael KappelerHorst Lohmeyer
Von Silke Hasselmann · 13.08.2015
In dem mecklenburgischen Dorf Jamel leben überwiegend rechte und rechtsradikale Familien. Das Ehepaar Lohmeyer wehrt sich und veranstaltet ein Rockfestival für Toleranz. In der Nacht auf Donnerstag ist die Scheune der beiden in Flammen aufgegangen. Ein Brandanschlag?
Jamel liegt nur wenige Kilometer von der Ostseeküste entfernt. Doch kaum ein Navigationsgerät führt dieses winzige Sackgassendorf zwischen Wismar und Grevesmühlen. Der Musiker Horst und die Krimiautorin Birgit Lohmeyer haben es dennoch vor 12 Jahren gefunden. Seitdem leben sie in dem ehemaligen Forsthaus und vermieten Ferienwohnungen in der 240 Quadratmeter großen Fachwerk- Scheune. Dabei sagt Birgit Lohmeyer:
"Es ist, wenn man das Dorf betritt, ganz schnell zu bemerken und zu sehen, dass es ein von Nazis dominiertes Dorf ist, weil die sich nicht entblöden, hier an jeder Ecke oder Hauswand ihre Nazi-Insignien zu malen oder aufzustellen. Also es ist schon richtig ein Freilichtmuseum des Neonazitums geworden, sagen wir mittlerweile."
Völkisch anmutende Malereien, Wegweiser zu Hitlers Geburtsstadt
Da sind Wegweiser unter anderem für Adolf Hitlers Geburtsstadt Braunau. Runen hier, ein Kohlegrill in Form eines KZ-Verbrennungsofens da. Auf einer Garagenwand zwischen zwei völkisch anmutenden Malereien: "Dorfgemeinschaft Jamel − frei, sozial, national". In mindestens sieben der zehn Häuser leben Leute, die rechts bis rechtsextrem ticken. Im Mittelpunkt: Ein vorbestrafter Abrissunternehmer und Kopf der Neonazi-Szene.
"Herr Krüger - so heißt der berüchtigte Rechtsextreme in diesem Dorf - hatte sich zwar ruhig verhalten in den Vorjahren, bevor wir hierher zogen, hatte aber eine Parteikarriere in der NPD angestrebt." erklärt Birgit Lohmeyer weiter. „Er begann, Häuser aufzukaufen von Menschen, die einfach wegziehen wollten, oder es standen einige Gebäude schon lange leer. Die hat er gekauft und seine Gesinnungsgenossen einziehen lassen. Insofern war das eine Entwicklung, die wir jetzt einschätzen können als Parteistrategie, die wir aber damals, weil wir noch keine Experten für Rechtsextremismus waren, überhaupt nicht absehen konnten. Das hat uns wirklich überrollt."
Ein Schild in Jamel
"Frei - sozial - national" - so sehen sich einige der Bewohner in Jamel.© dpa / picture-alliance / Jens Büttner
Mittlerweile wissen die Lohmeyer, dass sie Zeuge der NPD-„Strategie der nationalen Dörfer" sind: verlassene Häuser beziehen, Immobilien kaufen, Dörfer besiedeln und von dort aus weiter Raum greifen. Weil sie offen darauf aufmerksam machen, hätten sie immer mal wieder Ärger, sagt Horst Lohmeyer.
"Also wir werden durch Anzeigen überschüttet. Uns wird extrem viel Aufmerksamkeit zuteil. Die Kinder winken uns, wenn wir den Hof verlassen und das ist ein Zeichen: 'Wir haben euch im Fokus.'"
"Eine neue, lebensgefährliche Qualität"
Es gebe auch ständig üble Nachrede, sie seien nur hinter staatlicher Förderkohle her, vor allem für "Jamel rockt den Förster". Zu diesem kleinen Open-Air-Festival laden die Lohmeyers seit 2007 an jedem letzten August-Wochenende auf ihren Hof.
"Und wir merken schon, dass es ein Bedürfnis ist von vielen Menschen in der Region, einfach mal in einem geschützten Raum das Dorf Jamel aufzusuchen und sich mit uns beiden mal zu unterhalten, was es eigentlich mit den Nazis hier im Dorf auf sich hat, was die tun. Die Idee ist einfach, den Neonazis zu zeigen, dass es nicht ihr Dorf ist."
Nun habe die Auseinandersetzung nach dem jahrelangen Mobbing durch die rechtsextreme Dorfbevölkerung "eine neue, lebensgefährliche Qualität" bekommen, meinen die Lohmeyers. Dass vorige Nacht die große Fachwerk-Scheune bis auf die Grundmauern abgebrannt ist, halten sie für eine "direkte Reaktion auf die Bekanntgabe" der für Ende August geplanten "Verleihung des Georg-Leber-Preises für Zivilcourage" an sie.
Die Kriminalpolizei in Wismar ermittelt wegen Brandstiftung, weil kurz dem Ausbruch des Feuers eine fremde Person auf dem Grundstück gesehen worden war. Einen politischen Hintergrund für die Tat hat sie bislang nicht festgestellt.
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